Hermann Gunkel (Übersetzer): Das vierte Buch Esra | |
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48 Ich ’aber‘[1] habe euch nicht verlassen, noch ’will ich von euch scheiden‘[2], sondern ich bin hierhergegangen,
- um für Zions Verwüstung zu beten
- und um Erbarmen zu flehen für ’unseres‘[3] Heiligtums Schmach.
- um für Zions Verwüstung zu beten
49 Nun aber geht Alle in eure Häuser zurück, so will ich nach jenen Tagen zu euch kommen.
50 Da ging das Volk in die Stadt, wie ich ihnen geboten hatte. 51 Ich aber blieb sieben Tage lang im Gefilde, nach seinem Befehl. Ich aß allein von den Kräutern des Feldes; meine Speise waren Pflanzen in jenen Tagen.
1 Nach den sieben Tagen geschah es, da träumte ich des Nachts einen Traum: 2 siehe, da stieg ein ’gewaltiger‘[4] Sturm vom Meere[5] auf und erregte alle seine Wogen. 3 ’Ich schaute, siehe da führte jener Sturm aus dem Herzen des Meeres etwas wie einen Menschen hervor‘[6]; ich schaute, siehe dieser Mensch flog mit den Wolken des Himmels[7]. Und wohin er sein Antlitz wandte und hinblickte, da erbebte alles, was er anschaute[8]; 4 und wohin die Stimme seines Mundes erging, da ’zerschmolzen‘[9] alle, die seine Stimme[10] vernahmen, wie Wachs zerfließt, wenn es Feuer spürt[11]. — 5 Darnach schaute ich, siehe, es kam von den vier Winden des Himmels her ein unzählbares Heer von Menschen zusammen, um den Menschen, der aus dem Meer emporgestiegen war, zu bekämpfen. 6 Da schaute ich, wie er sich einen großen Berg losschlug[12] und auf ihn flog. 7 Ich aber bestrebte mich, Gegend oder Ort zu erkennen, woraus der Berg losgeschlagen war; aber ich vermochte es nicht. 8 Darnach schaute ich, siehe, alle, die sich gegen ihn[13] zum Kriege versammelt hatten, gerieten in große Furcht, wagten aber doch den Kampf. 9 Als er aber den Ansturm des Heeres, das auf ihn loskam, sah, da erhob er keine Hand, noch führte er ein Schwert oder eine andere Waffe[14], sondern ich sah nur, 10 wie er von seinem Munde[15] etwas wie[16] einen feurigen Strom ausließ, von seinen Lippen einen flammenden Hauch, und von seiner Zunge ließ er hervorgehen stürmende Funken: alle diese aber vermischten sich ineinander: der feurige Strom, der flammende Hauch und der gewaltige Sturm. 11 Das fiel[17] über das anstürmende Heer, das[18] zum Kampfe bereit war, und entzündete sie alle, so daß im selben Augenblick von dem unzählbaren Heer nichts anderes zu sehen war außer dem Staube der Asche und dem Dunste des Rauchs. Als ich das sah, entsetzte ich mich. — 12 Darnach schaute ich, wie jener Mensch vom Berge herabstieg und ein anderes friedliches Heer zu sich rief. 13 Da nahten sich ihm Gestalten[19] von vielen Menschen, die einen frohlockend, die anderen traurig[20]; einige waren in Banden[21], einige führten andere als Opfergaben mit sich[22].
- ↑ enim für autem, wie häufig; vgl. zu 6,8.
- ↑ Syr dereliqui – derelinquam.
- ↑ Syr (Aeth Arm) sanctuarii nostri. Verwechselung von ὑμῶν und ἡμῶν (Volkmar).
- ↑ Syr et ecce ventus magnus; ebenso Aeth Ar¹ Arm.
- ↑ Dan. 7,2.
- ↑ Syr et vidi et ecce ipse ventus ascendere faciebat de corde maris tanquam similitudinem hominis; vgl. Aeth. Ar¹.² Arm. Der Passus ist im Lat wegen des gleichen Anfangs überschlagen.
- ↑ Dan. 7,13.
- ↑ Lat quae sub eo videbantur = τὰ ὑπ’ αὐτοῦ βλεπόμενα (Hilg.).
- ↑ Syr (Arm) liquescebant = ἐτάκησαν, Lat ardescebant = ἐκάησαν (Hilg.).
- ↑ griech. Konstruktion; vgl. Rönsch, Itala und Vulgata S. 438.
- ↑ Mich. 1,4.
- ↑ Dan. 2,45.
- ↑ πρὸς αὐτόν.
- ↑ Vas bellicosum = σκεῦος πολεμικόν (Hilg.) = כְּלִי מִלְחָמָה.
- ↑ Jes. 11,4.
- ↑ Stil hebräischer Visionen.
- ↑ et concidit; der Sing. ist von πάντα ταῦτα abhängig.
- ↑ quod bezieht sich auf πλῆθος = multitudo.
- ↑ πρόσωπα (Hilg.).
- ↑ Juden und Heiden, Fromme und Gottlose.
- ↑ Die Juden der Gefangenschaft.
- ↑ Anspielung an Jes. 66,20 Lupton. Heiden bringen Juden als Opfergaben herzu.
Hermann Gunkel (Übersetzer): Das vierte Buch Esra. Mohr Siebeck, Tübingen 1900, Seite 395. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DasVierteBuchEsraGermanGunkelKautzsch2.djvu/65&oldid=- (Version vom 30.6.2018)