Zum Inhalt springen

Seite:Dresdner Geschichtsblätter Vierter Band.pdf/136

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

draußen stehenden Kletterbaum, eroberte die Trommel und Schalmei und blieb zwei Stunden im Wipfel sitzen, wobei er sich vermittelst der Schnur Bier hinaufreichen ließ und mit seiner Trommel viel Volk aus der Vorstadt um sich versammelte. Dann zog er mit Trommelschall und unter dem Geleit der Straßenjugend mit dem toten Hahne nach dem Schlosse und zu dem Freiherrn von Callenberg und wollte schließlich auch vom Rate noch ein Trinkgeld haben; es wurde ihm daraufhin nebst dem Kletterbaume ein Taler verabreicht. „Hat also“ – damit schließt der amtliche Bericht – „dieses von neuem wieder angefangene Vogelschießen sich mit Fried, Lust und Vergnügen der chur- und fürstlichen Herrschaften, auch sonsten männigliches Behagen nach angefangen, gemittelt und geendet.“

Einen bittern Nachgeschmack mag das Fest aber doch für den Rat gehabt haben, als ihm später die Rechnung über die Kosten vorgelegt wurde. Zu den bedeutenden Ausgaben für das Schießen selbst und für Essen und Trinken waren auch noch erhebliche Belohnungen und Trinkgelder hinzugekommen. Dem Oberschenken von Güntherodt, der bei der Tafel Marschallsstelle vertrat, wurde ein silbervergoldeter, mit weißem Blumenwerk geschmückter Tischbecher im Werte von 231/4 Taler, den beiden adeligen Vorschneidern, Junkern von Gersdorff und von Bernstein, je ein goldner Ring mit Diamanten für 7 Taler, alles Arbeiten des bekannten Goldschmieds und Ratsherrn Paul Zincke, verehrt. Der Hofkoch mit seinen Gehilfen erhielt 20 Taler, der Pritschmeister Ferber 5 Taler, sein Kollege Braun aber nur 4 Taler, weil ihm schon ein Paar Strümpfe geliefert worden waren. Die beiden Pickelhäringe wurden für ihre Späße mit 6 Talern belohnt. Ziemlichen Aufwand hatte die Musik verursacht: die sechs Schalmeibläser bekamen 12 Taler, die vier Bauernspielleute 2 Taler, die Bergsänger, wahrscheinlich ihrer neun, 9 Taler, die Stadtpfeifer 3 Taler und Herr Hickmann mit seiner Studentenkompagnie 12 Taler. Dem M. Conrad zahlte man 3 Taler für das von ihm gedichtete kurfürstliche „Namenslied“, von dem Melchior Bergen 200 Stück, zwei Druckbogen stark, für 4 Taler gedruckt hatte. Die Malerei an dem Theatrum, von Hans Gottfried Böhme ausgeführt, kostete 2 Taler. Für das benutzte Geschirr, das der Rat zum Teil von Gastwirten geborgt hatte, war eine Leihgebühr zu zahlen, für verloren gegangenes Ersatz zu leisten: so wurden zwei zerbrochene „Gesundheitsgläser“ mit 2 Talern, ein gestohlenes geschliffenes Glas mit 8 Talern angesetzt und für verlorenes – d. h. doch auch gestohlenes – Zinn, sechs Teller und zwei Kännchen, 53/4 Taler berechnet.

Der gesamte Festaufwand betrug 1280 Taler, gerade noch einmal soviel als beim letzten Vogelschießen von 1630 – in einer Zeit, wo Handel und Wandel noch schwer darniederlagen, gewiß eine hohe Summe, besonders wenn man in Betracht zieht, daß sich die ganze Jahresausgabe für alle Zweige der Stadtverwaltung auf nicht mehr als 20 000 Taler belief. Der Rat suchte sich wenigstens die vom Landesherrn in der guten Laune des Festes wiederholt gegebene Versicherung, daß er der Stadt in besonderer Gnade zugetan bleiben und ihre Wohlfahrt fördern werde, zu nutze zu machen: er erinnerte ihn in einem Schreiben vom 12. Juli daran und ließ es ihm durch den Bürgermeister Brehme persönlich überreichen, wobei dieser ihm die mancherlei Beschwerungen der Stadt mündlich zu Gemüte führen sollte; ob es freilich etwas genützt hat, davon steht nichts geschrieben.

Kein Wunder aber, wenn die Stadtväter der Fortsetzung dieser Lustbarkeiten nicht mit leichtem Herzen entgegensahen. Auf Verlangen des Kurfürsten mußten sie solche Vogelschießen wieder in den Jahren 1661, 1665, 1668, 1673, 1676, 1677 und 1678 veranstalten. Sie waren dabei bestrebt, die Ausgaben einzuschränken, und ließen schon beim nächsten das kostspielige Abendessen weg. Fast jedesmal machte man Versuche, sich dem Ansinnen des vergnügungssüchtigen Landesherrn zu entziehen, aber dieser bestand auf seinem Willen. Ganz besonders nahm der Rat 1678 einen Anlauf zum Widerstand. In einem Gesuche um Abschaffung des Festes wies er auf den nach den bisherigen Erfahrungen dafür erforderlichen bedeutenden Aufwand und andrerseits auf die Erschöpfung der städtischen Finanzen hin, an der namentlich das Ausbleiben der Zinsen von den dem Kurfürsten geleisteten bedeutenden Darlehnen, die Beeinträchtigung des Bierabsatzes aus dem Ratskeller und der auferlegte neue Bierzoll schuld sei; man habe noch nicht einmal die mehrere hundert Gulden betragenden Ausgaben für den Festschmaus bei der neulichen Einweisung des neuen Superintendenten, an dem der Kurfurst auch teilgenommen hatte, verwinden können. Der Oberhofmarschall erklärte sich nun zwar bereit, dieses Gesuch vorzutragen, riet aber davon ab und bemerkte, der Kurfürst habe sich das Vogelschießen bereits in seinem Diarium notiert und es werde daher nicht ohne große Erregung abgehen; er pflege solche Dinge so aufzufassen, als ob man ihn gerne los sein wolle. Das machte den Rat doch bedenklich und er trat deswegen sogleich zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen. Ratsherr Tzschimmer erklärte, er habe die Notiz im Tagebuche des Kurfürsten selbst gesehen. Ratsherr Vogler: man müßte es doch tun, es würde alles nichts helfen. Bürgermeister Wiegner: der Kurfürst habe es sich nun einmal eingebildet und es sei große Ungnade zu befürchten. Bürgermeister Schlinzig: der Kurfürst habe sich in dergleichen Dinge nie hineinreden

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/136&oldid=- (Version vom 19.2.2025)