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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Vierter Band.pdf/146

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Herzog Georg den Bärtigen geehrt, dabei aber sehr allgemein politische und vielleicht auch persönliche Zwecke verfolgt.

Nicht immer war das Verhältnis zwischen beiden ein erfreuliches gewesen. Denn Ferdinand hatte als Erbe seines Großvaters Kaiser Maximilian I. dem sächsischen Herzog bis 1534 viel Geld geschuldet. Von 1519 an hatte Georg, der ein guter Haushalter war, unzählige Male vergeblich gesucht, von Ferdinand Teilabzahlungen auf die sich auf mehrere hunderttausend Gulden belaufende Schuld zu erhalten. Immer wurde er hingehalten und lebhaft enttäuscht, selbst wenn er um überhaupt etwas zu bekommen, die Schuldsumme, ganz erheblich kürzte und dem Schuldner dadurch gefälliger machte. Einmal – 1528 – hatte der Herzog, über die erlittenen Enttäuschungen entrüstet, so zornig an den König geschrieben, daß dessen Hofmeister Wilhelm Truchseß von Waldburg zurückschrieb: Hoffentlich sende er nie wieder solch ernste Schrift. Aber dieser Auftritt hatte wenigstens die Folge, daß Ferdinand nunmehr dem Herzog Georg gewisse Einkünfte aus der Bergstadt Joachimsthal zuwies; bis 1534 wurden daher 60 000 Gulden abgezahlt. In demselben Jahre kam aus Wien die naive, auf eine seltsame Buchführung hindeutende Anfrage, wieviel eigentlich noch zurückzuzahlen sei. Die daraufhin genannte Summe von 100 000 Gulden wurde denn auch 1535 entrichtet – sie kam Herzog Georg bei seinem Dresdner Schloßbau gewiß sehr gelegen. Als 1538 die Zusammenkunft zwischen beiden Fürsten stattfand, war also noch nicht lange „reiner Tisch“ zwischen ihnen gemacht worden[1].

In Geldverlegenheit war der König von Ungarn und Böhmen bei den großen Ansprüchen, die die Regierung seines Landes stellte, bei der fortwährend drohenden und oft eintretenden Türkennot, bei der Hilfe, die er des Bruders Unternehmungen leisten mußte, noch immer. Schreibt doch der päpstliche Nuntius Morone kurz vor der Dresdner Reise Ferdinands von ihm nach Rom[2]: „bei der augenfälligen Armut des Königs“. Und der venetianische Gesandte sagt in seinem Bericht über den König mitleidig: „Sua Maestà é poverissima“. Seine ewige Geldnot aber verhinderte ihn nicht, täglich große Tafel zu halten, freigebig, ja sogar prachtliebend zu sein. Lebhaft und beweglich, wie er war, hatte er sich außer der lateinischen, spanischen, italienischen, französischen und englischen Sprache auch Hoch- und Niederdeutsch angeeignet. Für Jagd- und Schießkunst, große und kleine Feuerwaffen zeigte er viel Interesse und Geschick[3].

In dem großen Zwiespalte, der in Deutschland kirchlich und politisch herrschte, suchte er mehr die Vermittelung als den Krieg, denn er hatte in seinen Landen von den Türken entweder zu leiden oder doch zu fürchten. Er bemühte sich daher, sich in Ungarn zu sichern, in Deutschland einen Achtung gebietenden katholischen Bund herzustellen, der dem schmalkaldischen das Gleichgewicht hielte, und zwischen seinem Bruder Karl V. und dem Könige Franz I. von Frankreich womöglich einen Frieden herbeizuführen. Er schloß daher am 24. Februar 1538 mit Johann Zapolya, dem aufständischen Fürsten von Siebenbürgen, Frieden, um sich gegen die Türken zu sichern, strebte nach einem Reichstage, auf dem ihm Türkenhilfe versprochen werden sollte, und reiste in seinem Lande umher, um zu erhöhten Geldleistungen anzuregen. Er war dabei in so übler Lage und so mißmutig, daß er, der katholische Habsburger, vorübergehend auf den Gedanken kam, das Kirchengut bis zur Hälfte einzuziehen. Für die vom kaiserlichen Vizekanzler Held und ihm geplante Defensivallianz der katholischen Fürsten in Deutschland war nun Herzog Georg eine sehr wichtige Persons[4]. Er mußte, ehe diese Herren insgesamt zu einer Tagfahrt nach Nürnberg zusammenkamen, aufgesucht und vor allem zu Geldhilfe veranlaßt werden.

Niemand war mit dieser Reise einverstandener als der päpstliche Nuntius Morone, der seit 1536 bei Ferdinand die Kurie vertrat und die Gelegenheit benutzen wollte, auf Herzog Georg beruhigend zu wirken; denn dieser zeigte sich, so eifrig katholisch gesinnt er war, mit der Politik des Papstes Paul III. nicht so recht einverstanden: er wünschte baldige Berufung des schon lange in Aussicht stehenden Konzils und zugleich entschiedenere Reformen in der Kirche, vor allem im Wandel der Geistlichen. Beide Gegenstände – Konzil und Revision des Klerus – waren schon vor dem Erscheinen des Nuntius Morone in Dresden zwischen ihm und dem Herzog schriftlich verhandelt worden. Georg hatte unter dem 12. März 1538 seine Bitte, daß „die Geistlichen und die Verwalter der geistlichen Güter durch eine geeignete Persönlichkeit visitiert würden, damit der Klerus weniger sittenlos lebe und das geistliche Gut nicht so verschleudert werde“, Morone gegenüber schriftlich ausgesprochen und zugleich seine Zweifel darüber ausgedrückt, ob das in Aussicht gestellte Konzil zustande kommen werde. Am 23. März hatte Morone seine

Freude über des Herzogs Schreiben geäußert und ihn


  1. S. über das Ganze: F. Geß, Habsburgs Schulden bei Herzog Georg. Neues Archiv für Sächsische Geschichte XIX. 213 ff.
  2. Nuntiaturberichte aus Deutschland 1533–1559. II. 276. Gotha 1892.
  3. Ranke, Historisch-politische Zeitschrift I. 287. – J. Fiedler, Relationen venetianischer Botschafter (Fontes rerum austriacarum XXX). 1870.
  4. Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation IV. 109 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/146&oldid=- (Version vom 11.2.2025)