widerstanden, oben in der vierten Etage ein Fensterchen
so erweitert, daß es ihnen Rettung über das
Nachbardach gewährte. Als nun der Hausmann auch die
Schultafeln, zum Teil in Stücken, ins Haus schaffte, so hätte
ich gerne auch die Fahne geborgen, die gleich einem
zum Tode verwundeten und niedergestreckten Krieger
einen wehmütigen Anblick bot; allein in dem
Augenblick sprang ein einzelner sächsischer Soldat hinzu und
zertrat sie und die von mir hingeworfenen Piken und
Sensen mit wütenden Gebärden. Nun fingen allmählich
einzelne an, sich auf die Straße zu wagen, und man
sah die Leute, später in Masse, die drei Häuser an der
Scheffelgassenecke anstaunen, die einen der
Hauptangriffspunkte in der Stadt gebildet hatten und nun in ihren
durchlöcherten Fronten mit dem Trümmerhaufen auf
dem Pflaster einen merkwürdig düstern Anblick
gewährten, daß sich alsbald Zeichner einfanden, die
denselben im Bilde zur Vervielfältigung fixierten. Die
Wiederherstellung des Äußern meines Hauses verursachte
mir aber eine Ausgabe von 200 Talern. Nachmittags
erschienen drei preußische Unteroffiziere, welche das Haus
nach versteckten Insurgenten durchsuchten, dabei mit
Stäben in und unter die Betten stießen, aber, da sie
keinen fanden, bald wieder weitergingen und durch ein
humanes Benehmen absichtlich einen guten Eindruck
zurücklassen zu wollen schienen.
Als ich zur Umschau ausging, fand ich unter den ungezählten Spuren des Kampfes vorzüglich zwei Stellen, die an Verwüstung von Baulichkeit der Umgebung meines Hauses glichen, das war der Platz um die evangelische Hofkirche und Stadt Rom am Neumarkt, nach welchem Hotel wie nach meiner Umgebung und dem Turmhause mit Kanonen gefeuert worden war. Vor Engels Hause hinten auf der Wilsdruffer Gasse sah ich den letzten toten Volkskämpfer in seinem Blute liegen. Die im Deutschen Hause liegenden Verwundeten aber wurden noch tagelang vor meinen Fenstern vorüber ins Krankenhaus getragen. Endlich trat die Nacht ein, die erste Nacht der Ruhe seit sechs Tagen. Totenstille herrschte in den Straßen, denn alles hatte sich ermattet und sorglos dem Schlafe überlassen, der sich auch mit solchem Bleigewichte auf die schlafende Einwohnerschaft gesenkt hatte, daß selbst die Sturmglocke bei dem in den Brandstätten auf der Zwingerstraße wieder auflodernden Feuer keinen Neugierigen, kaum die beorderte Mannschaft auf die Beine zu bringen vermochte. Die Abspannung war allgemein, die nervöse sowohl, wie die politische. Es war wie nach einem heftigen, die Atmosphäre umgestaltenden Gewitter, nur die auf ein solches folgende erquickende Abklärung der Luft mangelte. Es verblieb eine dumpfe Schwüle in Erwartung der Dinge, die da kommen sollten. Daß mit dieser Episode zugleich ein Abschnitt in dem Entwicklungsgange deutscher Verfassung erlebt worden sei, war einleuchtend. Doch ich will davon nicht weiter sprechen, da es sich hier nur darum handelte, es aufzumerken, was von diesem Stück Bürgerkriege zu beobachten mir persönlich Gelegenheit gegeben wurde.
Als vor einiger Zeit der Prinzregent von Bayern die Staatsregierung veranlaßte, eine „Kunstkommission“ einzusetzen, die für die künstlerische Ausgestaltung und Ausschmückung der Stadt München Pläne entwerfen und deren Durchführung überwachen sollte, wurde dies in allen kunstverständigen Kreisen als eine erfreuliche und gute Frucht verheißende Anregung begrüßt. Der Gedanke war aber nicht, wie viele glaubten, ganz neu, bereits vor einem halben Jahrhundert hatte man ihn in ähnlicher Weise bei uns in Dresden verwirklicht, und zwar durch die vom Staatsminister Freiherrn von Beust eingesetzte „Baukommission“.
Am 28. Juni 1854 erließ die Königl. Kreisdirektion an den Rat zu Dresden eine Verordnung, in der es hieß: „Mit Genehmigung Sr. Majestät des Königs ist von dem Königl. Ministerium des Innern, als oberster Baupolizeibehörde, beschlossen worden, unter dem Vorsitze des Vorstandes des vorgenannten Königl. Ministeriums eine Kommission niederzusetzen, deren hauptsächliche Aufgabe darin bestehen soll, teils für noch unbebaute oder dem Umbau zu unterwerfende Stadtteile Baupläne in allgemeinen, den nötigen Rücksichten auf möglichste Verschönerung der Stadt und Zweckmäßigkeit Rechnung tragenden Grundzügen festzustellen, an welche sodann die untere Baupolizeibehörde wie jeder neu Bauende gebunden sein würde, teils für einzelne öffentliche Gebäude, deren Aufführung projektiert wird, die für die besondern Zwecke und den Baustil derselben geeignete Situation zu ermitteln oder nach Befinden bereits bestehende Verhältnisse, soweit tunlich, den durch jene Rücksichten gebotenen Bedingungen anzupassen und auf diese Weise einerseits anregend und den Sinn für Schönheit und Zweckmäßigkeit belebend auf das baulustige Publikum selbst einzuwirken, auf der andern Seite aber auch namentlich zu verhindern, daß nicht an Orten, die sich für die Ausführung größerer Baupläne im Anschlusse an bereits bestehende oder künftige Verhältnisse eignen, durch Bauten, die mit den diesfallsigen Rücksichten nicht im Einklange stehen, der späteren Ausführung umfassenderer Ideen und Pläne Hindernisse in den Weg gelegt werden.“ Der Kommission sollten Abgeordnete der Ministerien der Finanzen, des Kriegs
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/81&oldid=- (Version vom 4.2.2025)