wer Nichts, auch das Kleine nicht mißachtet, um aus ihm seine Erkenntniß vergangener Zeiten und Zustände zu bereichern, wird sicher dieses alte Passionsspiel freudig und darum auch nachsichtig willkommen heißen.
Es ist rührend, die alten Leute, die aus der reichsstädtischen Zeit noch übrig sind, über ihr Passionsspiel sprechen zu hören. Alsbald fangen sie an, die Strophen ihrer Rolle, die sie in der Jugend dargestellt, „ihre Sprüche,“ wie sie sagen, zu declamiren, sie versetzen sich so lebendig in die Darstellung zurück, daß es Mühe kostet, sie zu einer ordentlichen Erzählung des ganzen Herganges zu bringen. Sie standen ihrem Spiel nicht als fremde, gleichgültige Zuschauer gegenüber, darum regt jede Erinnerung an jene von ihnen so hoch gepriesene Zeit ihr ganzes Herz und ihre volle Liebe auf, und statt ruhig zu berichten, declamiren sie und ergießen sich in Ausrufungen; „ja das war eine Zeit! Da kam eine Masse Volkes! Das war rührend! Da weinten die Protestanten, die viele Stunden Weges aus dem Württembergischen kamen, ihre hellen Thränen, wie wir es thaten!“ Dieß und Aehnliches muß man alle Augenblicke hören und hat Mühe, durch fortwährende Fragen aus einzelnen Bemerkungen den ganzen Hergang des Spieles sich zusammenzubauen.
Da aber Viele der Mitspielenden noch leben und ich unter ihnen aufwuchs, so wurde es mir nicht sehr
Franz Joseph Holzwarth: Passionsbilder. Franz Kirchheim, Mainz 1856, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Holzwarth_Passionsbilder.djvu/124&oldid=- (Version vom 1.8.2018)