könne die Stadtverteidiger, deren Verstärkung, da man Napoleon noch weitab in Schlesien vermutete, ausgeschlossen schien, belästigen und gelegentlich von einem Erfolge Gebrauch machen. Sollte aber ein Erfolg ausgenutzt werden, so waren dazu die Reserven doch zu weit zurückgehalten und zu einem eventuellen Miteingreifen nicht zur Hand.
Nun heißt es in der Lüdtkeschen Schrift S. 39: „Aus den geschilderten wirklich unzulänglichen Maßnahmen (im obigen Befehle Schwarzenbergs) folgern die genannten Autoren (Bogdanowitsch, Bernhardi, Friederich), daß man die Stadt im Sturm nehmen wollte – logischer wäre der Schluß, daß man sie eben nicht nehmen wollte!“ Es kann weder der erstere noch der letztere Schluß zugegeben werden. Wozu die Anweisung wenigstens ans österreichische Zentrum (III. Kolonne), wenn nicht auch an noch andere, in die Vorstädte einzudringen, wenn man auf Dresden verzichten wollte? Ganz darauf hat man eben nicht verzichtet. Man hat nur schwächliche Mittel für solchen Zweck angeordnet, ihn durch bloße Demonstrationen und ohne Nachdruck zu erreichen geglaubt.
Weiter sagt Lüdtke S. 39: „Und erreichte man durch den Zug nach Dresden denn nicht tatsächlich, was man beabsichtigt hatte? Wurden Napoleon und St. Cyr nicht durch den Schein getäuscht, rief der General nicht den Imperator zu Hilfe herbei, rückte dieser nicht auf die gefährdete Hauptstadt zu und mußte er nicht seine andern Pläne darüber aufgeben?“
Diese Auslassung erscheint doch als der beste Beleg dafür, wie wichtig die Erhaltung des bedrohten Dresden Napoleon sein mußte. Logischer Weise folgt daraus, wie notwendig es dagegen für die Verbündeten gewesen, den Hauptstützpunkt Napoleons an der Elbe in Besitz zu nehmen.
Unzutreffend bleibt auch die Auffassung, Napoleon sei durch den Zug Schwarzenbergs nach Dresden zur Aufgabe seiner andern Pläne genötigt worden. Die Offensive mit seinen im Osten versammelten Hauptkräften gegen Blücher hatte der Kaiser gegenüber dem Ausweichen der schlesischen Armee bereits am 22. August, d. i. an demselben Tage, an welchem die böhmische Armee den Rechtsabmarsch auf Dresden beschloß, aufgegeben und befohlen, daß die Garden Marmont und die Kavallerie Latour-Maubourgs auf Görlitz marschieren, um Truppen für eventuelle anderweite Operationen zur Verfügung zu haben. Der große Kriegsmeister war doch zu klug, um sich nicht zu sagen, wenn er dem zurückweichenden Blücher mit seinen Hauptkräften weiter folge, entferne er sich zu sehr von seinen Gegnern in Nord und Süd. Gegen Blücher verblieben vier Korps. Mit seinen sonstigen zwischen Schlesien – lausitz-böhmischer Grenze – Dresden zurückgehaltenen Truppen blieb Napoleon auf dem Sprunge zum nächsterreichbaren Gegner, um ihn zu schlagen. Diesen Zweck erreichte der Kaiser, gerade diesen Plan verfolgte er; er gab somit „andere Pläne“ nicht auf. Die böhmische Armee war so gütig, ihm die Planausführung durch ihr Verhalten zu erleichtern.
Oder ist mit dem Aufgeben „anderer Pläne“ seiten Napoleons gemeint, daß dieser von seiner ursprünglichen Absicht abging, Vandamme zur Unterstützung St. Cyrs in Dresden verwendet zu sehen, selbst aber – genial wie fast immer – mit den Hauptkräften über Königstein der böhmischen Armee in den Rücken zu fallen? Hierzu wäre zu bemerken, daß Napoleon zu spät, erst am 25. August vormittags, bei Stolpen erfährt, Vandamme sei durch St. Cyr nicht nach Dresden gerufen worden, wie er ursprünglich angeordnet. Nun erst trifft er Anstalt, seine Hauptmacht selbst nach der Hauptstadt zu führen, die er nicht opfern will, Vandamme die Direktion über Königstein anweisend. –
Zunächst zum Gegner Schwarzenbergs.
Am 26. August früh standen die Truppen St. Cyrs:
Das Vorgehen derselben gegen die französischen Vortruppen begann mit Morgengrauen dispositionsgemäß:
- zuerst 5 Uhr morgens von Strehlen gegen den Großen Garten (Preußen),
- 6 Uhr morgens von den Österreichern links in Richtung Friedrichstadt und Freiberger Schlag, rechts die Räcknitzer Höhen herab,
- sodann zwischen 7 und 8 Uhr morgens von den Russen zwischen Großen Garten und Elbe
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/53&oldid=- (Version vom 30.1.2025)