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Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/126

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Die unbedeutenden natürlichen Verschiedenheiten des Gesangs bei Individuen derselben Species, welche verschiedene Gegenden bewohnen, können ganz passend, wie Barrington bemerkt, mit Provincialdialecten verglichen werden, und die Sangesweisen verwandter, wenn auch verschiedener Species lassen sich mit den Sprachen verschiedener Menschenrassen vergleichen. Ich habe die vorstehenden Einzelnheiten gegeben, um zu zeigen, dass eine instinctive Neigung, eine Kunst sich anzueignen, keine auf den Menschen beschränkte Eigenthümlichkeit ist.

Was den Ursprung der articulirten Sprache betrifft, so kann ich, nachdem ich einerseits die äusserst interessanten Werke von Mr. Hensleigh Wedgwood, F. Farrar und Professor Schleicher[1]. und die berühmten Vorlesungen von Professor Max Müller auf der anderen Seite gelesen habe, nicht daran zweifeln, dass die Sprache ihren Ursprung der Nachahmung und den durch Zeichen und Gesten unterstützten Modificationen verschiedener natürlicher Laute, der Stimmen anderer Thiere und der eigenen instinctiven Ausrufe des Menschen verdankt. Wenn wir die geschlechtliche Zuchtwahl behandeln werden, wird sich zeigen, dass der Urmensch oder wenigstens irgend ein sehr früher Stammvater des Menschen wahrscheinlich seine Stimme, wie es heutigen Tages einer der gibbonartigen Affen thut, dazu benutzte, echt musikalische Cadenzen hervorzubringen, d. h. also zum Singen. Nach einer sehr weit verbreiteten Analogie können wir auch schliessen, dass dieses Vermögen besonders während der Werbung der beiden Geschlechter ausgeübt sein wird, um verschiedene Gemütsbewegungen auszudrücken, wie Liebe, Eifersucht, Triumph, und gleichfalls, um als Herausforderung für die Nebenbuhler zu dienen. Die Nachahmung musikalischer Ausrufe durch articulirte Laute mag daher Worten zum Ursprung gedient haben, welche verschiedene complexe Erregungen ausdrückten. Da es zu der Frage der Nachahmung in Beziehung steht, verdient die bedeutende Neigung bei unseren nächsten Verwandten, den Affen, bei mikrocephalen Idioten[2] und bei den barbarischen Menschenrassen,


  1. On the Origin of Language by H. Wedgwood. 1866. Chapters on Language by the Rev. F. Farrar, 1865. Diese Werke sind äusserst interessant. s. auch „De la Physion. et de la Parole“ von Alb. Lemoine. 1865, p. 190. Die Schrift des verstorbenen Aug. Schleicher ist auch von Dr. Bikkers in’s Englische übersetzt worden unter dem Titel: Darwinism tested by the science of language. 1869.
  2. Vogt, Mém. sur les Microcéphales. 1867, p. 169. In Bezug auf Wilde habe ich im Journal of Researches, 1845, p. 206 einige Thatsachen mitgeteilt.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/126&oldid=- (Version vom 31.7.2018)