Romanzen vom Rosenkranz/Romanze XIX: Moles in Biondettens Leiche
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Moles in Biondettens Leiche
Triumphiert, ihr guten Geister,
Es zerbrach der falsche Thron!
Apo, dem verfluchten Meister,
Sind die Diener all entflohn.
Auf im Ost dein frühes Rot!
Über dieser Jungfrau Leiche
Schimmre lieblich hin der Tod!
In des Morgenlichtes Streifen
Selig durch die Rosen schweifen,
Mit den Segeln purpurrot.
Rosarosa, still geneiget,
Führt das Steuer treu und fromm,
Daß sie auch zum Heile komm.
Jene keusch den Mantel breitet
Um der Schwester Seele bloß;
Freudig nun der Kahn hingleitet
Zu des Traumes Insel streichet[1]
Ihre Fahrt, zum stillen Mond,
Den in Sonn und Tränen bleichend
Die unschuldge Schuld bewohnt.
Die der Tod ums Licht betrog;
Auf dem Totenkränzlein scheinen
Morgens ihre Tränen noch.
Ungetaufet sie verweilen
Und die Tränentauf erteilen
Tauend sie dem Blumenflor.
Rosarosa lehrt die Kleinen,
Die auf Erden sie verlor,
Führerin in diesem Chor.
Bis die Rosen sind befreiet
Aus ererbter Sünde Not,
Bis zum Kranze sie gereihet
Singet Jungfraun, Kindlein weinet
An dem goldnen Himmelstor,
Bald Maria euch erscheinet
Mit der Engel selgem Chor.
Taucht die Sonne jetzt empor,
Hüllet dann sich, um zu weinen,
In der grauen Wolken Flor.
Und ein dichter Nebelschleier
Zu des Tages Totenfeier
Traurend tief herniederrollt.
Wie ein Trauerhaus bekleidet,
Steht umwölkt das Himmelstor;
Bleich der junge Tag hervor.
Asche auf die Hügel streuend
Wandelt hin der Göttersohn,
Und Aurora weint bereuend,
Und sie spricht: „Aus schweren Träumen
Aufgeschrecket muß ich schon
Dir mit blutgem Purpur säumen
Deiner Trauer trüben Thron.
Über Schlaf und über Tod,
War mein Lager heut bereitet
Unter böser Träume Not.
Boten auf und nieder steigen
Sah ich zu des Abgrunds Reichen,
Wo die Brut des Fluches wohnt.
Einen hört ich freuig schreien,
Der etwas verkünden wollt,
Blätter, deren Schrift von Gold.
Dann in wunderbaren Weisen
Sang er stammelnd Gottes Lob,
Der zu höhern Lichtes Kreisen,
Er verschwand mit Benedeien,
Und zum Grund vom blauen Dom
Zog hinab mit Maledeien
Ein gespenstisches Phantom.
Sah ich unter Fluch und Spott
Sein Kamel zum Abgrund treiben
Den verbuhlten Sarabot.
Und er riß vorüber schleichend
Und ich harrte weinend, schweigend
Dein, mein lichter Freudensohn!“
Also sang Aurora leise,
Während still der Tag aufzog,
Das ihr lichter Sohn durchflog.
Aber auf dem Turm alleine
Harret Apo zornestoll;
Daß ihm Moles nicht erscheine,
Es erkaltet schon die Leiche,
Deren Herz noch blutend quoll,
Und die Wangen schon erbleichen
Und die Lippe rosenvoll.
Ihr auf Augen, Brust und Schoß,
Um ihr Blut zurückzutreiben
Durch geheimer Kräfte Stoß.
Nieder reißt er ihre Kleider;
Doch ihr Leichnam nackt und heiter
Ist geheiligt in dem Tod.
Rosarosens Gurt von Eisen
Schützet Lende ihr und Schoß;
Doch er zwinget ihn nicht los.
Und mit allen seinen Feilen
Kann mit Mühe er und Not
Den Bußgürtel nicht zerteilen,
Nun zum Keller niedersteiget
Apo, wo am feuchten Ort
Springwurz, die jed Schloß erweichet,
Ruhet, daß sie nicht verdorrt.
Sieht er selbst sich oben schon,
Und er spricht: „Laß deine Streiche,
Moles, was soll dieser Hohn?
Hund, du sollst als Hund erscheinen;
Willst du, daß zu deinen Peinen
Ich die Glocke schlagen soll?
Wo bist du so lang verweilet?“ –
„Herr, ich tat, was ich gesollt,
Drum nicht also schmähen wollt!
Einem Kranken Hilfe reichend,
Dessen Heil uns schwer bedroht,
Gab ich Gift, das zäh und schleichend
Böse Frucht sah ich uns reifen;
Wo ich war, da war man fromm,
Und da muß man seltsam greifen,
Daß man zu dem Pulse komm.
Kam ich doch ums Gastgebot
Meiner anverwandten Geister;
Mir tut auch Zerstreuung not.
Wunderbare Neuigkeiten
Wenn wir nicht zum Flicken schreiten,
Kriegt der Sack ein böses Loch.“
Doch Apone spricht: „Jetzt schweige!
Eins nur mildert meinen Groll:
Auf die Beine bringen soll?“
Moles spricht: „Des Gürtels Eisen
Hindert deine Wünsche bloß,
Kannst du ihn herniederreißen,
Ich schmeck was von Heiligkeiten,
Drum laß ich die Hand davon.
Du mußt selbst das Schloß bestreiten,
Daß der Schatz dir wird zum Lohn!“
An des Gürtels heilig Schloß;
Nimmer doch den Gurt zerreißt er,
Und er flucht, und sein Genoß.
Moles spricht: „Hier hilft nur Schneiden!
Und wir schicken Heimlichkeiten
Als Reliquien nach Rom.“
Apo spricht: „Hinüberschleiche,
Wo die Jungfrau hat gewohnt,
Daß ihr Leib mir bleibt verschont!“
„Ei, dies mag dir leicht wohl scheinen!“
Sagt der Hund, „bedenke doch,
Was die Frau dazu wird meinen,
Gehe selbst, mein kluger Meister,
Du vielleicht trägst ihn davon,
Doch wir andern jüdschen Geister
Feiern jetzt den Sabbat schon.“
Spricht der Hund: „Verdammter Spott,
Nicht zum Manne, nicht zum Weibe,
Hast du mich erschaffen, Gott!
Diese Puppe zu zerreißen,
Und sieht das geweihte Eisen
Wie die Kuh das neue Tor.
Mensch, um zweie nur beneidet
Dich der Teufel: um den Tod
Als sie dir den Apfel bot.
Als du ihn mit ihr geteilet,
Warfst du ab des Lebens Joch;
Mir, der ewig sich langweilet,
Allen Quark muß ich beneiden
Und bin allen Quarkes Gott;
Spott ich Gottes Herrlichkeiten,
Tödlich wird mir nie der Spott.
Gehn sie alle auf ein Lot;
Das unendliche Verzeihen
Hilft dem Herrn aus aller Not.
Als ich in der Wüst allein
Macht er aus dem dummen Steine
Mir zulieb nicht einmal Brot.
Ohne Freude muß ich teuflen,
Und mein Werk wird all zu Kot,
Und erzweifle nie den Tod!
Was ich mühsam hab geleimet,
Ist und bleibt ein schlechter Klotz,
Und in jedem Kraute keimet
Nichts kann ich zu Ende treiben,
Ach, ein Ende wär ein Lohn!
Das Unendliche vertreiben
Kann nicht all mein Spott und Hohn.
Null ist mir wie Million,
Wer den Knoten könnt zerschneiden:
Sohn ist Vater, Vater Sohn!
Arm, blutarm bin ich ein Teufel,
Bös erzeuget von dem Zweifel
In der Lüge dunklem Schoß.
Treibe ewge Affereien,
Ohne Freude, ohne Zorn,
Und mich schmerzen kann kein Dorn.
Elende Quacksalbereien,
Wort zum Fleisch und Fleisch zum Wort,
Hänseleien, sieben Weihen,
Hab ich mich wo eingefleischet,
Brauchts vom Kreuz ein Stückchen Holz,
Und der Teufel flieht und kreischet
Wie ein Hund vor Pfeil und Bolz.
Hör ich auf der Treppe schon;
Munter, Moles, treib es weiter,
Bett dich, wie des Menschen Sohn!
Sieh einmal zum Zeitvertreibe,
Und dem mürrschen Apo bleibe
Doch der Pudel, der ihm front!“
Und der Geist, der stets entzweite,
Treibet einen Höllensproß,
Sich der Zweig und reißt sich los.
Und sie machen Höflichkeiten,
Wer das Weib besitzen soll,
Ja, beginnen schier zu streiten,
„Vater bin ich,“ schreit der eine,
„Mir gebührt des Lebens Thron!“
„Nein, das Fleisch, es ist das meine,“
Spricht der andre, „ich bin Sohn!
Wäre der uns nicht entflohn,
Daß er uns Entscheidung leiste,
Dann wär uns geholfen schon.
Einig sind Dreieinigkeiten,
Zweie sind Zweideutigkeiten,
Zote nur gebiert der Hohn.“
„Wechseln wollen wir zuzeiten,“
Spricht der Hohn nun zu dem Spott,
Treiben beide wir gen Gott.“
Und der Spott dringt in die Leiche,
Und es hilft ihm frech der Hohn,
Daß er in die Wunde schleiche,
Apo kehrt und spricht: „Es scheinen
Menschen in dem Hause noch,
Eine Stimme hört ich weinen
Und sah Licht durchs Schlüsselloch.“
Auf und nicket mit dem Kopf;
Als sie ihm die Hand will reichen,
Bebet Apo wie ein Tropf.
Moles spricht: „Empfang, Hochzeiter,
Sieh, dein Glückstern scheinet heiter,
Führe deine Braut davon!
Eine Unschuld sondergleichen,
Ohne Hemdlein, nackt und bloß,
Wie sie stieg aus Adams Schoß.
Fräulein, ich seh von dem Pfeile
Amors euer Herz durchbohrt!
Daß er euch die Wunde heile,
Alles ist nicht Gold, was gleißet;
Wenn der Herzensrose Gold
Eure Wunde gleich zerreißet,
Seid ihr drum nicht minder hold.“
Sage, wie du sie erhobst,
Welchen Geist der schönen Leiche
Du belebend unterschobst?“
Und der frechste aller Geister
Fiat heißts beim großen Meister,
Pfui heißts in unserm Chor.
Willig hat sie sich bezeiget,
Etwas blöde freilich noch;
Pocht im Herzen laut und hoch.
Brechet erst dies züchtge Schweigen;
Durch des Treurings rotes Gold
Läßt sie sich vielleicht erweichen,
Die Kleinode laß erscheinen,
Gut erworben hier und dort;
Durch Kleinode kommt der Kleinen
Bald das lustge Fleisch zu Wort!“
Und von goldnen Ringen voll
Bringt der Meister, daraus einen
Sich die Braut erwählen soll.
Gierig nun den Schatz durchschweifet
Heftig zuckt die Hand und greifet
Einen Siegelring von Gold.
Und als wollt sie ihn zerbeißen,
Zuckt sie ihn zum Mund empor,
Doch verschlang sie ihn zuvor.
Und nun spricht sie: „Herr, die, Deine
Bin ich nun, wie du gewollt:
Vor dem Volke und alleine
Dieses Ringlein auf der Reise
König Pharao verlor,
In dem Roten Meer zur Speise
Sichs ein geizger Hecht erkor.
Setzt der Koch den Fisch einst vor;
Als er wollt den Hecht verspeisen,
Kam das Ringlein blank hervor.
In dem Bette seiner Weiber
Ein ägyptscher Eselstreiber
Trug es dann als süßen Lohn.
Dems der freche Papageie
Der Herodias entzog,
Fand sie es in seinem Trog.
Bei der blutgen Weihnachtsfeier,
Bei der Kindlein lustgem Mord,
Daß er tanz nach ihrer Leier,
Und das Ringlein war ihm teuer,
Es besiegelte sein Wort;
Doch es lief ein ungetreuer
Diener mit dem Ring ihm fort.
Keinem hat er noch gefrommt,
Außer dir, mein Herr Hochzeiter,
Dessen Braut er wohl bekommt.
Meines Leibes bist du Meister
Leider zwingen alle Geister
Diese Last mir nimmer los!
Könnt ich dir den Schlüssel reichen,
Wär ich deiner Lust Genoß;
Mir gehöret nur das Schloß.
Alles geb ich, nur verweigern
Muß ich dir den Schlüssel bloß,
Deine Kunst, kannst du sie steigern,
Ich will offen dich begleiten,
Nach Belieben, wann und wo;
Alle sollen dich beneiden;
Werde dieses Neides froh!
Sag ich auf dem Markt mich los;
Lügen müssen wir verbreiten,
Wie ich ward dein Hausgenoß.
Wie ich in Melancholeien
Wie, die Kranken zu zerstreuen,
Mein Gesang dir diene oft.
Wie die Kunst der Arzeneien
Ich von dir erlernen soll,
Weil wir eines Gottes voll.
Dieses, jenes, und so weiter
Lüge nur, man glaubt es schon,
Denn du bist ein Teil gescheiter,
Deine Magd kann ich erscheinen,
Wie es deinen Lüsten frommt;
Nur nicht lachen und nicht weinen,
Weil dies von der Seele kommt.
Oder auf der Erde bloß
Ruhn an deines Bettes Seiten,
Oder sitzen dir im Schoß?
Ob ich auf dem Draht, dem Seile,
Ob ich dir zur kurzen Weile
Buhlerliedlein singen soll?
Deinen Blicken, Fingerzeigen
Folget deine Dienrin schon,
Ist es mir ein süßer Lohn.
Vor der Welt nach alter Weise
Nenne mich Biondette noch;
Älia Lälia Crispis heiße[2]
Denn in mir von diesen Dreien
Brennet der gedrillte Docht,
Um die einst in Buhlereien
Mancher römsche Bürger focht.
Das gezwirnte Kunstphantom,
Und wie sie will ich nicht schreien,
Küssest du gleich wie ganz Rom.
Will dir mein Besitz verleiden,
Kann dich wieder von mir scheiden
Klein ein Splitter Kreuzesholz.
Aber an dem Jungfernleibe,
Den ich dir zur Lust bewohn,
Zeig jetzt deine Kunst, Patron!“
Und mit Blut zwei Sprüche schreibet
Apo ihr nun hinters Ohr,
Unter ihre Achseln reibet
Lüstern die besessne Leiche
Küsset nun der alte Tor,
Moles spielet auf der Geige
Ein vermaledeites Chor.
Tanzet, wie der trunkne Lot,
Mit der Braut er einen Schleifer
In fatalem Teufelstrott.
Älia Lälia Crispis schreiet
Und Biondettens Kehl entweihet
Eines frechen Liedes Hohn.
Dies gefällt nicht ganz dem Meister,
Und er spricht: „Verschon mein Ohr!“
Singen sie den Hochzeitschor.
„Denn du sollst Biondette scheinen,
Die zum Freunde ich erkor,
Und die Stadt soll sie beweinen,
Alle sollen mich verschreien,
Und um Silber und um Gold
Will ich ihren Festen leihen
Meine Freundin süß und hold!“
Lieb ich gleich nicht jenen Ton,
Freut sich gleich des frechen Schreies
Mehr ein freier Musensohn,
Lieb ich lügend doch zu gleißen;
Dir in schiefen Weisen preisen,
Mir zum Lobe, ihm zum Spott!
Mit gedrehten Schlangenhäuten
Lasse mir von Apfelholz
Ich bin auf dergleichen stolz.
Ich will die Akkorde greifen,
Daß du mich gewißlich lobst,
Daß der Weiber Augen greifen
Und die Männer werden eilen,
Den verrufnen Apfel rot
Mit den Even schnell zu teilen,
Und sie essen sich den Tod!“
„Eine Harfe ist besorgt,
Der galanteste der Geister
Hat die seine mir geborgt.
Ist sie gleich ein bißchen heischer,
Wird die Sängerin erst keuscher,
Wird sie besser stimmen schon.
Aber jetzt, ihr Hochzeitsleute,
Machet mich nicht länger rot!
Zu studieren noch sehr not!
Denk, wie du vor kurzen Zeiten
Sahst in meinem Horoskop,
Wie die Rose gen uns beide
Uns entzogen hat die eine
Rosarosens selger Tod,
Diese hier ist jetzt die Deine,
Und sie bringt uns keine Not.
Ist das böse Kleeblatt voll,
Dem ich einst mit dir vereinet
Tragisch unterliegen soll.
Schnell mein Meister, ohn Verweilen!
Muß das Buch uns Rat erteilen,
Suche hinten, ich such vorn!“
Im Register steht verzeichnet:
Rose golden, weiß und rot,
Bringen böse Kunst in Not.
Auf der angeführten Seite
Stehet: Suche Jericho!
Jericho nun suchen beide,
Und Apone denkt, wie heute
Er das Buch durchs Fenster schob,
Wie der Wind da, Seit auf Seite
Wälzend, in dem Buch getobt.
„Als mir Samael entfloh,
Dacht ich: Ach, mein Buch zerreißt er!
Denn es tönte wahrlich so.“
Moles spricht: „Am Wald hinreisend
Samael in Freuden kreisend,
Weil der Herr ihn hat belohnt.
Und ich sah ihn Blätter streuen
Unter hellem Gottes Lob,
Weil er sich zum Licht erhob.
Das sind böse Neuigkeiten,
Dumm hast dus gemacht, Patron,
Du mußt jetzt im Dunkel schreiten,
Und sie fangen an zu streiten,
Wechseln harter Worte Zorn,
Älia Lälia Crispis beiden
Schärfet noch des Grimmes Dorn.
Der geweihten Glocke Ton;
Jacopone zubereitet
Seine Leichenfeier schon.
Älia spricht jetzt: „Schnell mich kleide
Hülle mich in Samt und Seide,
Meine Haare üppig lock!
Schütte alle dein Geschmeide
Über meinen Busen bloß,
Dir zur Seite leicht und los!
Und dein Kummer wird zur Freude,
Es versinkt dein grimmer Zorn
In dem allgemeinen Neide,
Lächelnd kräuselt ihr der Meister
Nun das Haar in frei Gelock,
Und der hündischste der Geister
Schürzet ihr den Purpurrock.
Gleich der Hure Babylon,
Und sie singet Schändlichkeiten
Ihnen vor im frechen Ton.
Sodomitsche Blumenzweige
Und nun führt die falsche Leiche
Apo aus des Turmes Tor.
Wer sie sieht, steht wie versteinert,
Oder mehret ihr Gefolg;
Kennt in ihr den Höllenmolch.
Und mit bangem Finger zeiget
Jeder Vater sie dem Sohn,
Und von Mund zu Munde streichet:
Alle, die sie einst beneidet,
Weil sie kunstreich, schön und fromm,
Glauben, wo sie hin nur schreitet,
Daß die irdsche Venus komm.
Jedem Buben scheint sie eigen,
Ich erschrecke und muß schweigen.
Anmerkungen des Herausgebers
- ↑ [404] Rosarosas und Biondettens Seelen sollen erst in den Himmel eingehen, wenn die Sühne vollendet ist; solange verweilen sie auf der Insel der unschuldig Schuldigen, wo die Seelen der Kinder wohnen, die ohne Taufe sterben.
- ↑ [404] In Bologna befand sich – nach Malvasia Marmora Felsina, Bologna 1690 – am Hause des Senators Volta folgende Inschrift:
Aelia Laelia Crispis
Nec vir, nec mulier, nec androgyna
Nec puella, nec juvenis, nec anus
Nec casta, nec meretrix, nec pudica
sed omnia
Sublata
Neque fame, neque ferro, neque veneno
sed omnibus
Nec coelo, nec aquis, nec terris
sed ubique jacet
Lucius Agatho Priscus
Nec maritus, nec amator, nec necessarius
Neque moerens, neque gaudens, neque flens
Hanc
Nec molem, nec pyramidem, nec sepulcrum
sed omnia
Scit et nescit cui posuerit.Moles in der belebten Leiche Biondettens, die nur zu sein scheint, was sie nicht ist, will sich in trauten Stunden von Apo Aelia Laelia Crispis nennen lassen, wodurch [405] der höhnische Teufel ihm zu verstehen gibt, daß er mit einem Phantom gefoppt sei. In Bologna ging außerdem die Sage, ein Zauberer habe eine Zitherspielerin nach ihrem Tode künstlich belebt und auftreten lassen. Diesen Mißbrauch rät Moles Apo an, mit Biondettens Leiche zu treiben, wobei diese das Rätsel Aelia Laelia Crispis aufgeben sollte. Über dieses Rätsel enthält der Notizenfaszikel des Dichters in der Berliner Bibliothek ein gedrucktes Blatt, anscheinend aus einem Buche gerissen, aus dem 17. Jahrhundert stammend: „Von der geheimnisvollen Grabschrift Aelia Laelia Crispis“, das die Quelle Brentanos war. Der unbekannte Autor sagt unter wörtlicher Anführung der Inschrift, daß sich schon mancher den Kopf darüber zerbrochen habe und schließt: „In der That finde ich gar nicht schwer zu seyn, etwan dergleichen zu verfassen, dann weder der Verstand noch die gesunde Vernunft weder ein prächtiger Gedanken darinnen begriffen ist, deswegen kann man auch urtheilen, daß der Author dieser Grabschrift ein sonderlicher wie oder wann muß gewesen sein, indem er sich auch über das Zukünftige auf die Unkosten anderer Leute fröhlich gemacht.“ Diese Auffassung war offenbar auch die Brentanos, dem sie ganz in den Charakter seines Moles paßte, der Apo zwar zu viel Unheil verführte, ihn aber eigentlich zum Narren hielt.
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