Bei diesen Geschäften mußte er die Zeiten genau so inne halten, wie andere Meister. Sonst ging man gerne auf seine Fürsprache ein: 1729 und 1730 unterstützte man auf seinen Vorschlag arme Studiosi mit je einem Viaticum (von 6 und 8 Groschen) aus der Innungskasse. Und als der Sohn des Meisters Hase, Johann Christian Hase, der bei Moritz Rachel jun. gelernt hatte, 1722 ausgeschrieben werden sollte, die Herren Meister aber eins und das andere bei seiner Lehre zu erinnern hatten, wurde er doch auf „H. Dinglingers erteiltes Attest“ ausgeschrieben. Über den Verkehr mit den Innungsgenossen erfährt man nur ganz wenig. Da er zu Trinitatis fast nie mit „eingelegt“ hat, wird er selten bei den großen Essen gewesen sein. Nur am 29. Juni 1716 heißt es, daß er mit den Herren Müller und Döring, als Moritz Döring das Meisterstück aufnahm, bei einer Ältestenmahlzeit war.
Wichtig mußte den Meistern Johann Melchior als Innungsmitglied wegen seiner besonderen Beziehungen zum Landesfürsten sein. Kommen doch von Zeit zu Zeit kurfürstliche Befehle, obrigkeitliche Anordnungen, die nicht immer gefielen, oder es standen solche in Aussicht. Unter dem 12. September 1722 wird eine Ausgabe von 3 Groschen verrechnet „vor die Abschrift unsres an K. M. eingegebenen Memorials vor H. Dinglinger“. Als sie trotz des Memorials zu einem „Termin citieret wurden, deprecierten sie“ am 20. September dieses Jahres; worum es sich hierbei handelte, wird nicht ersichtlich.
Von den damals erlassenen königlichen Befehlen interessieren vielleicht folgende: 1721 wurde den Juwelieren befohlen, daß sie – wohl bei Festlichkeiten – im Zwinger feil haben sollten; am 3. Februar 1723 wurde dasselbe für den Alten Markt verlangt. 1719 wurden die Meister gemahnt, „die Jungen inne zu halten, daß sie des Nachts nicht solchen Unfug treiben“. Bei dem 1712 bevorstehenden Besuche Peters des Großen, der ja besonders eingehend mit Dinglinger verhandeln wollte, wurde den Innungsverwandten auf Befehl des Oberhofmarschalls angedeutet, daß „sie bei der Ankunft Ihro Czarischen Maj. ihrem Gesinde sagen sollten, daß sie sich gegen dieselbe bescheiden erzeigen sollten“. Vielleicht wäre es auch angebracht gewesen, wenn der Czar ebenso sein Gesinde zu gutem Verhalten angemahnt hätte. Dinglinger hatte zwar auf irgend welche Entschädigung für die Beherbergung der russischen Gäste in seinem berühmten Hause auf der Frauenstraße verzichtet; nur für das Einheizen bat er um einen Schragen Holz und das zu Schaden gebrachte wieder reparieren zu lassen[1].
Daß der Verkehr der Goldschmiede mit dem Hofe, so lohnend er in guten Zeiten sein konnte, bei plötzlicher Änderung der allgemeinen Lage oder bei ganz besonders dringlichen Wünschen Schwierigkeiten bot, beweisen zwei Einträge in die Innungsbücher. Im Jahre 1705 hatte sich Andreas Frieß zum Meisterstück gemeldet. Er wurde nun zur Rede gesetzt, warum er das vergangene Quartal sein Meisterstück nicht verfertigt, ja noch gar nicht angefangen habe? Die Antwort war: königliche nötige Arbeit hätte solches verhindert, weil man mit Carcer und anderen Strafen bedrohet, woferne die bestellete Arbeit nicht aufs schleunigste verfertigt würde. Er hat aber aufs neue angelobet, das künftige Quartal das Stück unfehlbar zu machen und keine andere Arbeit vorzunehmen. 1706 hat Andreas Frieß denn auch sein Meisterstück aufgewiesen.
Als Meister J. M. Dinglinger 1731 gestorben war, meldete sich von seinen 10 hinterlassenen Kindern[2] Johann Friedrich, der 1723 ausgelernt hatte, also nun wohl gegen 30 Jahr alt war, bei der Innung. Er bittet, man möchte ihn zum Meisterstück gelangen lassen, wollte aber dabei mit anfragen, ob es nicht möglich wäre, daß ihn die Innung mit einen Stück Geld annehmen könnte, weil er jetzo noch mit den Kabinettstücken so viel zu tun hätte, die ihm sein seliger Vater noch unausgearbeitet zurückgelassen und die der König gerne wollte fertig haben. Nach vielem Überlegen wurde bei der Innung der Beschluß gefaßt, Dinglinger sollte 125 Taler geben, so wollten sie ihn als einen Innungsverwandten annehmen.
Dinglinger zahlte die 125 Taler und versprach, ohne an eine bestimmte Zeit gebunden zu sein, ein Meisterstück aufzuweisen, damit sich kein anderer darauf berufen könnte, daß er ohne Meisterstück angenommen worden sei. Ob er es noch geliefert hat, wird nicht ersichtlich. Der Umstand, daß Dinglinger sich Erleichterungen bei der Innung erkaufen konnte, spricht nicht für geordneten Geschäftsgang. Es waren solche Sonderzahlungen um so weniger achtungswert, als jedes Mitglied davon einen Taler bekam! Es werden auch Klagen über dieses Gebaren laut.
Dinglinger jun. wollte übrigens auch noch die Accise für seinen Vater so lange bezahlen, als die Kabinettstücke noch nicht fertig seien. Über diese berühmten Werke, ihre Schicksale und die Schwierigkeiten, die durch sie dem Sohne Johann Friedrich und den andern Erben erstanden sind, hat Sponsel sehr eingehend gehandelt[3]. Für die wahrscheinlich nicht sonderlich
- ↑ v. Weber, die Besuche Peters des Großen in Dresden. Archiv für die Sächs. Geschichte Bd. 11 (1873). S. 350.
- ↑ 5 Frauen und 16 Kinder hatte er begraben müssen!
- ↑ a. a. O. S. 52 G. S. 68, Anmerkung 21. – J. G. Keyßler, (Neueste Reisen, Hannover 1751, S. 1323) hat die noch in Arbeit stehenden Kabinettstücke 1731 kurz vor Dinglingers Tode in dessen Hause gesehen.
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/70&oldid=- (Version vom 4.3.2025)