schwer, einen ziemlichen Theil des Personals, das bei der letzten Aufführung betheiligt war, zusammenzufinden und von Jedem den Gang seiner Rolle zu entheben.
Schwerer wurde es, das Schauspielbuch, in dem der vollständige Text des Stückes enthalten war, aufzufinden. Es kann nicht in vielen Exemplaren vorhanden sein, ich fand auch nur ein einziges, das vollständig war.
Da die Leitung der Aufführung lange Zeit in Einer Familie sich erhielt, so vererbte sich das Textbuch bei ihr, und die Spielenden erhielten jedes Jahr ihre Rollen, welche nach der Aufführung wieder zurückgegeben werden mußten. Die Sprüche waren leicht im Gedächtniß zu behalten, und es war vielleicht keine Familie in der ganzen Stadt, die nicht ein oder das andere ihrer Glieder unter den Mitspielenden ein oder das andere Mal gehabt hatte. So war die Kenntniß des Stückes und seiner einzelnen Sprüche überall lebendig aufbewahrt, und hieraus ist leicht zu erklären, daß man nicht daran dachte, viele Abschriften vom Ganzen zu nehmen.
Weil aber die Träger der Ueberlieferung reichsstädtischer Zustände nach und nach heimgehen und es die Art des jungen Geschlechtes ist, keinen Sinn für die alten Verhältnisse zu haben, so wird auch von diesem Passions-Schauspiele in wenigen Jahren die Erinnerung bis auf dürftige Spuren seines ehemaligen
Franz Joseph Holzwarth: Passionsbilder. Franz Kirchheim, Mainz 1856, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Holzwarth_Passionsbilder.djvu/125&oldid=- (Version vom 1.8.2018)