Des Onkel Eusebios Einkünfte als Trambahnkutscher waren spärlich, und ein großer Teil davon blieb gewöhnlich schon am Zahltag in der Pulquekneipe. Kehrte er dann angezecht heim, so galten die ersten Prügel, die er verteilte, sicher Paquito, denn Donna Lupe, die seine schweren Fäuste kannte, verstand es meisterlich, seinen trunkenen Zorn von sich und ihren Kindern auf den hilflosen Neffen abzulenken.
Die kleinen gesunden Vettern aber lernten rasch vom Vater. Der wehrlose Paquito ward ihr Prügeljunge, und die alte Grausamkeit, die in ihrer Rasse schlummert, gab ihnen stets neue Erfindungen ein, womit sie ihn quälten. Leben hieß für Paquito: Angst haben. Wie ein verprügeltes Tier hätte er sich gern versteckt, aber mit den verkrüppelten Füßen konnte er kaum kriechen, mußte, wo immer man ihn hintat, bleiben, wie eine leblose Sache.
So kläglich auch all die anderen Existenzen um ihn her waren, enthielt doch eine jede ihren armseligen Anteil an trügerischer Freude. Don Eusebio hatte den Pulque, Donna Lupe ihre Zigaretten, die sie, auf der Türschwelle hockend, bei endlosen Gesprächen mit den Nachbarinnen rauchte. Donna Anastasia lief in die Kirchen, und Don Antonio, der gelehrte Trödler, von dem die Sage ging, daß er Licenciado sei, hielt Reden über das glorreiche
Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/057&oldid=- (Version vom 31.7.2018)