Alles, was sie nur hören, nachzuahmen, wohl eine Beachtung. Da die Affen sicher vieles von dem verstehen, was von Menschen zu ihnen gesprochen wird, und da sie im Naturzustande Warnungsrufe bei Gefahren ihren Genossen[1] zurufen; da ferner Hühner bestimmte Warnungszeichen bei Gefahren auf dem Boden oder am Himmel wegen der Habichte (beide, ebenso wie ein drittes, werden von Hunden verstanden)[2] ausstossen: – dürfte nicht irgend ein ungewöhnlich gescheidtes, affenähnliches Thier darauf gefallen sein, das Heulen eines Raubthiers nachzuahmen, um dadurch seinen Mitaffen die Natur der zu erwartenden Gefahr anzudeuten? und dies würde ein erster Schritt zur Bildung einer Sprache gewesen sein.
Als nun die Stimme immer weiter und weiter benutzt wurde, werden die Stimmorgane weiter gekräftigt und in Folge des Princips der vererbten Wirkung des Gebrauchs vervollkommnet worden sein; und dies wird wieder auf das Vermögen der Rede zurückgewirkt haben. Aber noch viel bedeutungsvoller ist ohne Zweifel die Beziehung zwischen dem fortgesetzten Gebrauch der Sprache und der Entwickelung des Gehirns gewesen. Die geistigen Fähigkeiten müssen bei irgend einem frühen Vorfahren des Menschen viel höher entwickelt gewesen sein, als bei irgend einem jetzt lebenden Affen, selbst bevor die unvollkommenste Form der Rede hat in Gebrauch kommen können. Wir können aber zuversichtlich annehmen, dass der beständige Gebrauch und die weitere Entwickelung dieses Vermögens dadurch auf die Seele zurückgewirkt haben wird, dass sie dieselbe in den Stand setzte und ermuthigte, lange Gedankenzüge zu durchdenken. Ein langer und complexer Gedankenzug kann ebensowenig ohne die Hülfe von Worten durchgeführt werden, mögen sie gesprochen werden oder stumm bleiben, als eine genaue Berechnung ohne den Gebrauch von Zahlen oder der Algebra. Es scheint auch, als wenn selbst die gewöhnlichen Gedankenreihen irgend eine Form von Sprache fast erforderten oder durch eine solche erleichtert würden; denn das taubstumme und blinde Mädchen Laura Bridgman gebrauchte ihre Finger, als man sie beobachtete, während sie träumte[3].
- ↑ s. entschiedene Beweise hierfür in den so oft citirten beiden Werken von Rengger und Brehm.
- ↑ Houzeau theilt einen merkwürdigen Bericht seiner Beobachtungen hierüber mit in: Facultés Mentales des Animaux. Tom. II., p. 348.
- ↑ s. Bemerkungen hierüber von Dr. Maudsley, The Physiology and Pathology of Mind. 2. edit. 1868, p. 199.
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, I. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch1.djvu/127&oldid=- (Version vom 31.7.2018)