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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Vierter Band.pdf/8

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auf dem Altmarkt ab. Beim Fronleichnamsfest waren Maien aufgesteckt und Gras und Rosen gestreut und für die Almosenbitter eine Hütte auf dem Markt gebaut. Mit besonderem Glanz und Aufwand wurde das Johannisablaßfest gefeiert, das ganz volkstümlich gehalten war, wobei natürlich auch der Humor nicht zu kurz kam. In der Prozession, die von der Kreuzkirche ausgehend durch die Gassen und über den Markt nach der Kirche zurückkehrte, schritt beinahe die ganze alt- und neutestamentliche biblische Geschichte, ja selbst die Heiligenlegende in Maskenfiguren mit, das erste Menschenpaar, das goldene Kalb, Johannes der Täufer, Herodes und die drei Könige aus dem Morgenlande, die Apostel, die klugen und törichten Jungfrauen, Ritter St. Georg, Engel und Teufel und der Antichrist. Welch fröhliche Stimmung und schallende Heiterkeit wird aus den Reihen der Zuschauer sich gelöst haben, wenn die Juden um das Kalb tanzten, in dem ein Faß Bier verborgen war, wenn die Knechte des Herodes kleine Kinder aus Holz auf den Spießen vorbeitrugen, wenn Judas Ischarioth sich vor allem Volke aufhängte und in einen aus Leinwand gefertigten Höllenrachen geschleudert wurde, wenn der heilige Georg einen großen Lindwurm hinter sich her schleifte oder wenn gar der Antichrist als Verführer Geld unter die Menge ausstreute. Wenn der Aufzug wieder an der Kirche angelangt war, so folgte ein Bühnenspiel, das von Johannes dem Täufer und seiner Enthauptung handelte. Die Bretterbühne, auf der dies Spiel vor sich ging, war in der Marktecke vor der Kreuzkirche errichtet und konnte von der Zuschauermenge auf dem Markt gut überschaut werden. Dem geistlichen schloß sich ein durchaus weltliches Vergnügen an, ein Fußwettrennen auf dem Markte, wobei Fußläufer unter einander und mit einem Rossewagen um den Preis rangen; der erste Preis war ein schön angeputzter Ochse, dem bei seiner Umführung durch die Stadt der Kreuztürmer voranblies, und der Spottpreis war ein Ferkel. Dieses kirchlich-weltliche Fest, bei dem der Markt von Staunen, Jubeln und Lachen erfüllt war, kam unter der neuen ernsteren Kirche, die dem Weltsinn nicht schmeicheln mochte, in Wegfall; nur der damit verbundene Markt bestand als Johannismarkt fort.

Auch außerhalb besonderer Festzeiten führte den Bürger, zumal den wohlhabenden, sein Vergnügen und seine Erholung auf den Markt. Wollte er sich an einem guten Schoppen laben, so stieg er in den gewölbten Ratskeller hinab und in die besseren Trinkstuben daneben: dort wurde fremdes Bier und ausländischer Wein verzapft, wozu der Rat in der älteren Zeit das ausschließliche Recht hatte. Besonders beliebt war das gute Freibergische Bier. Als jenes Sonderrecht des Rates verschwand und man auch anderwärts gute fremde Getränke erhielt, ging der Ratskellerbesuch zurück. Daher ward auch in dem neuen Rathaus kein öffentlicher Ratskeller eingerichtet. Ferner diente die Ratsstube als Tanzsaal bei bürgerlichen Hochzeiten und Familienfesten, wie auch die Ritterschaft der Umgegend ihre Adelstänze dort abhielt. Hier entspann sich der erste Anfang der Dohnaischen Fehde, indem Hans von Körbitz dem Jeschke von Dohna beim Tanzen ein Bein stellte und dafür eine Ohrfeige einheimste. Auch den Hof lud der Rat zu Schmaus und Tanz aufs Rathaus, und fremde Fürsten, wenn sie bei Hof zu Gaste waren, so 1454 und 1456 den Herzog Ludwig den Reichen von Baiern. Vom Tanzen wurde das Rathaus mitunter geradezu Tanzhaus genannt. Wenn sich dergestalt hohe Herren und vornehme Leute oben im Ratssaal vergnügten, da hatte unten auf dem Platz auch das niedere Volk seine Lust am Schauen und Hören, soviel es zu schauen und zu hören gab. Das Schaubedürfnis der Menge kam ferner auf seine Kosten, wenn in den Gasthöfen am Markt vornehme und merkwürdige Gäste abstiegen. Im September 1599 traf eine moskowitische Gesandtschaft von 40 Personen auf dem Wege nach Wien hier ein und wohnte im Goldenen Ring, jetzt Altmarkt Nr. 15; sie warfen bei ihrem Einzug und aus den Fenstern des Gasthofs kleine Silberpfennige unter die Menge aus, deren fremdartiges Gepräge schon die Phantasie der glücklichen Erwerber beschäftigte; bei ihrer Rückkehr im Mai darauf wohnte die Gesandtschaft wieder mehrere Tage im Ring. Über 100 Jahre später kehrte der Zar selbst im Goldenen Ring ein, Peter der Große auf der Reise nach Karlsbad und rückwärts, im September und Oktober 1711: ihm zu Ehren wurde während seiner Anwesenheit die Wachparade statt auf dem Neumarkt vor seinem Gasthof auf dem Altmarkt abgehalten. Auch stand eine Ehrenwache vor dem Gasthof.

Nachdem Dresden allmählich ständige Residenz der Landesfürsten geworden war, bildete der Markt häufig den Schauplatz fürstlicher Lustbarkeiten. Und bei Familienfesten des Fürstenhauses, denen zu Ehren die Stadt sich in ein festliches Gewand warf, war er bis heute naturgemäß der Mittel- und Gipfelpunkt aller Schmückung. Das vornehmste Fürstenvergnügen im Mittelalter war das ritterliche Turnier. Auch nach Verblassung des Rittertums blieb zwar der Name Turnier noch lang erhalten; aber die Sache war eine andere geworden, ein wirkliches Lanzenbrechen kam nach Mitte des 16. Jahrhunderts kaum mehr vor, schon die ritterlichen Übungen der Karussells, Quintan-, Kopf- und Ringrennen zeigten Formen, die weniger von den Turnieren als von volksmäßigen Kampfspielen herkamen, und nach dem 30jährigen Krieg war aus dem Turnier gar nur ein höfischer Maskenscherz oder ein Tanz zu Pferde geworden.

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/8&oldid=- (Version vom 3.1.2025)