Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben 2. Theil | |
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Der ziemlich freie Raum, welcher, wie ich früher beschrieben habe, sich vom Ti herab bis zu dem Felsen am Ende des Weges erstreckte und den Aufgang zum Ti bildete, war jetzt, wie das Gebäude selbst, gänzlich von den Männern verlassen, und die ganze Strecke war mit Schaaren von Weibern besäet, welche in der sonderbarsten Aufregung jubelten und tanzten.
Es ergötzte mich sehr, vier bis fünf alte Weiber in ganz nacktem Zustande, mit steif an den Seiten angelegten Armen, ganz gerade auf und abspringen zu sehen, wie ein Stock zur Oberfläche emporschießt, wenn er mit Gewalt senkrecht ins Wasser getrieben worden ist. Sie hatten die ernstesten Gesichter von der Welt und fuhren mit dieser sonderbaren Bewegung, ohne die kleinste Unterbrechung fort. Sie schienen nicht die Aufmerksamkeit der Menge um sich her auf sich zu ziehen, aber ich muß ehrlich gestehen, daß ich meinestheils sie auf das Unerschütterlichste anstarrte.
Um Aufschluß über den Zweck dieser eigenthümlichen Belustigung zu erhalten, wandte ich mich fragend an Kory-Kory; dieser gelehrte Typie fing augenblicklich an, die Sache auf das Gründlichste zu erklären. Aber Alles, was ich verstehen konnte, war, daß diese springenden Figuren verlassene Wittwen wären, deren Gatten vor vielen Monden in der Schlacht umgekommen wären, und welche bei jedem Feste auf diese Weise öffentliches Zeugniß von ihrem Kummer ablegten.
Herman Melville Übersetzt von Rudolph Garrigue: Vier Monate auf den Marquesas-Inseln oder ein Blick auf Polynesisches Leben, 2. Theil. Gustav Mayer, Leipzig 1847, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Melville-Vier_Monate_auf_den_Marquesas-Inseln._Teil_2.djvu/80&oldid=- (Version vom 1.8.2018)