Beispiel: Potentialfunction eines homogenen Ellipsoids.
Ehe wir in der allgemeinen Untersuchung der Function weiter gehen, soll die Potentialfunction in einigen besonderen
Fällen betrachtet werden.
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Der anziehende Körper sei ein Ellipsoid mit den Halbaxen . Die Dichtigkeit soll constant sein. Der Punkt liegt in der Oberfläche des Ellipsoids, wenn
ist. Er liegt ausserhalb oder innerhalb des Ellipsoids, je nachdem
positiv oder negativ. Um die Unterscheidung dieser drei Fälle möglichst zu vereinfachen, betrachten wir die Function
(1)
Dieselbe wird unendlich für drei Werthe von , nemlich für , für , und für . Bezeichnen wir mit eine unendlich kleine positive Grösse, so zeigt sich
Ferner ist
Nimmt man also und betrachtet als Abscisse, als Ordinate einer ebenen Curve (Fig. 14), so ist der Verlauf derselben leicht zu überblicken. Wenn die Abscisse stetig wachsend durch eine der drei Unstetigkeitsstellen hindurchgeht, so springt die Ordinate von auf . Abgesehen von den
Unstetigkeitsstellen, nimmt mit wachsendem die Ordinate fortwährend ab, weil
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durchaus negativ ist. Die Curve schneidet demnach die Abscissenaxe je einmal zwischen und , zwischen und und zwischen und . Die Werthe von an diesen drei Schnittstellen sind die Wurzeln der Gleichung . Nun ist aber, wie schon hervorgehoben, positiv oder Null oder negativ, je nachdem der Punkt ausserhalb des Ellipsoids liegt, oder in seiner Oberfläche, oder innerhalb. Daraus ergibt sich leicht für die Gleichung , dass ihre grösste Wurzel positiv ist im ersten, Null im zweiten, negativ im dritten Falle. Die beiden anderen Wurzeln sind immer negativ. Wir wollen mit nur die grösste Wurzel der Gleichung bezeichnen.
Zur Abkürzung werde
gesetzt. Betrachtet man in der Gleichung die vier Grössen als variabel und als Function von so ergibt sich durch Differentiation
So lange der Punkt ausserhalb oder in der Oberfläche des Ellipsoids liegt, sind die Grössen positiv und verschieden von Null. Die Grösse ist positiv und wird nur dann zu Null, wenn entweder oder wenn eine dieser Coordinaten unendlich gross ist. Wir wollen die Function nur für solche Punkte betrachten, die ausserhalb oder in der Oberfläche liegen. Unter dieser einschränkenden Voraussetzung sind endlich und stetig variabel, so lange endlich sind. Die Function ist deshalb ebenfalls stetig variabel. Sie ist unter der eben gemachten Voraussetzung positiv und bleibt endlich, so lange keine von den Coordinaten unendlich gross genommen wird. Für einen unendlich entfernten Punkt ist .
Der Ausdruck für die Potentialfunction soll hier nicht abgeleitet werden. Wir wollen ihn als gegeben ansehen und den Beweis führen, dass er allen Bedingungen genügt, durch welche die
|[91]Potentialfunction vollständig und eindeutig charakterisirt wird (§§. 18. 22).
und bezeichnen mit den Werth, welchen annimmt für .
Es soll nun bewiesen werden, dass
(2)
wenn der Punkt im Innern des Ellipsoids liegt; und
(3)
wenn er ausserhalb liegt. Man kann die Ausdrücke (2) und (3) auch in die Form bringen
Die untere Grenze der Integration ist oder , je nachdem die Gleichung (2) oder (3) zu Stande kommen soll.
Liegt der angezogene Punkt im Innern des Ellipsoids, so ist eine rationale ganze Function zweiten Grades von , und da diese Variabeln durchaus endliche Werthe behalten, so ist die Function für jeden Punkt im Innern des Ellipsoids endlich und stetig variabel.
Liegt der angezogene Punkt ausserhalb des Ellipsoids, so hängt die Function von direct ab, insofern die Factoren auftreten, und indirect, insofern die untere Integrationsgrenze eine Function von ist. Die Aenderung, welche bei einer unendlich kleinen Verschiebung des angezogenen Punktes erleidet, setzt sich also aus zweien zusammen, nemlich aus der unendlich kleinen Aenderung, die von den Factoren herrührt, und aus der Aenderung, die sich ergibt, wenn man nur variabel nimmt. Nun sind aber die Integrale stetige Functionen von , und selbst ist eine stetige Function von . Daher ist endlich und stetig variabel, wenn der Punkt ausserhalb des Ellipsoids liegt. Dies gilt auch noch, wenn er in un-
|[92]endliche Entfernung rückt. Denn wenn irgend eine der Coordinaten unendlich gross wird, so wird die grösste Wurzel der Gleichung ebenfalls unendlich gross. Dann hat in (3) die letzte Klammer unter dem Integral den Werth Null. Der Factor ist auch gleich Null, und die Grenzen der Integration fallen zusammen. Folglich wird , wenn der angezogene Punkt in unendlicher Entfernung liegt.
Für einen Punkt in der Oberfläche des Ellipsoids ist . Die Integrale (2) und (3) sind dann also einander gleich. Folglich erleidet auch dann eine stetige Aenderung, wenn der angezogene Punkt durch die Oberfläche des Ellipsoids hindurchgeht.
Danach ist bewiesen, dass die Function im ganzen unendlichen Raume endlich und stetig variabel ist, und dass sie den Werth Null hat in unendlicher Entfernung.
Wir untersuchen die ersten Derivirten. Aus (2) findet sich
(4)
Dies gilt für einen Punkt im Innern des Ellipsoids. Aus (3) ergibt sich dagegen
Da nun und nicht unendlich werden können und die letzte Klammer gleich Null ist, so erhält man
(5)
Dies gilt für einen Punkt ausserhalb des Ellipsoids. Liegt der Punkt in der Oberfläche, so ist in (5) die Grösse zu setzen, und die Integrale (4) und (5) sind einander gleich. Folglich ist überall endlich und stetig variabel. Dies gilt auch in unendlicher Entfernung. Denn es ist für einen unendlich ent-
|[93]fernten Punkt der Quotient innerhalb der Integrationsgrenzen[2] nicht unendlich gross. Der Factor ist Null und die Integrationsgrenzen fallen zusammen. Folglich ist in unendlicher Entfernung.
Die Ausdrücke und finden sich, wenn man in (4) und in (5) und , resp. und vertauscht mit und . Daher
sind auch und überall endlich und stetig variabel und in unendlicher Entfernung gleich Null.
Aus (4) ergibt sich durch nochmalige Differentiation
(6)
Dies gilt für einen Punkt im Innern des Ellipsoids. Aus (5) erhält man dagegen
(7)
Dies gilt für einen Punkt ausserhalb des Ellipsoids. Beide Ausdrücke sind endlich und ändern sich stetig, wenn nur der Punkt im einen Falle innerhalb, im andern Falle ausserhalb des Ellipsoids bleibt. Lässt man ihn von der einen und von
anderen Seite in die Oberfläche hineinrücken, so geben die Ausdrücke (6) und (7) verschiedene Werthe. Nur für sind sie einander gleich.
Die Ausdrücke und ergeben sich aus (6) und (7) durch Buchstaben-Vertauschung. Wir bilden die Summe der zweiten Derivirten und erhalten fur einen inneren Punkt