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Schwere, Elektricität und Magnetismus/§. 10.

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« §. 9. Schwere, Elektricität und Magnetismus §. 11. »
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§. 10.
Stetigkeit der Function und ihrer ersten Derivirten. Unterbrechungen in der Stetigkeit der zweiten Derivirten.


 Die Function und ihre ersten Derivirten werden durch Integrale ausgedrückt, die - wie bewiesen - je einen bestimmten endlichen Werth haben, wo auch der angezogene Punkt liegen möge. Dagegen ist von den Integralen, welche die zweiten Derivirten ausdrücken, dieselbe Eigenschaft bis jetzt nur bewiesen, wenn der angezogene Punkt in endlicher, wenn auch noch so kleiner, Entfernung von der Oberfläche des anziehenden Körpers und von den Unstetigkeitsstellen der Dichtigkeit sich befindet. Daraus folgt, dass im ganzen unendlichen Raume eine stetig veränderliche Function von ist, und dass sich stetig ändern, so lange der Punkt in endlicher, wenn auch noch so kleiner Entfernung von der Oberfläche des anziehenden Körpers und von den Unstetigkeitsstellen der Dichtigkeit bleibt. Wir wollen nun beweisen, dass die ersten Derivirten auch dann noch eine stetige Aenderung erleiden, wenn der Punkt durch die Oberfläche des anziehenden Körpers oder durch eine Unstetigkeitsstelle der Dichtigkeit hindurchgeht oder in ihnen verschoben wird. Der Beweis soll zunächst für geführt werden.

 Der Punkt liege in einer Fläche, in welcher die Dichtigkeit sich sprungweise ändert, oder in der Oberfläche des anziehenden Körpers. Wir umschliessen ihn mit einer Kugelfläche vom Radius und bezeichnen mit den Raum, welchen diese aus dem anziehenden Körper ausschneidet. Der übrige Theil des anziehenden Körpers sei . Dem entsprechend zerlegen wir auch die Potentialfunction in zwei Bestandtheile


(1)


so dass nur von der Masse in dem Raume und nur von der Masse in dem Raume herrührt. Für den Raum ist der Punkt ein äusserer Punkt, und daher sind die |[33]ersten Derivirten stetige Functionen von . Es ist also jedenfalls


(2)


 Die Derivirte wird ausgedrückt durch das Integral



wenn man die Integration über den Raum ausdehnt. Dieses Integral kann - wie bewiesen - nicht unendlich gross werden, wohin man auch den Punkt im Innern der Kugel vom Radius verlegen möge. Es hat vielmehr einen endlichen Werth, der um so kleiner ist, je kleiner genommen wird. Man kann demnach so klein wählen, dass für jede Lage des angezogenen Punktes im Innern jener Kugel der Werth von kleiner bleibt als eine beliebig kleine Grösse . Verschiebt man also den Punkt beliebig im Innern der Kugel vom Radius , so wird die Aenderung, welche dadurch erfährt, ebenfalls kleiner sein als . Man kann aber kleiner werden lassen als irgend eine angebbare Zahl. Es ist damit nur eine unendliche Abnahme des Radius verbunden.

 Folglich ist


(3)


Aus (3) und (2) ergibt sich ohne weiteres


(4)


d. h. ist eine überall stetig variable Function.

 Auf demselben Wege wird der Beweis für und geführt. Die Function und ihre ersten Derivirten sind also überall endliche und stetige Functionen. Sie erleiden unendlich kleine Aenderungen bei einer unendlich kleinen Verschiebung des Punktes , mag diese Verschiebung innerhalb oder ausserhalb oder in der Oberfläche der anziehenden Masse vorgenommen werden oder durch die Oberfläche hindurchführen. |[34]

 Der Beweis ist noch anwendbar auf die zweiten partiellen Derivirten, aber nur für solche Lagen des Punktes , für welche die Gleichungen (1) des vorigen Paragraphen gelten. D. h. die zweiten partiellen Derivirten ändern sich stetig bei allen Verschiebungen des Punktes ausserhalb oder innerhalb des anziehenden Körpers, die in endlicher, wenn auch noch so kleiner Entfernung sowohl von der Oberfläche, als auch von den Unstetigkeitsstellen der Dichtigkeit vorgenommen werden.

 Errichtet man nun gegen die Oberfläche des anziehenden Körpers in irgend einem Punkte derselben die Normale nach innen und nach aussen, so darf man auf der inneren wie auf der äusseren Normale den Punkt unendlich nahe an die Oberfläche heranrücken lassen, ohne dass die Functionen aufhören, endliche und stetig variable Werthe anzunehmen. Für zwei Lagen des Punktes auf der inneren und auf der äusseren Normale in unendlich kleinem Abstande von der Oberfläche hat jede der vier Functionen zwei Werthe, die nur unendlich wenig abweichen von dem Werthe, welchen sie in dem Fusspunkte der Normale auf der Oberfläche selbst besitzt. Aus diesem Verhalten der Functionen folgt, dass die zweiten Derivirten von nicht unendlich gross werden können, wenn der Punkt auf der inneren oder auf der äusseren Normale unendlich nahe an die Oberfläche heranrückt oder in den Fusspunkt der Normale auf der Oberfläche selbst übergeht. In diesem letztgenannten Punkte verlieren die Ausdrücke, welche wir für die zweiten Derivirten gefunden haben, alle Bedeutung. Das weist darauf hin, dass jede der zweiten Derivirten sich sprungweise ändert, wenn der Punkt beim stetigen Durchlaufen der Normale durch die Oberfläche des anziehenden Körpers von innen nach aussen oder von aussen nach innen hindurchgeht. In dem Beispiele des §. 5 ist diese Eigenschaft der zweiten Derivirten von direct nachgewiesen. Sie lässt sich aber für eine beliebig gestaltete Oberfläche des anziehenden Körpers beweisen. Man hat zu dem Ende, was anlangt, die Integrale auf der rechten Seite der Gleichungen (1) des §. 9 für den Fall zu untersuchen, dass der Punkt auf der äusseren oder auf der inneren Normale unendlich nahe an die Oberfläche heranrückt. |[35]Dabei zeigt sich, dass jedes der drei Raumintegrale für beide Lagen des Punktes Werthe von unendlich kleiner Differenz besitzt. Die Grenzwerthe der Oberflächen-Integrate haben aber eine endliche Differenz, und zwar sind die Werthe für den inneren Punkt um resp.



kleiner, als für den äusseren Punkt. Dabei bezeichnen die Winkel, welche die Richtung der nach innen gezogenen Normale mit den positiven Coordinaten-Axen einschliesst, und ist die Dichtigkeit in dem unendlich nahe an der Oberfläche gelegenen inneren Punkte. Der Beweis dieser Behauptung stützt sich im wesentlichen auf Entwickelungen, welche im §. 15 für einen anderen Zweck vorgenommen werden.

 Die Durchführung des Beweises kann hier unterbleiben, da von hauptsächlichem Interesse die unstetige Aenderung der Summe ist, und diese lässt sich mit einfacheren Hülfsmitteln nachweisen (§. 13).

 Der anziehende Körper werde durch eine innere Scheidungsfläche in zwei getrennte Räume zerlegt, so dass die Dichtigkeit sich stetig ändert in jedem einzelnen der beiden Räume, aber sprungweise beim Durchgange durch die Scheidungsfläche. Errichtet man dann in irgend einem Punkte dieser Fläche nach beiden Seiten hin die Normale und lässt auf ihr von beiden Seiten her den Punkt unendlich nahe an die Scheidungsfläche heranrücken, so wird jede der zweiten Derivirten von sich einem bestimmten endlichen Grenzwerthe unaufhörlich annähern. Aber der Grenzwerth irgend einer von den zweiten Derivirten in unendlich kleinem Abstande von der Scheidungsfläche ist auf der einen Seite verschieden von dem Grenzwerthe auf der anderen Seite. Jede von den zweiten Derivirten ändert sich sprungweise, wenn der Punkt beim stetigen Durchlaufen der Normale durch jene Fläche hindurchgeht. In der Scheidungsfläche selbst sind die Ausdrücke für die zweiten Derivirten von ohne alle Bedeutung.

 Nach dieser Orientirung über das Verhalten der zweiten Derivirten kommt es darauf an, die Summe



|[36]für einen Punkt im Innern des mit Masse erfüllten Körpers zu ermitteln. Wir gelangen dazu mit Hülfe eines von Gauss aufgestellten allgemeinen Satzes, welcher zunächst entwickelt werden soll.