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Schwere, Elektricität und Magnetismus/§. 106.

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§. 106.
Fingirte magnetische Belegung der Erdoberfläche.


 Wenn die Potentialfunction an jeder Stelle der Erdoberfläche gegeben ist, so lässt sie sich, wie in den §§. 21 und 34 gezeigt worden, immer in einer und nur in einer Weise in den äusseren Raum hinein fortsetzen, so dass sie in diesem äusseren Raume überall endlich und stetig variabel ist, dass sie in unendlicher Entfernung den Werth Null hat, und dass an jeder Stelle des äusseren Raumes die partielle Differentialgleichung


(1)


erfüllt wird. Man hat als Begrenzung des Raumes (§. 21) die Erdoberfläche und eine concentrische Kugelfläche von unendlich grossem Radius zu nehmen. Diese Polentialfunction entspricht der Voraussetzung, dass im äusseren Raume keine magnetischen Massen vorhanden sind.

 Im §. 79 ist nachgewiesen, dass man die Function , ausgehend von den Werthen in der Erdoberfläche, in unendlich mannichfaltiger Weise ins Innere stetig fortsetzen kann. Jede solche Fortsetzung liefert dann für einen inneren Punkt im allgemeinen einen anderen Werth des Ausdruckes



Folglich gibt es unendlich viele verschiedene Vertheilungen von magnetischen Massen im Innern der Erde, welche sämmtlich dieselbe magnetische Wirkung an der Oberfläche und im äusseren Raume ausüben, nemlich die Wirkung, welche aus der in der Oberfläche gegebenen Potentialfunction und ihrer eindeutigen Fortsetzung im äusseren Raume sich berechnet. |[341]

 Im §. 80 haben wir den wichtigen Satz entwickelt, dass man die unbestimmte räumliche Vertheilung der magnetischen Massen im Innern ersetzen kann durch eine einzige, ganz bestimmte Vertheilung über die Oberfläche. Die Potentialfunction, welche von dieser fingirten Belegung der Oberfläche herrührt, soll zur Unterscheidung mit bezeichnet werden. In einem Punkte der Erdoberfläche oder des äusseren Raumes ist dann


(2)


Im Innern der Erde ist eine einwerthige, endliche und stetige Function des Ortes, dagegen völlig unbestimmt.

 Wir wollen von der fingirten Belegung der Erdoberfläche ausgehen und die davon herrührende Potentialfunction für den ganzen unendlichen Raum herstellen. Es sei ein Element der Erdkugel-Oberfläche und ihr Radius. Wir nehmen Kugelcoordinaten zu Hülfe. Auf einer mit der Erde concentrischen Hülfskugel vom Radius 1 soll der Pol in dem Punkte liegen, welcher von der Axe der positiven getroffen wird, und der Anfangsmeridian soll die Axe der positiven durchschneiden. Wir verbinden einen Punkt, der dem Flächenelement. angehört, mit dem Mittelpunkte der Kugel. Der Radius vector schneidet die Hülfskugel in einem Punkte, dessen Poldistanz und dessen geographische Länge sei. Dann sind die Kugelcoordinaten des erstgenannten Punktes. In diesem Punkte sei die Dichtigkeit der fingirten magnetischen Massenbelegung. Also ist das Quantum magnetischen Fluidums, welches über das Element ausgebreitet ist. In einem
Fig. 49.
Punkte, dessen Kugelcoordinaten sind, denken wir uns die positive Einheit der magnetischen Masse concentrirt. Dieser Punkt, der an einer beliebigen Stelle im äusseren Raume oder im Innern der Erde oder in der Erdoberfläche liegen kann, habe von dem Punkte den Abstand (Fig. 49), und die Radien beider Punkte mögen

den Winkel einschliessen. Dann wird die von der fingirten magnetischen Belegung der Erdoberfläche herrührende Potentialfunction im Punkte definirt durch die Gleichung: |[342]


(3)


und es ist


(4)


Fig. 50.
Die Integration in (3) ist über die ganze Erdoberfläche zu erstrecken. Der Winkel wird auf der Hülfskugel vom Radius 1 gemessen durch den Bogen eines grössten Kreises. Dieser Bogen (Fig. 50) ist die dritte Seite eines sphärischen Dreiecks, dessen beide andere Seiten und den Winkel einschliessen. Folglich gilt für die Formel:



(5)


Die Dichtigkeit ist eine Function von und . Wir haben variabel von bis und variabel von bis zu nehmen. Die Function


(6)


ist nun freilich a priori nicht bekannt. Folglich geben uns die Gleichungen (3) und (4) auch nicht ohne weiteres die Werthe von im ganzen unendlichen Raume. Sie machen uns aber darauf aufmerksam, dass sich nach ganzen Potenzen von entwickeln lässt. Die Coefficienten der Entwicklung sind Functionen von und , deren Form wir aus den Bedingungen zu bestimmen haben, dass im äusseren Raume sowohl wie im Innern der Erdkugel der Gleichung von Laplace Genüge leisten muss und beim Durchgange durch die Erdoberfläche nicht unstetig werden darf [§. 79 (1), §. 80 (1) und (2)]. Ist hiernach die Entwicklung von vollständig durchgeführt, so treten darin unendlich viele constante Coefficienten auf, die vorläufig unbestimmt sind. Sie erhalten dadurch bestimmte Werthe, dass die so entwickelte Function an jeder Stelle der Erdoberfläche mit der dort gegebenen Potentialfunction übereinstimmen soll. |[343]

 Auf diese Weise gelangt man zu einem völlig bestimmten Ausdrucke für die Function , und wenn dieser hergestellt ist, so ergibt sich die Dichtigkeit der fingirten magnetischen Belegung der Erdoberfläche mit Hülfe der Gleichung (3) des §. 80.

 Nach diesem Ueberblick über den einzuschlagenden Weg gehen wir zu der Durchführung der Rechnung selbst über.