Volk der Mexikaner und berauschte sich am Klang der Worte Freiheit, Menschenrechte, Verfassung, an den Namen seiner Nationalhelden. – Paquito war der einzigste, dem keines jener trugspendenden Mittel zu Gebote stand, mit denen die andern sich zeitweilig über die wahre Natur des Daseins täuschten; er war gezwungen, das Leben immerfort so zu sehen, wie es in Wirklichkeit ist, weil er nichts hatte, worüber er die eigene jammererfüllte Kleinheit je vergessen konnte.
Alle Morgen wurde Paquito in seine Kiste gesetzt und in einen Winkel des Hofes gestellt, wo von der Mauer ein altes, verblaßtes Freskobild der Madonna auf ihn und all das übrige Elend herabblickte, milde und gleichmütig, wie jemand, der sich mit dem Gedanken, doch nicht helfen zu können, abgefunden hat.
Und wenn er so dasaß und wie aus vorzeitigem Sarge hinausschaute auf all die Menschen, die achtlos an ihm vorüber ihres Weges gingen, überkam ihn oftmals ein seltsam wehes Gefühl; eine große Sehnsucht nach etwas Zärtlichkeit stieg in seinem kranken Herzen auf, das in dem mißgestalteten Gehäuse zuweilen so seltsam unregelmäßig schlug; ihn verlangte nach jemand, an den er sich auch mal hätte anschmiegen können, wie die Kätzchen an die große graue Katzenmutter. Ein Menschenstäubchen, das nie und nirgends hätte sein
Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/058&oldid=- (Version vom 31.7.2018)