Romanzen vom Rosenkranz/Romanze XX: Rosarosens Leichenzug
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Rosarosens Leichenzug
Frühe Sonne, frühe Sonne,
Ach, wo bist du hingesunken!
All des Tages Jugendwonne
Ist im Morgenrot ertrunken.
Inseln aus des Himmels Seen,
Sah ich steigen, untertauchen
In des Morgens erstem Wehn.
Und es steigt ein Nebelschleier
Eine einsam tiefe Feier
Breitet sich durch Wald und Au.
Ruhig unbewegte Bäume,
Kein Gesang, kein Blattgeräusch;
Wieder an, ihr Blumen keusch?
O Bologna, deine Zinnen,
Die gelacht im Sonnenstrahl,
Seh ich bösen Schmuck gewinnen:
Alle Buden sind geschlossen,
Trauerteppche hängen aus,
Durch die Straßen weit ergossen
Reget sich ein Volksgebraus.
Gehet eine freie Bahn,
Und es wirft die rege Menge
Blumen auf den offnen Plan.
Vor dem Konsularpalaste,
Der viel tausend Bürger faßte,
Bildet Wache einen Saum.
Und die acht Konsulen treten
Aus des Palasts hohem Tor,
Auf den Marmorstuhl empor.
Und er winkt mit dem Barette
Und der Herold mit dem Stab,
Das Geschmetter der Trompete
„Seid gegrüßt, ihr freien Bürger!
Seid gegrüßet, edle Ritter!
Seid gegrüßet, ihr Gelehrten!
Seid gegrüßet, ihr Studenten!
Warum heute alle wir
Also reiche Trauer tragen,
Seht ihr mich erscheinen hier.
Jacopone, der gelehrte –
Seine Weisheit nicht verehrte,
Nicht ihn einen Gönner nennte?
Über diesen Mann gesenket
Hat sich jüngst ein bittres Leiden,
Ist er nicht mehr zu beneiden.
In des Schauspielhauses Brande
Ward sein herrlich Weib verletzet,
Und zu einem bessern Lande
Sie, die Lehrerin der Waisen,
Seine Hauses treue Wirtin,
Ward in dieser Stadt geheißen
Nur die fromme, liebe Hirtin.
Wo sich alle Lämmlein sammeln,
Hat der Hirt sie hinbeschieden,
Gottes Loblied mitzustammeln.
Da sie ihm nun ist geraubet,
Will er, wie ein Baum entlaubet,
Nimmer wieder Schatten geben.
Und er ist vor uns erschienen,
Hat uns weinend eingeladen,
Und wir haben uns beraten.
Denn als eine freie Gabe
Gibt der Stadt er seine Gelder,
Liegende und fahrnde Habe,
Alles, was er hat erworben,
Sei ihm auch mit ihr verloren,
Sei ihm auch mit ihr gestorben,
Armut hat er sich erkoren.
Wo das Spielhaus ist verbrennet,
Zum Behuf der Klosterfrauen,
Welche man Clarissen nennet.
Und er hat zu diesem Ende
Siegelbrief und Dokumente,
Wo die Gelder sind zu heben.
Und hiefür ward ihm die Bitte,
Seines Schmerzes Trost, gewähret,
Seine Trauer sei geehret.
Denn die so den Staat bedachten,
Die verdienen solche Ehren;
Solche Bürger hoch zu achten,
Und ich wollte hie verkünden,
Daß im wogenden Gedränge
Sich kein Streiten mög entzünden,
Wo die Straßen krumm und enge.
Daß in unsern treuen Mauern
Zwei Partein zum bösen Streite
Immer auf den Anstoß lauern.
Laßt uns nicht den Tag entweihen
Eintracht möge Gott verleihen
Unser Gruß sei euch entboten!“
Und er winkt mit dem Barette
Und der Herold mit dem Stab,
Seiner Rede Schluß angab.
Und nun reiten durch die Masse
Herolde und tuen kund
An der Ecke jeder Gasse,
Aber aus des Schlosses Bogen
Zieht der Heerwagen der Stadt,
Von acht weißen Stiern gezogen,
Und ein Jauchzen findet statt.
Wie aus reicher Bilder Zier
Bologneser Flaggen wehen,
Ohne innre Kampfbegier.
Vor dem Wagen ernsthaft schreiten
Die acht weiße Stiere leiten,
Dann acht Führer rot und weiß.
Übers Volk, wie aus dem Meere,
Sieht man nun den weiten Wagen,
Mit der hohen Fahne ragen.
Rings mit goldenen Geländern
Er wohl vierzig Reiter faßt,
Haltend an den vierzig Bändern,
Der ein silbern Kreuz erhebet,
Das des Lichtes Blick erhellt;
Nieder in der Fahne wehet
Weiß ein Kreuz im roten Feld.
Ein vor allen prächtger Mann;
Wie sein Harnisch strahlt und blitzet,
Kaum das Aug ertragen kann.
Er gleicht einem Martisbilde;
In dem runden Spiegelschilde
Lacht die ganze Pracht verklärt.
Ihm die Fahne ist vertrauet,
Er des Wagens Ehr bewacht,
Als den Mittelpunkt der Schlacht.
Als des Staates Bundeslade,
Als Symbol der Bürgerehre,
Als der Thron des Zorns, der Gnade,
Wenn er stehet, wenn er schreitet,
Steht und geht die Kriegesschar,
Ihn des Heeres Kern umstreitet
In der dringenden Gefahr.
Sammeln sich in seinem Kreis,
Und von neuem auszulaufen
Nach des Kampfes blutgem Preis.
Und den Feldarzt trägt der Wagen
All, die blutig sind geschlagen,
Wollen hier geheilet sein.
Auch die Priester auf ihm stehen,
Mit dem heilgen Sakrament
In dem ehrenvollen End.
Kehrt der Wagen mit dem Heere,
Dann ward gut die Schlacht geschlagen,
Denn des Heeres Mut und Ehre
Fällt er in des Feindes Hände,
Dann sucht Heil in schnöder Flucht,
Wer nicht in des Lebens Ende
Seiner Schande Ende sucht.
Ist des Mutes fester Kern,
Wird er nach errungnem Siege
Des Triumphes schönster Stern.
Und von seiner Bühne glänzen
Zwischen stolzen Lorbeerkränzen
Die errungnen Fahnen wehen.
Und in seine Spuren weinen
Sklaven, paarweis hart gebunden,
Die den nackten Fuß verwunden.
Auch des Friedens Pracht zu mehren
Zieht er aus mit stolzem Prangen,
Als ein Zeichen reicher Ehren
Gold und Scharlach muß dann wallen,
Weise Männer ihn betreten,
Und von seiner Höhe schallen
Zierlich ausgesprochne Reden.
Höret man das Wort der Richter,
Lieblich stolz auf ihm umtönen
Von den Liedern heilger Dichter.
Also dient er in dem Streite,
So zu festlichem Geleite;
Aber anders dient er heute.
Und die dunkle Trauerbühne
Nun die bunte Menge teilet,
Flut mit scharfem Kiel durcheilet.
Aber tröstlich auf dem dunkeln
Maste, dessen Segel trauern,
Sieht das weiße Kreuz man funkeln,
Schwarze Tücher rings verhüllen
Seine kriegerische Pracht,
Und sein Schnitzwerk Rosen füllen,
Sterne einer tiefen Nacht.
Rosarosens so verzieret,
Um ihn weht ein leiser Schauer,
Weil der Tod hier triumphieret.
Und wo sonst die Schwerter glänzen,
Tragend in Zypressenkränzen
Pomeranzen und Zitronen.
Herbe Bitterkeit der Tränen,
Dunkles Laub zur Erde sinkend
Aus des Grabes Blumen trinkend.
Weiß geschmückt, zu beiden Seiten,
An des Mastes schwarzen Schnüren
Haltend, Kinder traurig schreiten,
Seht, vor Jacapones Türe
Steht ein schwarzer Baldachin,
Daß das Volk ihn nicht berühre,
Hüten sechzehn Ritter ihn.
Acht vom Lambertazzer Haus
Rechts und links vermischet stehen;
Keiner hat den Rang voraus.
Und es drängt von allen Seiten,
Zwar ohn Lieb, doch auch ohn Streiten,
So ist der Moment geehrt.
Mit dem Trauerschmuck der Flöre
Harren rings sich anzuschließen
Wenn der Zug sich wird ergießen.
Wenn die Priester angekommen,
Werden tief die Glocken schallen,
Und der Leib der lieben Frommen
Aber in des Hauses Kammer
Sitzt der schmerzdurchbohrte Mann,
Öd in tränenlosem Jammer
Sieht er ihre Leiche an.
Die zu ihren Füßen knien,
Konnten ihm nicht Tränen geben,
Tränen sind ihm nicht verliehn.
Seit die Augen sie geschlossen,
Ist in Tränen er zerflossen,
Und nun ist ihr Quell versiegelt.
Irdisch kann sie nicht mehr scheinen,
Die der Erde zu vereinen;
Und sein Herz will ihm versteinen.
Ja, ein Grab von Marmorfelsen
Haut der Schmerz in seinem Herzen,
Was nicht springen will, muß schmelzen
Ist die Halle erst geweitet,
Wird sie ruhen in den Felsen,
Wenn er still zur Türe schreitet,
Einen Stein davor zu wälzen,
Daß kein andrer ihn beweget,
Als Luft, Erde, Wasser, Feuer,
Wenn sie Gottes Zorn erreget.
Und wenn so die Gruft verschlossen,
Klipp vor Klippe unverdrossen,
Um den Gipfel zu erreichen.
Und da wird der Feind ihm zeigen
Alle weiten Herrlichkeiten,
Wie die Ufer sie begleiten.
Sonnenschein auf Bergesgipfeln,
Dämmerung in grünen Talen,
Sang und Lust in Waldeswipfeln,
Schiffe segelnd, Wolken ziehend,
Schlosses Dach im Abend glühend,
Schatten übers Meer hinfliehend,
Und ein ganzer Frühling blühend.
Doch er wird es nicht verlangen,
Und die Welt wird sich ihm neigen,
Er wird nur am HImmel hangen.
Freudig ohne niedern Kummer
Betend dann in selgem Schlummer
Eines guten Traums ertrinken.
Überm Haupt die Jakobsleiter,
Wird er mit der Engel Reigen
Zu geliebten Seelen steigen.
Also wird ihm einst geschehen,
Den jetzt solche Schläge schlagen,
Daß er ganz versteint in Wehen –
Unbemerkt im eignen Leide,
Knieet Pietro in der Kammer,
Und sie schweigen alle beide,
Jeder in dem eignen Jammer.
Denn er hört ein fernes Singen:
„Wo ist ihre Blumenkrone?
Ach, man will sie von mir bringen!
Wo sind Blumen ihr zum Kranze,
Erde, küß mit deinem Glanze
Nochmals, die von dir genesen!“
Und zu Pietro er sich wendet,
Spricht: „Hast Blumen du gebracht?
Diese tränenvolle Nacht?
O, mein Pietro, die Verblühte,
Zier sie mit des Lebens Bild;
Daß der Schmerz nicht also wüte,
Pietro mit dem Haupt verneinet,
Aber reden kann er nicht,
Und der Tränenlose weinet,
Als er sieht sein Angesicht.
„O, mein Bruder! mich erquicket,
Daß mein Leid dich so erbarmet,
Und aus deinen Augen blicket.“
Aber jener ihm entgegnet:
Dann wär wohl mein Los gesegnet,
Und es wär das meine nicht.
Blumen konnt ich dir nicht bringen,
Weil sie all wie Rosarose
Bis auf eine weiße Rose.“
Pietro wollte weiter reden,
Doch Melior und Rosablanke,
Welche zum Gemach eintreten,
Und er fühlt sich dumpf ergrimmet,
Wenn er zu Meliore blickt,
Denn in seinem Busen glimmet
Eifersucht, die ihn erstickt.
Rosablanka. Zu ihr schreitet
Jacopone: „Jungfrau, eilet,
Daß Ihr mir den Kranz bereitet!“ –
„Herr, dies kann gar wohl geschehen,
Und ich kann die Kränze drehen,
Doch fehlt mirs am Myrtenreise!“ –
„Keine Myrt in ihre Krone!
Einen jungfräulichen Kranz
Blickend durch der Tränen Glanz.
Und sie naht der Leiche Füßen,
Aus dem Korbe, den sie trug,
Ihre Rosen auszugießen.
Sie mit Liebe zu begrüßen,
Fühlt sie einen innern Zug,
Und sie soll doch, um zu büßen,
Folgen ihrem Leichenzug.
Wie sie so die Stille fühlet,
Mild ihr Aug von Tränen tauet
Und die heiße Wange kühlet.
Und sie nimmt die rote Rose,
Weiter eine gelbe Rose,
Und so fort den ganzen Kranz.
Bei den roten spricht sie immer:
„Rosarose, bitt für mich!“
„Rosablank geleitet dich!“
Aber bei der gelben Rose
Muß sie an Biondetten denken,
Und dann traurig zu der Rose
Da sie nun den Kranz vollendet,
Sprach sie scheu zu Jacopone:
„Mich hat zu dir hergesendet
Heut der Beichtiger Benone.
Will er, daß ich im Geleite
Deines Weibs mit bloßen Füßen
Hinter ihrem Sarge schreite.
Und ich bitte dich zum Lohne,
Als den Preis der Blumenkrone,
Die du ohne mich nicht hattest.
Trauer ist mein Kleid, ich weine
An der Mutter Sterbetage;
Laß mich folgen deiner Klage.“
Da sprach zu ihr Jacopone:
„Du sollst bei dem Leichenwagen
Ihr die jungfräuliche Krone,
Dieses ist des Landes Sitte;
Zwischen Pietro und Meliore
Sollst du schreiten in der Mitte
Mit dem Kranz im Trauerchore.“
Aller Glocken durch die Luft,
Und der Priester in die Hallen
Tritt mit Kranz und Weihrauchduft.
„Es ist Zeit, wir müssen wallen,“
Dieser jetzt, wie einst uns allen,
Mit metallner Zunge ruft.“
Acht Matronen tief in Trauer
Tragen nun den Sarg hinab,
Unterm Baldachine ab.
Und die Ritter mußten wehren
Mit dem Schwert die Totenschau,
Doch ein jeder wollte ehren
Und es zieht, sie anzuschauen,
Vor ihr hin der Leichenzug;
Ach, wer sieht, sich zu erbauen,
Solch ein heilig Bild genug!
Erst die Priester, traurig singend,
Und das Volk liegt auf den Knieen,
Chöre durch die Lüfte schwingend.
Und die Schwermut der Posaunen
Die vorm Ewigen erstaunen,
In der Zeit um Hilfe schreien.
Ihnen folgen fromme Orden,
Ewige Gebete lallend,
Auf das Antlitz niederfallend.
Und nun treten schwarze Nonnen
Um den Sarg, in weißen Schleiern,
Wie die Strahlen einer Sonnen,
Aber sie auch müssen gehen,
Denn jetzt nahn die Tiefbetrübten;
Seht der Kindlein Fahne wehen,
Traurig bei der Hochgeliebten!
Führt die Mägdlein und die Knaben,
Die mit einem Blumendamme
Nun der Hirtin Sarg umgaben.
Und mit kindisch süßem Flehen
Jedes Kindlein will sie sehen
Und die milden Hände küssen.
Ach! sie kennen nicht das Scheiden,
Freuen sich des Rosenkranzes
Und des Diamantenglanzes.
Doch Bolognas Heereswagen
Mit gedämpftem Hörnerklang,
Ihren Leib zur Gruft zu tragen,
Und den Sarg hinan zu heben
Zaudern noch die ernsten Ritter,
Sich die Hand dazu zu geben
Ist ihr innrer Groll zu bitter.
Fürchtet Störung er der Ruhe
Und beginnt umher zu spähen,
Wer erheben soll die Truhe.
Sieh, da naht mit Flötenschalle
Jeder Nation Marschalle
Sich heran zum Sarge wenden.
Jene, die sie nach dem Brande
Heimgetragen mit Verehren,
Schwarz, mit langen Trauerflören.
Und da sie das Zögern sahen
Und des Konsuls Wink empfingen,
Barhaupt sie dem Sarge nahen,
Heben ihn mit guter Sitte
Auf den hohen Trauerwagen,
In der Blumen stille Mitte,
Traurend, aber ohn Verzagen.
Kehrend hin zu den Gesellen,
Nun die Kinder ihn umschließen
Rings mit freudgen Blumenwellen.
Zwischen schlanken Lilienstengeln
Rings umwallt von frommen Engeln,
Zieht er hin mit prächtgem Schweigen.
Und es folget Jacopone;
Zwischen Pietro und Meliore
Rosablanka in dem Chore.
Ihre Locken aufgelöset
Traurend um die Schultern wehen,
Ihre Füße sind entblößet,
Als sie aus dem Haus geschritten,
Zog sie Schuh und Strümpfe ab,
Die sie, auf sein dringend Bitten,
Pietro zu bewahren gab.
Wie beliebten, reichen Schmuck;
Seines Herzens Schlag erwecket
Der verehrten Pfänder Druck.
In verschiednem Schmerz befangen
Manche Trän auf fremden Wangen
Ehrt ihr tränenloses Leiden.
Wie ein Christ scheint Jacopone,
Der getrost zum Tode gehet,
Aus dem Himmel niederwehet.
Hinter ihm kommt Rosablanke,
Mit der Blumen süßem Glanz,
Als ob sie vom Himmel schwanke
Wie ein Engel ungetrübet,
Doch umhaucht von irdschem Leid,
Weil der Herr die Menschen liebet,
Die um ihn bestehn den Streit.
Wie ein unbesiegter Held
Unter einem Sklavenheere
Durch der Brüder Leichenfeld.
Er ist nach dem Kranz gesprungen,
Er hat selbst das Lied gesungen,
Das der Feind jetzt um ihn singt.
Aber der ist unbesieget,
Der ein Dichter und ein Held,
Seines Schmerzes giftge Welt.
Und es steigt an seinem Leiden
Heilend Sonn und Mond empor,
Unter Sklaven kann er schreiten,
Er ist einsam im Getümmel,
Und er geht in selgem Traum,
Und sein Auge steigt zum Himmel
Ewig von dem irdschen Saum.
Wie ein armer Schäferknabe,
Der den Schatz hinab sah sinken,
Den er mühsam aufgegraben.
Immer sieht er vor sich spielen
Wo sein Weg auch hin mag zielen,
Flieht der Schatz ihn ohne Ruhe.
Also muß ein Buhler irren,
Dem die Buhle ging zu Grab,
Ihm die Liebestränke gab;
Also in dem Venusheere
Zieht die liebetörge Brut,
Daß sie ewig sich verzehre,
Ob sein Blick zur Erde nieder
Oder auf zum Himmel schwebt,
Sieht er stets den Rumpf der Hyder,
Der ein neues Haupt erhebt.
Die die Jungfrau ihm zur Rechten
Tritt mit zarten Rosenfüßen,
Und sich einen Kranz draus flechten,
Und mit solchem Schmerz bekränzet,
Wo kein Stern mehr fröhlich glänzet
Und sich schwarze Bäche wälzen.
Und an einen bittren Bronnen
Möcht er trinkend niedersinken,
Immer schöpfen, immer trinken,
Und dem Quelle wieder weinen,
Ihn mit seinem Schmerz berauschen,
Und zum Felsen dann versteinen
Diesen folgen nun die Armen,
All in neues Tuch gekleidet;
Sterbend hat sie voll Erbarmen
Ihnen diesen Trost bereitet.
In dem festlichen Ornat,
Und die Herrn des Rates schließen
Sich an sie, und der Senat.
Weiter alle Professoren
Und Magister und Doktoren,
In der Hand das Samtbarett.
Und nun treten die Pedelle
Mit den Silberstäben her,
Und so fort ihr ganzes Heer.
In den schwarzen Mänteln steckten
Pursche aller Nationen,
Kandidaten der Pandekten,
Alle seine Schüler ehrten
Jacopones schweres Leid,
So beschlossen und vermehrten
Sie das prächtige Geleit.
Sich durch lange Straßen hin
Und ergießt sich durch die Schauer,
Aber alle ehren ihn.
Doch dort auf des Marktes Mitte
Alles wendet seine Schritte
Einem neuen Bild entgegen.
Als der Sarg zur Stelle schreitet,
Trat zum Zuge her Apone
Dicht zum armen Jacopone.
Und ein wunderbar Entsetzen
Bricht durch alle, die sie sahn
So, mit frechem Zuchtverletzen,
Und der ganze Zug sich hemmte;
Es entstehet ein Gedränge;
„Weg mit diesem Purpurhemde!“
Schreit empört die rege Menge.
Weil sie so satanisch gleißet,
Und wo ihre Augen schweifen,
Alle Sinne sie zerreißet.
In den Wogen ihres Busens
Und wie Schlangenhaar Medusens
Ihre Locken Schrecken hauchen.
Über Apos greisem Haupte
Die zwei Nachtigallen schweben,
Ihre Klage laut erheben.
Und als sie sich auf der Stirne
Von Biondetten niedersenken,
Scheuchet sie die freche Dirne
Und so groß ist das Erschrecken,
Wie sie so verwandelt sei,
Daß nicht Achtung konnt erwecken
Rosablankens Hilfsgeschrei,
Sinnlos sank zur Erde hin,
Als er sah, Biondette schreite
Her wie eine Sünderin.
Und sie legt die Totenkrone
„Helft, o helft, zu Jacopone
Mir den kranken Jüngling tragen!“ –
„Dahin ist nicht durchzudringen,
Alles füllt der rege Zug,
Ist es Hilfe schon genug.“
Pietro nun mit Rosablanken
Machen sich im Volke Raum,
Und er trägt den stillen Kranken
Doch es mehrt sich die Verwirrung,
Und es steiget auf den Wagen
Nun der Konsul, dieser Irrung
Ersten Anlaß zu erfragen.
Sieht er Apo und Biondetten,
Rings in wogendem Gedränge,
Vor dem Pöbel kaum zu retten.
Und er rufet: „Stille! Stille!
Endlich sieget dann sein Wille,
Und er spricht mit strengem Blick:
„Wer hat unsern Zug zerrissen?
Vor uns ruht des Todes Friede,
Und die Seele ist geschieden.
Und ich seh am Arm des Weisen
Hier mit unverschämter Stirne
Unser frommes Fest zerreißen
Welch ein Blick, von dieser Leiche
Zu dem frechen Weib getragen!
Brücke zu des Teufels Reiche
Aus des Himmels Tor geschlagen!
Bist in Wahnsinn du gefallen?
Trittst du so einher zum Hohne
Dir alleinig, oder allen?“
Und Apone ihm erwidert:
Rede, die mich hier erniedert,
Ist nicht ziemlich dir und löblich.
Ich bin dir nicht untergeben,
Ich bin kein Vasall des Staates,
Als der Rektor des Senates?
Und vor allem mußt du wissen,
Daß ich, von des Volkes Menge
Wider Willen fortgerissen,
Könnt man doch nicht prächtger trauern,
Wär die Republik gestorben,
Die sich in Bolognas Mauern
Wechselfiebernd hat verdorben.
Rufen, mit der Zunge Erz,
Gen die Einsamkeit empörte
Sich im Busen mir das Herz.
Und ich glaubte, man bereite
Weil sie ausgesagt, sie kleide
Heut sich in den Nonnenschleier.
Und so führte ich hier nieder
Meine Freundin von der Zelle,
Euch, was sie beschloß, erhelle.
Doch die Zeit scheint nicht gelegen,
Alles fühlt des Todes Schauer,
Und ich seh auf allen Wegen
Zieht die Republik zu Grabe
Hier auf unserm Heereswagen,
Tiefer Leid könnt man nicht tragen,
Als ich hier gesehen habe.
Tut euch recht zu leben not,
Denn galanter ist zu schauen
Als das Leben euer Tod.
Zu dem Wagen, der vor Jahren
In Triumph herangefahren,
Kann sich nun ein jeder melden.
Ists erhört, in die Monstranzen,
Wo nur wohnt das Sakrament,
Die im Schauspielhaus verbrennt?
Lambertazzi, Gieremeen,
Wo ist unsrer Ehre Schutz,
Wenn die Staatesflaggen wehen
Rühret euch, ihr tapfern Schläger!
Von dem Wagen mit dem Weib!
Mag der falsche Achselträger
Selbst begraben ihren Leib!“
Er des Hasses stille Glut;
Allen, die um ihn getreten,
Wallet zürnend auf das Blut.
Und die feindlichen Parteien,
Mit verbissnem Maledeien
Stehn zum Ausbruch angespannt.
In dem Lärm steht unbeweget
Jacopone; wie ein Felsen
Wenn sich Stürme um ihn wälzen.
Doch es wird ihm aufgetragen
Von dem Konsul nun, zu reden,
Und so ist er auf den Wagen
Doch der Schmerz ihn so durchdringet,
Daß er sich muß niedersetzen;
Alle rings sein Leid bezwinget,
Keiner wagt ihn zu verletzen.
Sah mit wild gehobnen Armen
Er das dichte Volk durchbrechen
Seine Freunde, alle Armen.
Und sie schrien mit lauter Stimme:
Bringet trotz des Toren Grimme
Unsre Mutter jetzt zur Ruh!“
Um den Wagen mit den Kindern
Klaget Agnus castus laut:
Einer himmlisch reinen Braut!“
Und das Volk zu beiden Seiten
Treibt die Stiere mächtig an,
Und indem sie vorwärts schreiten,
Daß sich Apo still entferne,
Läßt der Rektor ihn ermahnen,
Und der Schergen Morgensterne
Müssen ihm den Weg schier bahnen,
Die ihn nun mit Biondetten
Eng mit ihrem Kreis umwinden
Und aus dem Gedränge retten.
Doch es ist das Volk geteilet,
Der hin zu dem Rathaus eilet;
Andre sich dem Zug vermengen.
Beide könnte ich geleiten;
Doch ich gehe zu der Linde,
Rosablanken trauernd finde.
Pietro aber steht am Bronnen,
Und von Eifersucht durchpeint,
Fühlt er nicht den Strahl der Sonne,
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