Denn in den letzten Nachmittagsstunden, beginnend kurz nach 5 Uhr, brachen die inzwischen von Osten eingetroffenen, rückwärts der Stadtschläge versammelten Truppen Napoleons nach dessen eingehend erteilten Befehlen vor, eroberten die Lünette III zurück, besetzten die Lünette IV wieder, nahmen die in Lünette III und Mosczinskys Garten eingedrungenen Österreicher gefangen und warfen die verbündeten Streitkräfte bis Nachtbeginn, wie nachfolgend zu ersehen, weiter zurück.
Mag man nun annehmen, die Kämpfe der Verbündeten am 26. haben nur eine Einleitung zur Wegnahme von Dresden bedeutet oder seien ein Versuch, Dresden kurzer Hand zu nehmen, gewesen, ohne das Wort Angriff gebraucht zu haben, oder hätten wirklich bloß Demonstration sein sollen, der bestimmte Zweckangabe gefehlt hat: in jedem Falle war das befohlene und dann geduldete Vorgehen gegen Dresden und ein Eindringen in dessen Vorstädte mißglückt.
Auf keinen Fall aber kann man, wie in der Lüdtkeschen Schrift S. 45 unternommen wird, behaupten, „daß die Kämpfe des 26. den ersten Teil des Arrieregarden-Gefechtes bedeuten, welches man liefern mußte, um für den Rückzug Raum zu schaffen“.
Die verbündeten, ganz dispositionsgemäß gegen Dresden vorgedrungenen Angreifer – denn angegriffen wurde, der ganze Charakter des Kampfes war der des Angriffs – sind an der Stadtumfassung vom Gegner geworfen und zurückgeschlagen worden, der ihnen unmittelbar folgte, und weder für die rückwärtigen Reserven noch aus der Höhenstellung der Verbündeten ist ein Truppenrückmarsch ebensowenig wie ein Umkehren der noch weit über Tagemarsch entfernten Proviantkolonnen angeordnet worden. Man kann also die Kämpfe am 26. nachmittags, ganz abgesehen von ihrem Charakter, unmöglich in die Kategorie von Arrieregarden-Gefechten einreihen.
In der Nacht zum 27. August standen
die französischen Vortruppen in Linie: Mitte Blasewitzer Tännigt – Striesen – Westteil des Großen Gartens – südlich Dresden entlang der der Stadtumfassung nächstgelegenen Hügelkette – Feldschlößchen – Holzhof – Altonas – Pulvermagazin – Elbe;
die Vortruppen der Verbündeten in Linie: Blasewitz – Gruna – Großer Garten, Ostteil – Strehlen mit Rotem Hause – im Zentrum vor den Batterien der Räcknitzer Höhen – Sorge und Schleifmühle an der Weißeritz – Löbtau – Cotta – Schusterhäuser.
Darnach waren die beiderseitigen Vortruppen einander in nächster Nähe gegenüber, dahinter die Gros, überdies wurden auch die noch zurückbefindlichen entfernten Reserven der Verbündeten heranbeordert. Man kann demnach auch nicht behaupten, es sei Raum für einen Rückzug gewonnen worden oder ein Abkommen vom Gegner sei geglückt.
Möglich wäre letzteres noch in der Nacht geworden, nach dem alten taktischen Grundsatze, daß man nur in der Dunkelheit unbelästigt vom Feinde abzumarschieren in der Lage ist, so wie es beispielsweise den Österreichern östlich der Weißeritz und den rechten Flügelkorps am Abend des 27. August für die darauf folgende Nacht befohlen wurde.
Nun heißt es in der Lüdtkeschen Schrift S. 45 weiter: „Wir sehen unschwer voraus, was das Oberkommando für den folgenden Tag beschließen mußte, wo es doch nötig war, noch 24 Stunden um den Rückzug zu kämpfen“. Untersuchen wir, inwieweit dies zutreffend ist.
Nach dem Schweigen der Gefechte am Spätabende versammelten sich auf dem Schlachtfelde die Hauptquartiere wieder um die Monarchen und Schwarzenberg. Die österreichischen Generale, die doch ein Urteil haben konnten, ob ein Abmarsch gegenüber dem Umstande, daß die Verpflegstrains ihrer Truppen noch weit jenseits Dippoldiswalde waren, ausführbar schien, sollen für unverweilten Rückzug gestimmt haben, und allmählicher Abzug aus der mit Arrieregarden unschwer bis andern Morgen zu haltenden Höhenstellung[1] wäre jetzt wohl das Zweckmäßigste gewesen, wenn man kein rechtes Vertrauen auf eine siegreich auszufechtende Schlacht mehr zu haben glaubte. Der Einfluß der Monarchen führte indes zu dem Entschlusse, auf den Höhen vor Dresden stehen zu bleiben. Die dieserhalb 10 Uhr abends ausgegebene Disposition Schwarzenbergs lautete[2]:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/55&oldid=- (Version vom 31.1.2025)