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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Vierter Band.pdf/54

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insgesamt in isolierten, nicht einheitlich geregelten und gegenseitiger Unterstützung entbehrenden Angriffen. Dies allein ermöglichte der schwachen Verteidigung, die überlegenen Gegner bis in die ersten Nachmittagsstunden von der Stadt noch abzuhalten.

Bis zu dieser Zeit waren von den Verbündeten

die Russen auf dem rechten Flügel im Besitze von Blasewitz, Striesen, des gesamten Blasewitzer Tännigts, des Striesener Windmühlenbergs (ungefähr jetziger Schnittpunkt der Wormser mit der Dürer-Straße); nördlich davon der Höhen bei Engelhards (an der jetzigen Emser-Allee);
die Preußen im Besitze des Großen Gartens bis zum Verhau im Westen und des Roten Hauses an der Dohnaer Straße nordwestlich Strehlen;
die Österreicher im Besitze des Feldschlößchens mit angrenzenden Gehöften, der Meisterei (Scharfrichterei) an der Weißeritz, der Gebäudekomplexe Löbtauer Straße-Altonas und der Remisen zwischen Friedrichstadt und Cotta-Schusterhäuser.

Die Vortruppen der Verbündeten waren somit bis auf Kanonenschußweite an die Stadtlisiere herangekommen, so daß der Kampf um die Feldverschanzungen und die Vorstadtumfassungen beginnen konnte – freilich zu einer Zeit, in der schon französische Verstärkungen von Osten her die drei Elbbrücken überschritten hatten.

Napoleon war am 26. August 9 Uhr morgens auf die wiederholten Notrufe St. Cyrs vom 24. und 25. in der Hauptstadt angekommen und entfaltete vom Schloßplatze aus seine noch rechtzeitig auf Dresden dirigierten Truppen nach und nach fächerartig nach Friedrichstadt (später unter Murat), nach der Wilsdruffer und Seevorstadt (vorläufig unter Ney), nach dem Pirnaischen, Rampischen und Ziegelschlag (unter Mortier).

Begeben wir uns wieder zu Schwarzenberg.

Gegen Mittag hatte sich auf den Räcknitzer Höhen im Kreise der um die Monarchen versammelten Generale wiederum eine Art Kriegsrat gebildet. Man war mit Ausnahme des Königs von Preußen, dem ein Zurückweichen mit 200 000 Mann vor dem bloßen Erscheinen Napoleons durchaus unangemessen dünkte, für Einstellung weiteren Vorgehens. Schwarzenberg verließ die Gruppe, angeblich seinen Stabschef für Ausfertigung der betreffenden Befehle zu suchen, kehrte aber nicht zurück[1]. Tatsache ist, daß ein Befehl zum Rückzuge oder Gefechtsabbruch oder zu dessen Einleitung nicht erlassen wurde; dagegen gaben 4 Uhr abends drei Signalschüsse von einer russischen Batterie bei Zschertnitz das Zeichen zum Wiederbeginne des Gefechtes[2]. Es trat erneutes Vorgehen der Verbündeten ein.

Nun heißt es in der Lüdtkeschen Schrift, S. 44 in Anknüpfung an die Frage, warum Schwarzenberg denn überhaupt noch an diesem Tage kämpfen ließ . . . – „jedenfalls mögen Schwarzenberg die kommenden Gefechte dieses Tages als ziemlich bedeutungslos erschienen sein, wie sie es denn ja auch in der Tat waren. Die Kämpfe, die noch am 26. stattfanden, sind für uns ohne Belang“.

Auf solche Weise kann man freilich über mißglückte Unternehmen leicht hinweggetäuscht werden; zur Feststellung der Wahrheit – und das ist doch eine Hauptaufgabe der Geschichtsforschung – dient es aber wohl kaum, wenn man wichtige Tatsachen so ohne weiteres für belanglos erklärt und über sie mit Stillschweigen hinweggeht.

Der Verlauf der Nachmittagskämpfe war kurz folgender:

Die Verbündeten gingen 4 Uhr abends unter Vorschieben ihrer Artillerie weiter kämpfend energisch und dispositionsgemäß vor:

die Russen in Richtung Ziegel- und Rampischen Schlags und gegen Lünette II;
die Preußen durch den Großen Garten, den sie völlig eroberten, dann gegen Lünette II, Antons Garten und den Dohnaischen Schlag;
die Österreicher gegen Lünette III, IV und V und die angrenzenden Stadtumfassungen, wie gegen die Friedrichstadt hin; die Österreicher nahmen Lünette III und IV, eines ihrer Bataillone drang sogar in Mosczinskys Garten (von der jetzigen Beuststraße her) ein.

Insgesamt wurde das Vordringen ein energisches Vorstürmen mit einer eingesetzten Macht von etwa 80 000 Mann auf freilich 10 km breiter Front gegen Stadt und Feldschanzen, zuletzt in vielfachen, meist vereinzelt auftretenden Kolonnen und wiederum ohne jede einheitliche Leitung[3]. Wurde ein Erfolg überhaupt dadurch schon zweifelhaft, so mußte ein Eindringen in die Vorstädte um deshalb gänzlich scheitern, weil es dazu – bereits zu spät geworden war.


  1. Der Weggang des Oberbefehlshabers aus der Position ist etwas, das heute als ausgeschlossen zu betrachten ist. War der Stabschef nicht bei Schwarzenberg, so mußte ersterer den Oberbefehlshaber suchen und finden, nicht umgekehrt. Erklärlich für das Verhalten Schwarzenbergs bleibt wohl nur die Annahme, daß er den Rückzugsbefehl entweder nicht hat geben oder verzögern wollen. Die Gründe sind bis heute unaufgeklärt.
  2. Seltsam klingt die Bemerkung in der Lüdtkeschen Schrift bezüglich der nach Bernhardi gemachten Angabe, über die Signalschüsse zum Gefechtswiederbeginne (S. 44): „Merkt denn Bernhardi Schwarzenbergs Kriegslist nicht?“ Worin hierbei eine Kriegslist des Oberbefehlshabers bestanden haben soll, ist unerfindlich.
  3. Das befehlsgemäß ausgeführte angriffsweise Vorgehen wird in der Lüdtkeschen Schrift als belanglos gar nicht erwähnt.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/54&oldid=- (Version vom 31.1.2025)