lassen; sei doch auch die kurfürstliche Kammer und alles so erschöpft, daß keine vernünftigen Ratschläge helfen wollten, was würde da hier die Einrede des Rats helfen! Man könne dem Kurfürsten bei seinem hohen Alter das Vergnügen füglich nicht abschlagen! Und so fügten sie sich alle in das Unvermeidliche, beschlossen die Schrift nur zu künftiger Nachricht beim Hofmarschallamte niederzulegen, sowie möglichst auf Ersparnisse beim Feste bedacht zu sein, und feierten mit ihrem Landesvater nochmals ein fröhliches Vogelschießen[1]. Aber es war sein letztes, zwei Jahre nachher starb er.
Nun trat eine lange Pause ein. Erst 1699 wurde auf Anordnung Augusts des Starken, als er mit großem Gefolge von der polnischen Königskrönung zurückkehrte, wieder ein Vogelschießen veranstaltet, das der Stadt nicht weniger als 3800 Taler Kosten verursachte. Von da an zog sich der Rat immer mehr von der Veranstaltung dieser Feste zurück und überließ sie bald ganz der Bogenschützengesellschaft[2]. Unter deren Obhut hat die „Vogelwiese“ nach und nach die heutige Gestalt angenommen und erfreut sich noch immer der vollsten Beliebtheit bei der großen Masse, der es Vergnügen macht, sich mitunter einmal für einige Stunden in einen älteren Kulturzustand zurückversetzt zu sehen.
Eine Geschichte des Zollwesens in unseren Landen gibt es bis jetzt nicht; und doch würde sie einen sehr wichtigen Teil ihrer Wirtschafts- und insbesondere ihrer Handelsgeschichte bilden, und jeder Beitrag dazu ist daher willkommen zu heißen.
Der mittelalterliche Begriff des Zolles (theoloneum) vereinigt in sich von jeher zwei verschiedene Abgaben: den zunächst wohl für die Benutzung der Handelsstraßen erhobenen Durchgangszoll und den Marktzoll, der von Kauf und Verkauf zu entrichten war. Der Zoll war ursprünglich eine der königlichen Gewalt vorbehaltene Einnahme, ein Regal. Als solches erscheint er in der ältesten Urkunde, die eines Zolles in unseren Landen gedenkt, einer Urkunde König Otto’s II. vom 27. Februar 983, durch welche dieser dem Stift Meißen das Dorf Setleboresdorf im Burgwart Boritz und den Elbzoll von Belgern bis Meißen eignete[3]: proventus in theloneo, quod ad fiscum nostrum pertinuerat, a civitate, quae dicitur Belegora, usque ad ejusdem Misnensis ecclesiae portum sursum indeque denuo per ambas plagas praefati fluminis Albiae deorsum sicque infra praefinitum terminum, ubicumque manus negociatorum ultra Albiam huc illucque sese diverterit, ex integro et absque ulla contradictione theloneum eidem praenominatae Misnensi sedi persolvant, veluti ad fiscum nostrum debuerint. Wie andere Regalien, so gelangten auch die Zölle mit der Zeit in den Besitz der Landesherren; ihre Bedeutung stieg mit der Entstehung ständiger Märkte, aus denen sich bekanntlich im 12. und 13. Jahrhundert unsere Städte entwickelt haben. Dies im einzelnen zu verfolgen und nachzuweisen, wie dann vielfach die finanziell erstarkenden Städte die Zölle an sich zu bringen wußten, würde an dieser Stelle zu weit führen.
Die Erhebung der Zölle setzt das Vorhandensein bestimmter Zolltarife oder Zollrollen, wie sie in früherer Zeit hießen, voraus. Die älteste Spur eines solchen Zolltarifes in unseren Landen enthält, wenn ich nicht irre, ein Schiedsspruch des Erzbischofs Albert von Magdeburg, des Bischofs Engelhard von Naumburg und des Bischofs Ekkehard von Merseburg zwischen Markgraf Dietrich von Meißen und dem Abt Sifrid von Pegau vom 19. August 1219; darin heißt es: In Groiz non erit forum annone, quod vulgo dicitur cornmarct, nec moneta nec cambium, sed theloneum hoc modo: currus onerati vino vel pannis solvent de qualibet rota unum denarium, alias currus quocunque oneratus solvet tantum II os denarios[4].
Wohl ebenfalls noch ins 13. Jahrhundert gehört die sehr ausführliche und, wie wir sehen werden, für uns besonders wichtige Zollrolle der Stadt Pirna, die in einem Privilegium König Johanns von Böhmen für Pirna vom 20. April 1325 enthalten ist[5]; denn diese Urkunde stellt lediglich die Erneuerung älterer Privilegien dar, die Markgraf Heinrich der Erlauchte der Stadt gegeben hatte und die verbrannt waren. Daß man aus der Aufnahme des Zolltarifs in das Stadtprivileg nicht den Schluß ziehen darf, der Zoll sei damals bereits im Besitz der Stadt gewesen, ist schon von anderer Seite richtig bemerkt worden[6].
Das trifft auch für den ebenfalls sehr wichtigen Zolltarif der Stadt Freiberg zu, der um 1336, d. h. wohl kurz nachdem Markgraf Friedrich der Ernsthafte den Zoll in Freiberg an Friedrich und Reinhard von Honsberg um 800 Schock Prager Groschen verkauft hatte[7], in die Stadtrechtshandschrift eingetragen worden
- ↑ Ratsarchiv C. XXIII. 7.
- ↑ Näheres bei Neubert, Die Schützengesellschaften zu Dresden. Dresden 1872.
- ↑ Cod. dipl. Sax. reg. I. 1, 268.
- ↑ Kehr, Urkundenbuch des Hochstifts Merseburg I, 141 f.
- ↑ Cod. dipl. Sax. reg. II. 5, 337 ff.
- ↑ Tittmann, Geschichte Heinrichs des Erlauchten I. 195.
- ↑ 1336 Apr. 23, Cod. dipl. Sax. II. 12, 64.
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/137&oldid=- (Version vom 19.2.2025)