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Sprüche Menanders

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Titel: Sprüche Menanders
Untertitel:
aus: Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel S. 1047–1057, S. 1328–1329
Herausgeber: Paul Rießler
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1928
Verlag: Dr. B. Filser
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Erscheinungsort: Augsburg
Übersetzer: Paul Rießler
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Commons
Kurzbeschreibung:
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53. Sprüche des weisen Menander
1
Menander, der Weise, spricht:
2
Für alle Menschen sind das Wichtigste

Saaten, Pflanzen, Kinder.

3
Schön ist es, Pflanzen einzusetzen,

edel, Kinder zu erzeugen,
lobenswert und trefflich, Samen auszustreuen.
Doch der, von dem das Wachstum kommt,
verdient vor allem Lob.

4
Gott muß man Ehrfurcht zollen,

dem Vater und der Mutter Ehre geben.
Das alles darfst du nicht verlachen;
es kommt ja auch an dich.

5
Erweise Ehre dem, der älter ist als du!

So läßt dich Gott zu Ruhm und Stellung kommen.

6
Tu keinen Mord!

Laß deine Hände niemals Hassenswertes tun!
Das Schwert liegt nämlich unparteiisch da.
Nichts Schändlicheres als ein Menschenmörder;
man muß ihn augenblicklich töten.

7
Des Vaters und der Mutter Worten schenke tägliches Gehör!

Beleidige sie nicht!
Veracht sie nicht!
Den Sohn, der seine Eltern kränkt und schmäht,
führt Gott in Elend und in Tod.

8
Ehr deinen Vater recht!

Schätz deine Freunde nicht gering!
Tu nie ein Unrecht denen, die dir Ehre geben!

9
Verläßt dein Sohn das Knabenalter, klug, bescheiden,

dann unterricht ihn in der Weisheit Lehre!
Und diese Lehre findet besten Boden:
sie ist gar einleuchtend und wortespendend.
Und helle Augen lassen sich nicht blenden,
und eine Zunge stammelt nicht, die weise ist.
Verläßt dein Sohn das Knabenalter, frech
und unverschämt und diebisch, lügnerisch, verächtlich,

dann unterricht ihn in der Schauspielkunst
und gib in seine Hände Schwert und Messer
und bet für ihn,
daß er so bald als möglich sterbe und getötet werde,
damit du nicht durch seine Strafen und Verluste ins Verderben kommest,
und daß er dir nicht etwas vorspielt, was dir wohlgefiel,
falls er am Leben bleibt!

10
Ein jeder Sohn, der schandbar ist, soll sterben müssen

und nicht mehr weiter leben dürfen.

11
Des ehebrecherischen Weibes Füße haben keine Ruhe,

dieweil sie Tugend gegen ihren Gatten heuchelt.
Doch Gott hasst auch den Gatten,
der nicht an seinem Weib recht handelt.

12
Halt deinen Sohn von Unzucht ab

und deinen Knecht vom Wirtshaus!
Denn beides lernt zum Diebstahl an.

13
Trink ruhig Wein,

werd aber nicht dabei zum Prahler!
Der Wein ist mild und süß.
Und wer beim Wein zankt und krakeelt,
verfällt sofort der Schande und Verachtung.
Geh heim, wenn du den Magen dir gefüllt!
Doch Magenüberladung dient dir nicht zur Ehre,
gleichst du den Hunden, die sich überfressen.
Verhaßt sind jene beiden Sachen,
und dies ist ihnen günstig.
Trinkst du zu wenig,
wirst du verachtet;
trinkst du dich voll,
so wirst du ausgelacht.
Ein jeder, der dem Bauche und der Gaumenlust gefrönt,
wird nach dem Weggang Schimpf und Spott für sein Betragen leiden.
Ein guter Magen und ein starker Appetit ist allzeit nützlich.
Verdrießliche Gewohnheit ist’s,
zur ungewohnten Zeit zu schlafen.
Das Wohnen in der Unterwelt besteht im Schlafen;
das Wohnen bei den Toten ist der Traum.

14
Untätigkeit ist eine schlimme Sache;

sie hungert, dürstet, leidet und ist nackt.
Wie herrlich und wie ehrenvoll ist Fleiß!
Stets hat er einen vollen Magen,
ein strahlend Angesicht.
Kommt aus der Arbeit auch nicht greifbar Nutzen,
so wird man ihn nicht tadeln.

15
Laß ab von Streitereien!

Leg nicht die Hand an den, der älter ist als du!
Es fragten die Genossen den Homer,
was dem geschäh, der einen Greis erschlagen.

Er sprach zu ihnen:
Er wird erblinden.
Dann wurde er gefragt,
was dem geschähe, der die Mutter schlüge.
Er sprach zu ihnen:
Ihn möchte nicht die Erde länger tragen wollen,
weil sie die Mutter aller Menschen ist.
Dann fragten sie von neuem über das,
was dem geschähe, der den Vater schlüge.
Da sprach Homer zu den Genossen:
Das gibt es nicht,
noch sollte man darüber schreiben.
Ein Unding ist ein Sohn,
der seinen Vater schlägt,
falls nicht die Mutter ihn im Ehebruch
von anderswo empfangen und geboren.

16
Vor allem lieb den Vater!

Fürcht ihn und ehre ihn!
Veracht nicht deine Mutter!
Schätz niemals sie gering!
Sie trug dich ja in ihrem Schoß zehn Monde lang
und kam dem Tode nahe, als sie dich gebar.
Verspotte nicht des Greisenalters Reden!
Verzieh nicht übers Alter deinen Mund!
Verachte nicht die Armut!
Denn mit dem Alter kommen auch Gebrechen,
und diese eignen sich die Menschen an;
so wird der Abstieg in das Grab
durch Mängel noch erschwert.
Es fällt ein Mensch gar übel hin,
und niemand glaubt,
er könne sich wieder auf die Füße stellen.
Da faßt zu irgendeiner Stunde Gott ihn an der Hand
und hebt ihn auf
und läßt ihn wiederum zur höchsten Ehre kommen.
Der Reichtum ist nicht ewig,
und ewig ist auch nicht die Armut:
es ist ja alles zufällig.
Ich sah, wie einer, der zum Morden sich erhob, getötet ward;
ein andrer lebte auf,
den sie als Sterbenden schon ausgerufen.
Es ist ja niemand, den auf ewig Gott verstieße
oder immer niederhielte.

17
Willst eine Frau du heiraten,

frag vorher ihrer Zunge nach!
Dann schreite erst zur Ehe!
Denn eine Hölle ist ein zungenfertig Weib;
ein schlimmer Mann ist wie der Tod.

18
Verehre Gott zu jeder Zeit!

Rufst du zur Zeit der Not ihn an,
dann hört er deine Stimme.

19
Freu dich nicht über eines Menschen Tod bei seinem Sterben!

Denn alle Menschen kommen in die Ewigkeit beim Tod.
Und hast du einen Feind,
bet nicht um seinen Tod!
Denn wer da stirbt, wird seines Elends ledig.
Doch bete, daß er arm im Leben werde
und dann sein Leid bejammern müsse!

20
Mach den Vermittler nicht bei Brüdern!

Mach ihnen nicht den Schiedsrichter!
Wenn sich auch Brüder zanken,
was geht’s dich an?
Sie sind ja Brüder und versöhnen sich
und sie verachten dich in ihrem Sinn.

21
Geh nicht auf einen Weg, wo’s Zänkereien gibt,

damit du nicht auf deinem Weg in Schaden kommst
und du geschlagen wirst,
wenn du den Mittler machst,
und dein Gewand beschmutzest.
Bist du auch nur als Zuschauer daselbst zugegen,
so kannst du doch als Zeuge vor Gericht geladen werden.
Vermeide Schlägereien!
Verschmäh, ein falsches Zeugnis abzugeben!

22
Fühl dich dem Eigentum verpflichtet!

Haß den Diebstahl!
Denn Eigentum ist Leben;
zu jeder Zeit ist Diebstahl Tod.

23
Richt nicht die Ohren, nicht die Augen

auf deinem Weg auf einen schlimmen Menschen!
Schenk kein Gehör dem Bösewicht!
Sonst nennt dich jeder, der dich sieht,
des Bösewichts Genossen.
Doch wenn du ihn nicht anhörst noch ihm beistimmst,
blickt er dir dreist in das Gesicht
und fängt dann Händel mit dir an
für seine Schlechtigkeit.

24
Iß nicht dein Brot mit einem bösen Sklaven,

damit nicht seine Herren glauben,
du wollest ihren Sklaven in dem Diebstahl unterrichten!

25
Haß einen bösen Sklaven!

Verschmähe einen freien Dieb!
Denn wie du nicht mit eigner Hand den Sklaven töten darfst,
so kannst du auch den Freien nicht in Schranken halten.

26
Gott haßt den schlimmen Sklaven,

der seine Herren haßt und sie beschimpft.

27
Erblickst du einen schlimmen Sklaven

auf tiefster Stufe der Verworfenheit[,]
dann trauere nicht um ihn,
sag vielmehr:
„Wieviele Güter müssen seine Herren besitzen?“

28
Hab einen fleißigen Sklaven gern,

der in der Herren Häuser arbeitet und emsig ist!

29
Die faulen Menschen insgesamt gab Gott in Sklaverei

und jeder fleißige Mensch ist wert,
in Ehre und in Amt zu kommen.

30
Verschmäh und hasse einen zügellosen Greis!

So wenig deine Hand den Wind in Schranken halten kann,
so wenig kannst du auch den Greis in Schranken halten und belehren.

31
Verlasse nicht den rechten Weg!

Begib dich nicht in Irrtum!
Betritt kein Haus der Ungerechtigkeit!

32
Sei doch nicht händelsüchtig,

damit du dir nicht eine Klage zuziehest,
die dich in Armut bringt!
Und wenn du lügst,
dann wirst du allsogleich verachtet[,]
und wenn du schimpfst,
dann wirst du im Gesichte mager.
Bist du ein Prahler,
so tust du selbst dir Unrecht.

33
Sitzst du mit mehreren bei Tisch,

dann öffne nicht vor ihnen deinen Geldbeutel
und zeig nicht, was du bei dir hast!
Sonst borgen sie von dir
und geben’s nicht zurück
und wenn du es verlangst,
dann streiten sie mit dir
und nennen dich gar hartherzig
und so verlierest du das Deine
und giltst noch überdies als unfreundlich.

34
Lieb deine Brüder!

Gib gute Worte deinen Freunden!
Ich kam ja weit herum,
fand aber nicht, was Brüdern wohl an Wert gleichkäme.
Es machen deine Söhne ihrem Vater Freude;
sie sind ja wirklich eine Freude.
Jedoch, die Söhne gelten mir nicht das,
was Brüder.
Dein Sohn wünscht deinen Tod;
nach deinem Tode wird ihm Ehre eigen;
er selber tritt an deine Stelle
und lebt von deinen Gütern nach Belieben.
Die Brüder aber wünschen dir das Leben an;
sie werden ja, solang du lebst, geehrt,

nach deinem Tode aber unterdrückt.
Und deine Söhne heißen deine Brüder böse.
Es denkt ein schlimmer, unverständiger Sohn an solches;
in seinem bösen Sinn herrscht der Gedanke an des Vaters Tod.
Der schlimme Sohn weiß nicht,
daß seines Vaters Tod
den Söhnen nicht von Nutzen ist;
sie haben ja nicht mehr,
wohin das Haupt sie legen können.

35
So lieb und ehr den Vater!

Er gab sich ja dir selber hin.
Setz deine Freunde nicht beiseite!
Veracht nicht, die dich ehren!
Verfahr nicht trügerisch mit dem,
mit dem dein Brot du teilst!
Besuchst du einen Freund
und hat dein Freund dich gern
und stehest du bei ihm in Ehren,
dann zeigen seine Söhne dies auch äußerlich.
Wenn aber seine Söhne keine Freude vor dir äußern,
dann freut sich auch dein Freund an deinem Anblick nicht.

36
Geh fort!

Geh heim!
Der Sohn des Freien ehrt gar sehr sein Haus,
der Sklavin Sohn das seines Herrn.

37
Bemerkst du, wie ein Edelmann in Schimpf und Schande kommt,

veracht ihn nicht!
Ehr vielmehr ihn, wie’s sich gebührt,
und schenk ihm, was nur deine Hand vermag!
Das ist Gerechtigkeit in hohem Maße, die du übst,
wenn du den Mann beschenkst, der Ehr und Gut verlor.
Hast du etwas, dann schenk es ihm!
Doch, hast du nichts, kannst ihm nichts geben,
dann geh zu ihm mit guten lieben Worten,
und sprich zu ihm:
„Hab keine Angst!“
Dann wird dir Gott ein gnädiger Richter sein.

38
Halt dich vom Ehebruche gänzlich fern!

Was willst du schimpfliche und lasterhafte Güter kaufen,
die einen unheilvollen Anfang
sowie ein schmählich, ekelhaftes Ende haben?

39
Mit hoch erhobenem Haupte wandle in der Ehrlichkeit

und pfleg Bescheidenheit in deinem Sinn!
Bedenke wohl,
wie du nicht wünschest, daß dein Weib mit einem andern ehebreche,
so brich auch selber nicht mit eines andern Weib die Ehe!
Und willst du nicht zugrunde gehen,
geh nie aufs Stehlen aus!

40
Was du nicht willst, daß man dir tu,

das füg auch keinem andern zu!

41
Betone deine Schritte nicht zu sehr,

daß dir nichts Übles widerfahre!
Denn bist du unverschämt,
so dient dir dieses nicht zum Ruhm.

42
Lernst du die Jägerei,

dann hast du keinen Lebensüberdruß.
Denn, lernst du sie,
dann klagest du um etwas, was du nicht verloren,
und findest auch nichts Schönes,
dieweil das Ganze häßlich ist.

43
Den König ehren seine Fürsten;

doch ihre Götter achten nicht die Priester.
Gib keinem Priester einen Trunk,
wenn er nicht seine Götter achtet!
Und lädst du einen schlechten Priester in dein Haus,
dann spendet er beim Eintritt dir den Segen;
murrt aber, wenn er fortgeht.
Und bietest du ihm Speise an,
dann führt er seine eine Hand zum Munde,
und mit der andern nimmt und steckt er das in seinen Sack,
was er den Kindern bringen will.

44
Tritt ein im Frieden,

wenn deine Kleider schön
und vollgespickt dein Beutel ist!

45
Die Speise ziert Geselligkeit.

Der Reichtum bringt viel Freunde.
Wankt aber eines Mannes Fuß,
alsdann verlieren sich alle seine Freunde.

46
Geschenke zieren Reden.
47
Speis nicht an jedem Tag mit einem Mann,

der reicher ist als du!
Denn widersprichst du ihm,
der täglich dich auf seine Kosten hat bewirtet
und widerspricht er dir,
dann mußt du das, was du in dreißig Tagen hast erspart,
für diesen aufwenden
und dieses richtet dich zugrund.

48
Das Weissagen ergötzt der Toren Sinn;

die Zauberei verblüfft einfältige Gemüter.

49
Wer Halt auf seinem Wege macht,

der ist ein träger Mensch.

50
Das Diebsgelüste bringt ein schweres Kreuz.
51
Des Elends Stunde lehrt dich Stehlen und Betrügen.
52
Versag dem Knaben Mitleid!

Die Zucht entfernt vom Tode weit;

die Kunst befreit von Elend.
Das göttliche Gesetz ist Gegenstand des Lesens.

53
Verhaßt ist die Geschwätzigkeit

und grundlos Lachen über Fehler.

54
Veracht zu jeder Zeit die Schmeichelei!

Verschmäh und hasse einen Schwätzer,
der stets dazwischen spricht
und lange schwätzt!
Und sind zehntausend Feinde um dich her,
so schaden sie dir nicht so viel als seine Zunge.
Tagtäglich kämpft er mit dem Tod;
sein Antlitz blickt nicht hell der Worte wegen,
mit denen er gescholten wird.

55
Nichts Schöneres gibt’s als Stillschweigen.

Es ist die Schweigsamkeit zu allen Zeiten schön.
Und schweigt ein Tor,
dann hält man ihn sogar für einen Weisen.

56
Verliere nie den Mut!

Verzweifle nicht im Krieg!
Wer in dem Kriege nicht verzweifelt
und sich dem Tode darbietet,
gewinnt sofort sein Leben, Ruhm dazu
und wird gefeiert.
Wer vor Gerichte kühne Worte macht,
gewinnt den Sieg.

57
Ein unbehelligter Reichtum ist eine Macht;

doch weiß nicht jedermann, ihn zu benützen.
Wer einen großen Bauch sich anschafft, stirbt
und wer nicht an das Ende denkt, verkommt.
Doch wenn du deinen Bauch nur mäßig füllst
und wenn du an das Ende denkst,
dann geht’s dir gut.

58
Ein Urteil ist ein gutes Ding.

Doch hüte dich, dein Urteil über einen Toren abzugeben!
Denn hilfst du einem dummen Mann bei seinem Rechtsstreit,
dann schilt er über dich und sagt zu vielen:
„Er hat mich ja verurteilt.“

59
Speis nicht mit einem Schurken!

Denn er verschlingt, was dir gehört,
und weil er schlecht ist,
so redet er nur Schlimmes und Verdrießliches von dir.

60
Schenk nicht Gehör den Worten eines Weibes, das viel schwatzt!

Und glaub ihr nicht,
wenn sie bei dir sich über ihren Mann beklagt!
Denn der tut ihr nichts Übles an,
wohl aber sie, die täglich ihn mit ihrer bösen Zunge angreift.

61
Streit nicht mit dem, der dir an Kräften überlegen,

auch wenn er dich selbst drängt, mit ihm zu ringen,

indem du bei dir denkst: „Vielleicht werf ich ihn nieder!“
Sonst wirft er dich zu Boden
und du mußt vor den vielen Zuschauern dich schämen.

62
Steh fest bei dem hin,

der mit dir streitet!
Laß ihm’s nicht durchgehen,
beschimpft er deinen Vater!

63
Richt nicht zu Haus auf deine Magd die Augen!

Hab keine Freude an der Lust und am Zusammensein!
Vergiß nicht deine Ehre!
Läßt du zu Haus die Augen schweifen,
dann duldest du viel Pein.
Doch bist du ehrbar,
so wirst du reich und glücklich sein.
Gott haßt die Lust und das Beisammensein;
sie machen auch die Menschen garstig.

64
Besitzest du Vermögen, hast du Grundstücke,

dann sei bescheiden, zutunlich und freigebig,
nicht prahlerisch!
Hast du jedoch kein Grundstück, bist du arm
sei demütig und anspruchslos,
jedoch nicht frech!
Den Menschen sind der Hochmut und die Grobheit ganz verhaßt.

65
Wend deine Augen nicht von deinem Vater, deiner Mutter ab!

Verzieh den Mund nicht über deine Freunde, deine Lehrer!
Veracht nicht Gott, der dich erschaffen!
Denk doch daran und sieh:
Die Augen, wenn sie noch so wachsen,
sie gehen über ihre Augenbrauen nicht hinaus.
Magst du den Vater und die Mutter überragen
und heißt man dich in deiner Jugend und in deiner Vaterstadt schon Herr und Meister,
so nennen dich doch alle Leute stets
nach deines Vaters, deiner Mutter Namen.

66
Besitzest du Vermögen, hast du Grundstücke,

dann laß dir’s wohl sein vom Vermögen,
solang du lebst!
Bedenk und sieh:
Dort in der Unterwelt kann niemand seine Hab genießen;
der Reichtum folgt nicht in das Totenreich.
Ein Tag im Sonnenlicht ist besser,
als hundert Jahre in der Unterwelt.

67
In deiner Jugend arbeite,

solang dein Auge sieht, der Fuß noch geht
und deine Kräfte aushalten!
Dagegen, bist du alt schon und gebrechlich,
mach dir von deinen Gütern eine gute Stunde!
Es ist doch etwas Edles um die Jugend,

wenn so ein Jüngling arbeitet
und seine Kräfte anspannt.

68
Die bange Sorge wohn in deinem Herzen nicht für immer!

Ein schlimmes Ding, in Kümmernis zu sein.
Dann lebt der Mensch nicht viele Jahre;
denn ihre Sorgen bringen ihn ums Leben.

69
Bist du bekümmert, wirst du sterben,

und bist du ängstlich,
dann lebst du nicht zu lange.
Das Lebensmaß ist kurz und knapp.

70
Die Gottesfurcht ist aller Güter Anfang;

sie selbst befreit von allen Übeln;
sie ist ein Schatz.
Die Menschen bleiben nicht für immer im Besitz der Güter,
bis sie der Tod erreicht.

71
Wie herrlich und wie lobenswürdig ist die Jugend;

doch bleibt sie kurze Zeit nur bei den Menschen.
Das Alter aber macht sie trocken.

72
Der Liebe wert sind Leben, Güter, Kinder,

der gute Ruf jedoch noch mehr.

73
Die Heiterkeit ist lobenswert und herzerquickend;

gar weit davon entfernt ist Streiterei und Frechheit.

74
Um Freundschaft, die bis zu dem Tode dauert,

ist’s etwas Gutes, etwas Herrliches.

75
Gelassen ist die Weisheit;

der große Bauch ist weit davon entfernt.

76
Ein fester Sinn ein gutes Ding,

wenn er mit einem rechten Herzen ist verbunden.

77
Der Wohlstand ist gar lobenswert,

wenn jemand arbeitet
und jener so durch ihn zustande kommt.

78
Gar schimpflich ist die Lässigkeit,

wenn jemand einen kräftigen Leib besitzt.

79
Das Zornigsein führt oft zu Streitereien.
80
Die Weisheit schützt vor Armut.
81
Die Hoffnung tröstet.
82
In Irrtum führt die Albernheit den Geist.
83
Und Furchtsamkeit verdirbt das Herz.
84
Ein bös Gewissen bringt nur Angst und Seufzer.
85
Zu Streit und Armut führt der Neid.
86
Ein schlimmer Bauch führt eine böse Sprache.
87
Um Reichtum ist es etwas Herrliches und Schönes;

jedoch begegnet er nicht leicht dem braven Mann.

88
Ein widerwärtig trübes Ding ist schon die Armut,

wenn Schmerzen und Verluste mit ihr eng verbunden sind.

89
Am nächsten kommt der Ehre Reichtum.
90
Die Ruhe ist ein großes Gut.
91
Ein Reichtum, der nicht kleiner wird, ist eine feste Gesundheit;

weit schlimmer als die Armut ist die Krankheit und das Siechtum.

92
Die Freude und der Jubel ist Gesundheit.
93
Das Greisenalter steht dem Tod am nächsten.
94
Die Armut ist die Hefe aller Übel,

wenn sie dem Greisenalter näher kommt.
Des Lebens Ende ist der Tod.
Es sargt das Grab den Reichtum ein.

95
Die Schönheit leidet durch das Fieber.

Gesundheit ziert das Angesicht,

96
Der Tod vernichtet Pläne;

die Auswahl übergeht zehn Teile
und schließlich trifft sie einen festbestimmten.

97
Im Menschenleben sind die Übel und die Güter recht vermischt,

doch abgesehen vom Fieber, dessen Schauern und Beschwerden
und von den schlimmen Qualen,
die man des Todes Boten heißt.

98
Was schicklich, kann sich niemand selbst aussuchen

und sich von dem, was übel ist, enthalten;
sie schreiten nach dem Maß einher,
das Gott den Menschen gibt.
solang er ihnen auch das Leben schenkt.
Die Menschen sollen nicht traurig sein;
denn über ihr bestimmtes Ziel hinaus
vermögen sie nicht fortzuleben.

99
Wir dürfen Gott nicht zürnen

der Leiden wegen, die uns treffen könnten.

100
Wie oft kam jemand schon zu Ehren und in Stellung,

hat er auch vorher vieles Leid durchkostet!

101
Dem Menschen, der in Trauer kam,

geziemt sich’s nicht, zu übertreiben;
es schadet selber ihm die Traurigkeit durch seine Seufzer.

102
Es hilft ja dem Verstorbenen nichts,

wenn jemand auf dem Boden liegt
und seinetwegen sich kasteit.

103
Wenn einem weisen Mann sein liebster Freund gestorben ist,

so wird er unter Tränen ihn zum Grab begleiten;
ist aber sein Verstorbener begraben,
dann hört er selbst mit Seufzen auf
und denkt daran und sieht’s voraus,
daß er auch selber sterben werde
und daß es einen Ort der Ruhe gebe,
den Gott den Menschen eingerichtet,
daß sie daselbst von allen Leiden in dem Leben ruhen.



Erläuterungen

[1328]
53. Zu den Sprüchen des Menander

Die Sprüche, die hier dem attischen Dichter Menander 342–290 v. Chr. zugeschrieben werden, sind ein Produkt der jüdischen Spruchweisheit. Der Inhalt der einzelnen Sprüche bezieht sich aufs tägliche Leben. Die Verwandtschaft mit Sirach und den Sprichwörtern ist offensichtlich. Der Text selbst ist[1329] sehr reich an Hebraismen. Jüdischer Ursprung ist kaum fraglich. Der Verfasser muß in römischer Zeit gelebt haben; denn er kennt das römische Gladiatorenwesen V. 9 und die römische Kreuzesstrafe für Diebstahl V. 50 (s. J. Land, Anecdota Syriaca I 1852 IA. W. Frankenberg in Z.A.T. XV 226 ff.).

2 streiche vor „die Saaten“ das Wort „Wasser“, das aus Sirach 39, 21. 26 f stammt; es handelt sich hier bloß um menschliche Tätigkeiten. Diese sind wichtig, aber noch wichtiger ist Gott, der das Gedeihen gibt. 4 Nach der Gottesfurcht ist Elternliebe und Ehrfurcht vor dem Alter am wichtigsten, Sir 3, 12 f. 9 Gladiatorenspiele. 11 Die Warnung vor Ehebruch nimmt in allen Schriften dieser Art einen großen Raum ein, Spr 7, 11 Sir 9, 1 ff 23, 16 ff. 12 Die Dirnen lassen sich bezahlen; daher führt der Verkehr mit ihnen leicht zum Diebstahl, Spr 29, 3 Sir 9, 6. 13 Die Vorschriften für das Benehmen beim Gastmahl waren ein wichtiges Stück des Unterrichts bei den Weisen s. Spr 20, 1; 23, 29 f Sir 34, 12 ff. 14 Ebenso allgemein ist die Warnung vor Trägheit, Spr 19, 15 Sir 30, 37. 15 Sonst von Solon berichtet; s. Herodot I 137 16 Nichts ist beständig, Sir 7, 11 Spr 24, 16; 27, 4. 17 Allgemein ist auch die Warnung vor schlimmen Weibern Sir 25, 13 f. 19 Der Tod ist allen gemeinsam, Sir 8, 7. Eine seltsame Bitte. Wird der Feind arm, dann kann er sich bekehren und ein gutes Ende finden. 21 Sehr häufig ist in der Spruchliteratur die Warnung vor falschem Zeugnis oder vor Sykophantentum (Spr 1, 1 ff, 6, 19; 19, 5). 27 Die reichen Herren kümmern sich weder um ihre Sklaven noch um ihren Besitz, dessen Verminderung durch ungetreue Sklaven sie nicht merken. 33 Eine Klugheitsmaßregel für das Benehmen beim Gelage, Sir 8, 12; 29, 4 ff. 34 str. (die Söhne) „der Brüder“! Die Wertschätzung der uneigennützigen Brüder gegenüber den eigensüchtigen Söhnen findet sich auch sonst, Sir 43, 15; 35, 21. Sie können das Haupt nicht mehr an des Vaters treubesorgtes Herz legen. 37 Wohltätigkeit schützt vor Verwerfung, Sir 4, 1 ff 29, 11 Spr 14, 31; 17, 5; 19, 12. 39 Stehlen hier=Ehebrechen. 42 Ironisch gemeint. Der Jäger klagt um das Wild, das er nicht trifft, und trifft er es, dann ist es ein totes oder blutendes Tier. Das ist häßlich. 43 Der Verfasser gebraucht die Mehrzahl Götter, um sich den Anschein eines heidnischen Autors zu geben. Oder liegt eine falsche Deutung des hebräischen Plur. majest. „Gott“ vor? 44 Der heimatlose Fremdling war damals eine bekannte Erscheinung. Er ist nur dann willkommen, wenn er den Hausherrn und die andern Gäste freihalten kann. 47 Die Sitte der Tischgesellschaften war sehr verbreitet. Die Kosten dabei wurden abwechselnd von Einem bestritten; daher die Warnung davor, Sir 13, 2 ff. 48 Der Aberglaube war auch in der jüdischen Gemeinde verbreitet, Sir 31, 1 ff. 50 Die römische Kreuzigung. 54 Der Schwätzer schwebt täglich in Todesgefahr, Spr 10, 14 u. a. 56 Ende wörtlich wie Spr 17, 28. 65 Mahnung, seine Herkunft nicht zu vergessen. 66 Aufforderung zu vernünftigem Lebensgenuß. Der Satzteil (nach „solang du lebest“) „und dein Auge noch sieht und dein Fuß noch geht“ stammt aus V. 67 und steht hier an unrechter Stelle. 68 Das Hasten und Sorgen ist unnütz und gesundheitsschädlich und um so törichter, 69 als das von Gott bestimmte Maß des Lebens so schon kurz genug ist. 72 I. „Kinder“ st. Grundstücke. Das einzig bleibende Ergebnis des Lebens ist ein gesegnetes Andenken, Sir 39, 9. 75 Schlemmerei ist mit Weisheit unverträglich. 79 Unrichtig „Das Säugen macht die Schafe kühn“, s. Spr 29, 22 und 28, 25. 91 Besser, als aller Reichtum, ist Gesundheit. 103 Solche Verhaltungsmaßregeln finden sich auch bei Sir 38, 16 ff.