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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Vierter Band.pdf/45

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Für alle Armeen blieb das Prinzip der gegenseitigen Unterstützung aufgestellt, der Art, daß, wenn Napoleon sich gegen eine wendet, die beiden anderen die Offensive gegen seinen Rücken bez. seine Flanken ergreifen.

In der Sonderaufgabe für die böhmische Armee war vorgesehen, daß sie – je nach Umständen – nach Schlesien, Sachsen oder westwärts nach Bayern, bez. auch nach der Donau sich wende.

Die hervorgehobene Offensive, mit der feindlichen Hauptmacht und nicht mit geographischen Punkten oder Linien als strategischem Objekte, läßt darauf schließen, daß dieser Gedanke vom Tollschen Plane verblieben war, ein anderer nicht. Es ist daher nicht wohl angängig, den Trachenberger Plan in seinen Hauptzügen als den Tollschen zu bezeichnen (Lüdtke S. 12); es wird deshalb auch auf einen Vergleich des Tollschen mit dem folgenden Radetzkyschen Plane verzichtet.

Rußland, Preußen und Schweden, über den vorstehenden Trachenberger Plan einig, hatten sich nun zu vergewissern, ob man auch im österreichischen Lager gleichen Anschauungen huldige. Österreichischerseits war dem Kaiser Franz und zwar auch am 12. Juli ein Operationsplan – vornehmlich Radesky, dem Stabschef Schwarzenbergs, entstammend – vorgelegt worden.

Österreichischer (Radeskys) Kriegsplan.

Der Plan geht – unter noch richtigerer Beurteilung der Armeestärken – ebenfalls von Dreiteilung der verbündeten Streitkräfte aus, wobei aber eine Verstärkung der österreichischen Armee in Böhmen um etwa nur 25 000 Russen als Abgabe von der schlesischen Armee ins Auge gefaßt wird.

Radetzky nimmt – wie auch die Lüdtkesche Schrift ausführt –

1. die Absicht Napoleons zum Ergreifen der Offensive an der Elbe mit einer zusammengehaltenen Hauptmacht von etwa 190 000 Mann an, um mit dieser den Hauptschlag und zwar voraussichtlich gegen die österreichische Armee zu führen, während die übrigen französischen Armeen sich auf ihren Fronten entweder defensiv verhalten oder zugunsten der Hauptarmee demonstrieren. Für diesen „mehr als wahrscheinlichen Fall“ bezeichnet Radetzky die Notwendigkeit einer Offensive der Nordarmee und der schlesischen Armee behufs Ableitung der napoleonischen Hauptmacht von der österreichischen Armee, die durch eine „wohlberechnete Defensive“ nur im Stande ist, ihre Hauptkraft für den entscheidenden Schlag bis dahin zusammenzuhalten, wo das Vordringen der Nordarmee flankierend und der schlesischen Armee frontal eine Teilung der französischen Streitkräfte herbei führen muß.

Gegenüber den anderen Möglichkeiten, Napoleon werfe sich

2. mit seiner Hauptmacht auf die Nord- oder die schlesische Armee, habe jede dieser angegriffenen Armeen einem Hauptschlage auszuweichen, während die beiden anderen Armeen gegen den Feind vorgehen. Verhalte sich aber

3. Napoleon defensiv, so ergreifen die Nord- und die schlesische Armee eine gleichzeitige Offensive, indes die österreichische so lange defensiv verfährt, bis sich jene ihr so weit genähert haben, daß die Gesamtüberlegenheit einen günstigen entscheidenden Schlag verbürgt.

„In allen Fällen bleibe es bei dem gegenwärtigen Stande der Armee stets die erste und wesentlichste Hauptbeobachtung, daß keine Armee einzeln und auf keine Weise sich gegen eine ihr überlegene Macht in eine Hauptschlacht einlasse, um den Hauptzweck in den gemeinschaftlichen Operationen nicht zu verfehlen, nämlich: den Hauptschlag mit Sicherheit zu führen.“

Darnach gipfelt der Plan Radetzkys in der Herbeiführung einer Teilung der feindlichen Streitkräfte und deren fortgesetzter Beunruhigung, in der Vermeidung von Schlachten gegen Übermacht, in der Offensive bloß gegen einen schwächeren Feind. Erst nach erlangter Einkreisung der napoleonischen Streitkräfte, d. i. wenn die drei verbündeten Armeegruppen zum Zusammenwirken einander nahe gerückt sind, soll zu einem Hauptschlage ausgeholt werden.

Vergleich des Trachenberger Protokolls mit dem Radetzkyschen Plane.

Der Vergleich ergibt Übereinstimmung dahin, daß bei beiden Plänen Österreich oder die böhmische Armee in erster Linie als bedroht erachtet ist; dagegen soll nach dem Radetzkyschen Plane jede von Napoleon angegriffene Armee – nicht bloß die schlesische, wie im Trachenberger Protokolle vorgesehen – zurückweichen und defensiv bleiben, bis die Einwirkung der andern gegen Rücken und Flanke des Feindes fühlbar und gemeinsamer Hauptschlag ausführbar wird.

Die Initiative wurde nach Radesky völlig Napoleon überlassen, wie auch in der Lüdtkeschen Schrift (S. 15) ganz richtig zugestanden wird. Bei diesem Radetzkyschen Plane ist man österreichischerseits geblieben, ungeachtet man nach dem Trachenberger Plane, der dem österreichischen Hauptquartier am 16. Juli zuging, die böhmische Armee durch 90 – 100 000 Russen und Preußen und nicht bloß durch 25 000 Mann nach Radetzkys Vorschlägen verstärken, also auf rund 220 000 Mann bringen wollte.

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/45&oldid=- (Version vom 11.1.2025)