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Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/125

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Fähigkeit, die verschiedenartigsten Laute und Ideen zu associiren, ab; und dies hängt offenbar von der hohen Entwickelung seiner geistigen Fähigkeiten ab.

Wie Horne Tooke, einer der Gründer der edlen Wissenschaft der Philologie bemerkt, ist die Sprache eine Kunst, wie das Bauen und Backen; es würde aber das Schreiben ein viel entsprechenderes Gleichniss dargeboten haben. Sicher ist die Sprache kein echter Instinct, da eine jede Sprache gelernt werden muss. Sie weicht indessen von allen gewöhnlichen Künsten sehr weit ab, denn der Mensch hat eine instinctive Neigung zu sprechen, wie wir in dem Lallen junger Kinder sehen, während kein Kind eine instinctive Neigung zu bauen, backen oder schreiben hat. Ueberdies nimmt kein Philolog jetzt an, dass irgend eine Sprache mit Ueberlegung erfunden worden sei; eine jede hat sich langsam und unbewusst durch viele Stufen entwickelt[1]. Die Laute, welche Vögel von sich geben, bieten in mehreren Beziehungen die nächste Analogie mit der Sprache dar, denn alle Glieder derselben Art äussern dieselben instinctiven, zur Bezeichnung ihrer Gemüthsbewegungen dienenden Laute; und alle Arten, welche das Singvermögen besitzen, äussern dieses Vermögen instinctiv. Aber der wirkliche Gesang und selbst die Lockrufe werden von den Eltern oder Pflegeltern gelernt. Diese Laute sind, wie Daines Barrington[2] bewiesen hat, „ebensowenig eingeboren als es die Sprache dem Menschen ist“. Die ersten Versuche zum Singen „lassen sich mit dem unvollkommenen Stammeln bei einem Kinde vergleichen, welches zu lallen beginnt“. Die jungen Männchen üben sich beständig oder, wie der Vogelsteller es ausdrückt, sie probiren zehn oder elf Monate lang. Ihre ersten Versuche lassen kaum eine Spur ihres späteren Gesangs erkennen; wenn sie aber älter werden, kann man ungefähr erkennen, wonach sie streben, und endlich sagt man, sie singen ihren Gesang rund ab. Nestlinge, welche den Gesang einer verschiedenen Art gelernt haben, wie z. B. in Tyrol aufgezogene Canarienvögel, lehren und überliefern ihre neue Sangesweise ihren Nachkommen.


  1. s. einige gute Bemerkungen hierüber von Prof. Whitney in seinen: Oriental and Linguistic Studies. 1873, p. 354. Er bemerkt, dass bei der Entwickelung der Sprache der Trieb der Mittheilung zwischen den Menschen die lebendige Kraft ist, welche „sowohl bewusst als unbewusst thätig ist: bewusst, sofern es das zunächst zu erreichende Ziel gilt, unbewusst, sofern es die weitern Folgen der Handlung betrifft“.
  2. Hon. Daines Barrington, in: Philos. Transact. 1773, p. 262. s. auch Dureau de la Malle in: Annal. des scienc. natur. 3. Ser. Zool. Tom. X, p, 110.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/125&oldid=- (Version vom 31.7.2018)