ein Wuseln, Wirbeln und Wimmeln menschlicher Wesen. Und Kinder! – viele, unzählige! Als sei es von größter Wichtigkeit gewesen, daß nur ja keines der älteren Leben verginge, ohne sein Elend und seine Gebrechen vorher neuen Trägern vererbt zu haben. Überall zu viel Menschen und zu wenig Raum, zu viel Hände, die in dieselbe Schüssel griffen, zu viel Leiber, die der gleichen Lumpen bedurften. Krankheiten, die nie recht gepflegt, Wunden, die nie richtig verbunden wurden; Unwissenheit, Aberglauben, für die keine Aufklärung je kam, Trunkenheit, Keifen, Schlägereien, Kindergeschrei überall – und daneben, in irgendeinem dunklen Winkel, zwei, die sich gierig umarmten, weil das ja doch das Einzige war, wovon es auf Erden auch für die Armen genug gibt.
Und unter all den Armen war Paquito der Ärmste. Sobald sein Bewußtsein erwacht war, hatte er eine Form des menschlichen Leidens kennen gelernt, die Kindern meist fremd bleibt, weil sie mehr der Greise trauriges Los ist: er empfand, daß er überall unwillkommen, überflüssig und im Wege war. – Und doch war er, wie alle Kinder, mit den Ansprüchen eines gebetenen Gastes zur Welt gekommen und litt bitterlich unter der Härte und Ungerechtigkeit des schlechten Empfanges, den er fand, weil jene, die ihn geladen, verschwunden waren.
Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/056&oldid=- (Version vom 31.7.2018)