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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Vierter Band.pdf/7

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Blumenmarkt übrig geblieben. Nur zu Jahrmarktszeiten herrscht auch jetzt noch das Treiben wie von alters her, obzwar in verwandelten Kostümen und mit veränderten Waren. Der älteste und damals einzige Jahrmarkt ist der Gallusmarkt im Oktober. Dann kam 1488 der Fastenmarkt hinzu. Der Johannismarkt endlich beruht auf der 1540 vom Rat vorgenommenen Umwandlung des mittelalterlich katholischen Johannisablaßfestes. Von Weihnachtspoesie umstrahlt besteht der Striezelmarkt sicher schon seit dem 15. Jahrhundert, seine Hauptware, die Christbrode oder Striezeln, haben ihm den Namen gegeben. Er erfreute sich immer großer Beliebtheit bei der Einwohnerschaft. Selbst das Fürstenhaus besuchte ihn nicht selten. Im Jahre 1852 besah sich auch einmal Kaiser Franz Josef mit seinen Brüdern Karl und Max, dem späteren Kaiser von Mexiko, das eigenartige Treiben. Auch dieser Markt hat seinen künstlerischen Darsteller gefunden: in dem Maler deutschen Gemüts, Ludwig Richter, der in kleiner Einzelszene den Zauberreiz des Ganzen erfaßt und mit Humor und poetischer Empfindung wiedergiebt.

Eine andere Eigenschaft des Marktplatzes ist diejenige, nach der der Römer, weil sie ihm die Hauptsache war, seinen Markt Forum, offenen oder öffentlichen Platz, nannte. Mittelpunkt des gesamten öffentlichen Lebens war der Markt naturgemäß in dem früheren kleinen Dresden in weit höherem Grade als in der heutigen Großstadt; daß er’s trotzdem auch heute noch ist, offenbart sich bei allen öffentlichen Vorgängen, die viel Volk auf die Beine bringen: immer münden die strömenden Volksmassen auf den Altmarkt ein, sei es bei Festlichkeiten, sei es am Abend nach wichtigen Wahlen, sei es um die Mitternachtsstunde des Jahreswechsels. In älterer Zeit aber ging auf offenem Markt das Recht seinen Gang, die Verfassung kam hier zur augenfälligen Erscheinung, hier bot sich der weiteste Rahmen für das äußere Leben der Kirche, hier war der Mittelpunkt der öffentlichen Geselligkeit. Unter freiem Himmel hielt der markgräfliche Vogt mit seinen Schöffen das Landgericht: das Recht über Hals und Hand sprach er auch für die Stadt; denn erst 1484 erlangte das Stadtgericht, das im Rathaus tagte, zu der niederen auch die hohe und peinliche Gerichtsbarkeit.[WS 1] Die Gerichtsbank des Landgerichts stand rechts vom Rathaus und war von Schranken umschlossen, nach denen dieser Teil des Marktes der Schrank benannt war. Nicht selten auch ging der Strafvollzug auf dem Markte vor sich; selbst Hinrichtungen fanden hier statt, während doch der eigentliche Richtplatz vor der Stadt lag: es waren das Fälle, die größere öffentliche Bedeutung hatten oder Delinquenten von Stande betrafen: so erlitt 1554 ein Heinrich von Arras, der einen anderen Adeligen erstochen hatte, auf kurfürstlichen Befehl auf dem Altmarkt den Tod durchs Schwert, ferner wurde 1558 Ehebruchs halber Hans von Kannewurf daselbst enthauptet; auch die Hinrichtung Franz Laublers 1726 gehört mit hierher. Manche Hinrichtungen bestanden aus mehreren Akten gleichsam: sie wurden des öffentlichen Beispiels und der größeren Feierlichkeit wegen auf dem Altmarkt begonnen und an anderem Orte zu Ende gebracht. 1548 wurde einer, der seine eigene Mutter vorsätzlich ins Wasser gestoßen, so daß sie umkam, erst an den vier Ecken des Marktes mit glühenden Zangen gezwickt und dann von der Brücke in einem Sack in die Elbe geworfen. Die Ausstellung an dem Pranger, meist nur ein Teil der Strafe, geschah immer auf dem Markt; stand doch in ältester Zeit der Pranger fest auf offenem Markt neben der Gerichtsbank; später und zwar noch 1792 wurde er immer für den einzelnen Fall vor dem Rathaus aufgerichtet. Der Übeltäter mußte eine Stunde da stehen, an der Brust trug er einen Zettel, auf dem Name, Vergehen und Strafe angegeben waren. Einen tüchtigen Spaß mag es einer müßig gaffenden und spottenden Menge auch gegeben haben, als im Jahre 1734 einmal eine liederliche Dirne, angetan mit einem Schellenhalsband, den Altmarkt kehren mußte. Die Strafen der guten alten Zeit hatten eben mitunter einen weniger für den Übeltäter als für den Zuschauer angenehmen Beisatz eines freilich etwas wilden Humors. – Eine Justiz, die nicht gegen Menschen sich richtete, übte der Rat mit den Hundehetzen bis ins 15. Jahrhundert aus, wobei die herrenlosen Hunde auf dem Markte zusammengetrieben, gehetzt und totgeschlagen wurden.

Bei dem Wechsel der Obrigkeiten, des Rates sowohl wie der Landesherren, spielte der Marktplatz eine nicht unbedeutende Rolle. Der neue Rat wurde nach geschehener „Einsitzung“ beim Verlassen des Rathauses gewöhnlich von den Kreuzschülern mit Gesang begrüßt. Wenige Wochen später nach eingegangener Bestätigung erfolgte vor der unter ihren Viertels- und Rottenmeistern versammelten Bürgerschaft die Ratsverkündigung, wobei auch die Stadtwillkür zur Verlesung kam. – Der neue Landesherr begab sich zur Huldigung auf das Rathaus: in der Ratsstube bestätigte er der Stadt ihre Privilegien, worauf ihm der Rat den Treueid leistete; dann trat der Fürst ins Fenster und nahm auch von der unten auf dem Platze unter Führung ihrer Viertelsmeister aufmarschierten Bürgerschaft und von der Bauernschaft aus den Ratsdörfern den Huldigungseid entgegen. Mit dem Verschwinden des alten Rathauses auf dem Altmarkt wurde der Schauplatz für diese Huldigungsfeier auf den Neumarkt verlegt.

Kirchliche Feste im Mittelalter, soweit sie außerhalb der Kirche gefeiert wurden und mit Umzügen und Vorführungen verbunden waren, spielten sich im wesentlichen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Satzzeichen ergänzt.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/7&oldid=- (Version vom 3.1.2025)