3 Mark. Die Vereinsmitglieder erhalten die Blätter unentgeltlich zugesandt.
Die Aufregung, die sich der Gemüter bemächtigt hatte, dauerte das ganze Jahr [1848] hindurch fort. Nur die Berufstätigkeit hob dieselbe zeitweilig auf. Sobald man aber ausging und in irgend eine Gesellschaft eintrat, so war die Tagespolitik, durch die Presse genährt, die allgemeine Unterhaltung, und es war unmöglich, sich der Zeitströmung zu entziehen. Meine tägliche Arbeit gewährte mir nicht die Zeit, mich in das Treiben der Parteien einzulassen; doch war mir es interessant, zuweilen den Versammlungen der politischen Vereine beizuwohnen und das ungewöhnliche politische Leben zu beobachten. Recht wohlbefunden habe ich mich dabei nicht, denn ich fühlte, daß die Spannung einen zu hohen Grad annahm, der eine Abspannung unvermeidlich machen werde. Der Drang nach deutscher Einheit und Reform war ein zu plötzlicher, der Boden für die neue politische Saat noch nicht gepflügt genug, und der Aufschwung scheiterte an der Macht der beiden Großstaaten Deutschlands, die sich auch schwerlich werden bereit finden lassen, in Deutschland aufzugehen. Zu den kleineren Staaten, wo gewaltsame Versuche gemacht wurden, die von der Nationalversammlung in Frankfurt aufgestellte Reichsverfassung zur Ausführung zu bringen, gehörte auch Sachsen, und leider wurde dabei Dresden der Schauplatz blutiger Auftritte, wie ich sie niemals zu erleben gefürchtet hatte. Der Winter von 1848 bis 1849 kühlte das erhitzte Blut nicht ab, und die Erregung drang mit dem anbrechenden Frühjahr 1849 immer tiefer in die Gemüter. Ich gehörte zu denjenigen, welche weniger in das innere Treiben der Parteien eingeweiht waren; ich sah mich sogar überrascht von dem Ausbruche der öffentlichen politischen Unruhen in unserer Stadt zu Anfange des Maimonats. Es war Donnerstag den 3. Mai,
- ↑ Moritz Adolf Pretzsch war am 6. Oktober 1803 in Dresden geboren. Sein Vater, der Kandidat der Theologie Christian Pretzsch, hatte 1802 in der Schreibergasse eine Privatschule errichtet, die er später in die Wilsdruffer Gasse (Nr. 238, jetzt 22) verlegte; er starb am 4. Oktober 1835. Der Sohn Moritz Pretzsch hatte in Leipzig Philologie studiert; 1827 trat er als Lehrer in die Schule seines Vaters ein und übernahm 1833 deren Leitung. Die Schule nahm unter ihm einen guten Aufschwung und verlangte bald größere Räume. Er kaufte daher 1837 für 10 500 Taler vom Kammermusiker Kummer das 1822 neu aufgebaute Eckhaus an der Wallstraße und Scheffelgasse (Nr. 172, jetzt Scheffelstraße 36, Hoffmanns Korsettfabrik) und siedelte mit der Schule dorthin über. Pretzsch war ein gebildeter, tüchtiger und dabei bescheidener Mann, erfüllt von Liebe und Pflichtgefühl gegen seine Nebenmenschen und besonders gegen die Eltern. In den Kreisen der Lehrerschaft erfreute er sich allgemeiner Wertschätzung. Am 22. Juli 1876 ist er gestorben. Im Besitze seiner Familie befindet sich ein dicker Band Erinnerungen aus seinem Leben, die er in den 1870er Jahren, wohl auf Grund von Tagebuchaufzeichnungen, niedergeschrieben hat und die namentlich zur Geschichte des Dresdner Schulwesens mancherlei Bemerkenswertes enthalten. Auch die Kriegs- und Aufruhrzeiten, die er erlebt hat, werden darin eingehend geschildert. Die Erinnerungen aus der Zeit der Befreiungskriege fallen zu sehr in die Tage seiner Kindheit, als daß man ihnen einen selbständigen Wert beimessen könnte. Dagegen verdienen seine Mitteilungen über die Maiereignisse von 1849, obwohl auch sie im allgemeinen nichts Neues bringen, in weiteren Kreisen bekannt zu werden, weil sich in der treuen und anschaulichen Schilderung seiner persönlichen Erlebnisse die trübe Stimmung jener Unglückstage trefflich wiederspiegelt. Pretzsch’s Vetter, Herr Stabsarzt a. D. Dr. Oskar Hoffmann, hat sie mir zum Zwecke der Veröffentlichung freundlichst zur Verfügung gestellt.
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/72&oldid=- (Version vom 11.2.2025)