männliche Haltung, sein fester Gang boten einen stattlichen und würdigen Anblick dar. Dieser Mann war König Karl, der im Odenwalde jagte.
Heiter, freundlich und milde war sein Gesicht, auch hätte man nicht anders glauben können, als daß seine Gesundheit unerschütterlich sei.
Seine Beine waren umwunden mit Binden, seine Füße bedeckt mit Schuhen und weil es im Winter war, so wallte ein Seehundspelz als Mantel um seine Brust und Schultern.
An der langen, eisernen, schweren Lanze war Kaiser Karolus kenntlich, welcher mit seinen Töchtern im Odenwalde auf die Jagd gezogen war. Seine Töchter liebte er nach dem Tode der Mutter über Alles. Er verhinderte ihre Vermählung, und selten durften sie ihn in Friedenszeiten verlassen.
Mit einer für einen so gewaltigen Körper etwas zu wenig männlich klingenden, feinen und hellen Stimme rief er die Hunde zurück, die sich noch über den bereits verendenden Hirsch warfen. Alsdann trat er zu einer seiner Töchter – es war die schönste von allen – und forschte, ob ihr Fuß verrenkt sei. Seine Besorgnis war unbegründet.
Während der Untersuchung, die er deshalb angestellt hatte, war der Jäger, der zuerst neben der Jungfrau gestanden hatte, bereits wieder in den dichteren Eichenwald eingetreten. Doch ließ er hier die Jagdgesellschaft an sich vorbeigehen und wartete, bis Emma, die er vor dem Falle bewahrt hatte, ihnen nachkam.
Es zeigte sich, daß sie doch der Gesellschaft nur schwer folgen konnte. Da sich unter diesen Umständen Niemand weiter um die beiden kümmerte, so nahm sie im Weiterschreiten mancherlei Hilfe von ihrem Begleiter – es war Eginhard – mit dankbaren Blicken an.
Man hatte nicht mehr weit, bis man auf die kaiserlichen Diener traf. Der Kaiser empfahl ihnen seine noch immer etwas hinkende Tochter und winkte Eginhard herbei, worauf beide im lebhaften Gespräche mit einander die nur noch kurze Fußwanderung fortsetzten.
Bald traf man auf die kaiserlichen Wagen und Reitpferde. Hier bestieg die Jagdgesellschaft die Rosse. Nur Emma wurde auf einem Wagen nach Ingelheim gefahren, wohin auch der tote Hirsch durch das Gesinde auf einem Fuhrwerke und zuletzt auf einem Kahne gebracht wurde.
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/47&oldid=- (Version vom 1.8.2018)