Romanzen vom Rosenkranz/Romanze XVIII: Biondetta ersticht sich
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Biondetta ersticht sich
„Apo, Apo, laß mich ein!“[1]
Rufet aus des Turmes Grunde
Samael, der Herr der Stunde,
Zwölfmal aus kristallnem Munde.
Steigt Apone ohne Ruhe;
Weil der König ihn besuchet,
Muß sein Haus geordnet sein;
Seine Kammer macht er rein.
Aller Sprachen Vaterunser,
Lagen da seit seiner Jugend.
Zu den Stufen all hinunter
Stürzet er die heilgen Kunden,
Wie zum Brunnen plumpt der Stein.
Alles muß er tun allein,
Und er tut es unter Fluchen,
Daß der untertänge Pudel,
Daß der Hund im Doktorhute
Seine Kranken jetzt besuchet!
Doch die Not erhält ihn munter
Und des Geistes lautes Schrein.
Frauenwurz wohl vier Gebunde,
Totenblume, Hundeszunge
Legt er zierlich in die Runde.
Männlein klein von Alraunwurzel,
Von dem schwer verfluchten Hunde,
Setzt als Wächter er dabei.
Und ein Basiliskenei,
Kinderfinger, einzutunken,
Muß bei diesem Mahle prunken.
Seinen Dolch befleckt mit Blute
Stößt er in die mitte Stube;
An dem Hefte der Karfunkel
„Apo, Apo, laß mich ein!“
Rufet aus des Turmes Grunde
Samael, der Herr der Stunde,
Zwölfmal aus metallnem Munde.
Das ihm Moles aufgefunden:
„Wo verberg ich es jetzunder
Vor dem scharfen, hellen Geist?“
Von dem Pulte er es reißt,
Steckt er es hinaus zum Turme
Durch der Kuppel offne Luke,
Daß die Blätter, in dem Sturme
Hin und her geweht, die Wunder
In dem klaren Sternenschein.
Das könnt ihm verderblich sein;
Doch sie drehen sich so munter,
Eines geht im andern unter,
Und der Geist, emporgerufen,
Schwebet leuchtend auf den Stufen,
Und des Turmes Wände funkeln,
Wo sein Silberfittig streift.
Dann der Geist und spricht: „Gelungen
Ists dir, Apo, aufzuputzen
Deine Stube zum Besuche!“
An dem golden Weberstuhle
Treibt er hin durch hell und dunkel,
Webt des Geistes Flügel ein.
„Samael, ich webe fein,“
Spricht er, „nun erst ists gelungen,
Nun entflieht mir nicht die Stunde!“ –
Listig hast du mich bezwungen,“
Spricht der Geist und nimmt die Spule,
„Web ich alles dir zum Wunsche,
„Webe bis zum Hahnenschrei!
Ist dir dann das Werk gelungen,
Ist Biondetten mir errungen,
Dann sei Freiheit dir bedungen!“ –
Spricht der Geist, „du mußt verstummen!
Auf die Spule sieh, und tue,
Was dir mein Gewebe zeigt!“
Apo blicket scharf und schweigt.
Flammend hin und her die Spule,
Seine Sinne gehen unter.
Dunkler bald, bald wieder bunter
Woget er in Traumes Wunder,
Und er glaubet sich allein.
Sieh! Da springt mit blutgem Schein
Feuerschrift aus dunklem Grunde,
Und die Lettern laufen munter
Und Apone liest verwundert:
„Fest ist dieser Jungfrau Tugend!
An die Sünde angebunden
Sie wird uns verderblich sein.
Nur in Blutschuld geht sie unter,
Wenn ein Mann aus ihrem Blute,
Den sie liebt, im Arm ihr ruhte!“
Also las er, und ins Dunkel
Schnell greift Apo nun zum Kruge,
Voll von giftgem Zauberwein.
Gießt ein Philtrum noch hinein,
Reißt den Dolch dann aus dem Grunde,
In das Gift ihn tief eintunkend.
Und erinnernd sich des Spruches,
Den er las am Weberstuhle,
Spricht er: „Was auch webt die Spule,
Hat den Jüngling sie allein
An der Türe ruhnd gefunden,
Den ich eile zu verwunden,
Trägt sie ihn gewiß zur Stube!
Und verbindend seine Wunde,
Bleiben von dem giftgen Blute
Ihre Hände nimmer rein,
Und sie wird bezaubert mein!
Bleibt mir ihres Leibes Blume,
Die ich selber will entwurzeln.
Las ich doch in meinem Buche,
Daß ich ihres Vaters Bruder;
Sei die Lust der Blutschuld mein!“
Und er folgt dem Feuerschein,
Der noch auf den hundert Stufen
Von des Geistes Flügeln funkelt,
Er umgeht das Bild des Brunnens;
Venus dominiert zur Stunde,
Und Maria tut kein Wunder
Freitag nachts im Mondenschein.
In den Mantel eingewunden,
Sieht er seinen Nebenbuhler
Und versetzt ihm Todeswunden.
Als Meliore hingesunken
Eilt Apone zu dem Turme.
Tat ers, war es Zauberei?
Daß er jetzt ein Mörder sei,
Hat er schwerer nicht empfunden,
Und hinan die hundert Stufen.
In der Kammer sitzt er dunkel;
An dem Dolche den Karfunkel
Traf ein Tropfen von dem Blute,
„Mag sie nun zu Hause sein?
Ihre Türe hat geklungen!“
Und er blicket von dem Turme
Seufzend nach Biondettens Stube.
Mondeskühle hingesunken,
Einsam, nächtlich von dem Turme
Nur der Totenvogel schreit.
Da springt aus der stillen Zeit
Kerzenhell ist ihre Stube;
Apo sieht das Liebeswunder.
Auf ihr Lager hingesunken
Liegt Meliore, heiß umschlungen
„Wehe, wehe!“ schreit der Geist,
„Des Gewebes Faden reißt!“
Schreit der Geist am Weberstuhle
Und lebendig schießt die Spule,
„Mußt du Tölpel auch da fluchen,
Da die Arbeit schier gelungen!
Rückwärts fliegt die freie Spule,
Meine Flügel werden frei!“ –
Spricht nun Apo, „wie bedungen!“
Und er hat sich losgerungen
Und gen Morgen hingeschwungen.
Und hineilend durch die Luke,
Aus dem sturmdurchwehten Buche
Wohl der goldnen Blätter drei.
Dann mit einem Jubelschrei
Macht er um den Turm die Runde,
Nieder dann ins nächtge Dunkel.
„Soll der Mord mir nun nicht fruchten?
Bleibt Biondette unerrungen?“
Klagt der Meister, und im Turme
„Apo zählet eins bis drei:
„Wohl, die dreimal fünf Minuten
Sind mir andre noch gebunden,
Ist der Weber gleich verschwunden.“
Er die giftig grüne Kugel,
Öffnet sie. Ach! nackend ruhet
Drin ein wächsern Jungfräulein.
Goldner Haare süßer Schein
Türkis sind die Äuglein funkelnd,
Ein Rubin lacht auf dem Munde.
Recht für Engel ein Puppe!
Zwei Rubinen trägt der Busen,
Ist ein goldnes Röselein.
Einen roten Faden fein
Schlingt ihm Apo um den runden
Hals und stellt das kleine Wunder
Und er betet still mit Murren
In des Zirkels mächtger Runde,
Zieht mit bösen Bannes Zuge
Fremde Gäste in den Kreis.
Zieht daher, mit fremdem Schmucke,
Stolz auf des Kameles Buckel,
Sarabot, mit seinem Zuge.
Ihm folgt eine Blume, duftend,
Dann, wie Sterne rein und funkelnd,
Nackt ein freundlich Geisterweib.
Klar, kristallen scheint ihr Leib;
Aus der Locken tiefem Dunkel
Kalt und lachend und betrunken.
Wie der Zug um Apo rundet,
Spricht zu ihm der König murrend:
„Trocken ist mir meine Zunge,
Und von dem Kamele steigt
Zürnend er, und mit dem Fuße
Stampft er, daß der Turm im Grunde
Schwanket wie ein Schiff im Sturme.
Beugt sich in des Zirkels Runde
Apo, dunkle Worte summend,
Bis das Schwanken ging vorbei.
Und mit einem lauten Schrei
Fragt die Taube nach dem Trunke,
Sprach: „Mich dürstet!“ auch die Blume.
Und Apone sprach ermutet:
„Besser wär es, wenn ihr ruhtet,
Kann der Trunk euch schädlich sein.
Saget erst, nach welchem Wein
Also heftig euch gelustet,
Daß ihr also schreien mußtet?“
„Warum hast du, böser Bube,“
Spricht der König, „mich gerufen,
Da in wenigen Minuten
Schon mein kurzes Reich vorbei?“
Bringet Apo sie zur Ruhe,
Und die Taube, schnabelzuckend,
Pickt die Schale schnell hinunter.
Sarabot das Weiße schlucket,
Reicht er, nebst dem Hahnenpunkte,
Hin dem klaren Geisterweib.
Und daß nicht vergessen bleib
Auch die Zauberblume duftend,
Über sie gleich einem Hute.
Apo spricht: „Es fehlt am Trunke;
Ach! ein Fäßlein süßen Blutes
Hatt ich halb heraufgewunden,
Mir hat Samael, der Geist,
Nicht gehalten, was bedungen,
Hat sich los von mir gerungen
Und gen Morgen hingeschwungen!“
Fragt der König. „Herr, er ruhet
Unter jenem kühlen Brunnen,
Wo die Sabbatgöttin weilt.
Wollt ihr trinken, o so eilt,
Da der Venusstern noch funkelt
Bis zur mitternächtgen Stunde.
Da ich wußte, was euch munde,
Hängt ich würzend zu dem Spunde
Schwefelglühend, erst hinein!“ –
„Wohl, ich sorge für den Wein!“
Spricht der König. „Munter, munter
Sei der Strick hinabgewunden
Doch es will das Weib nicht ruhen,
Weil der König heftig rupfet;
Apo gibt ihr drum die Puppe,
Daß sie spielend sich zerstreu.
Aus dem Kelch der Zauberblume
Machet sie dem Kindlein Schuhe,
Küßt sie, drückt sie an den Busen.
Doch es glänzt ihr zum Verdrusse
Und sie riß es gern herunter,
Jenes goldne Röselein.
Und sie drückt das Herz ihm ein
Mit des Fingers hartem Drucke.
Dient dem Geiste sie zur Kunkel.
Und aus ihren Locken munter
Dreht den Faden er, hinunter
Trägt die Taube ihn die Stufen
Dem Kamele an ein Bein
Wird der Faden angebunden,
Und dies macht so lang die Runde,
Bis der Faden aufgewunden.
Geb ich dir zum Eigentume
Des Getränkes schönen Brunnen!“
Spricht der König und erbleicht.
Denn schon durch die Kammer streicht
Schon der Hammer in dem Turme,
Drohend mit der zwölften Stunde.
Doch es schaukelt mit der Puppe,
Daß gewieget sie entschlummre,
Jetzt das klare Geisterweib:
„Hast du gleich kein Herz im Leib,
Hast du doch zwei ganze Schuhe.
Schlummre, schlummre, ruhe, ruhe,
All die Bienlein, die gesummet
Zu den wunderlichen Blumen,
Belladonna, Frauenschuhe,
Um zu bilden deinen Leib,
In die lustge Rockenstube,
Wo die schlanken Wasserjungfern
Drüben bei dem grünen Sumpfe
An des Storches rotem Strumpfe
Hundert kunterbunte Wunder,
Von dem Meister Langebein.
Wie er holt die Kindlein klein
Aus dem milchgefüllten Brunnen,
An dem Rock stets tät zu kurze
Und ihm aus dem blauen Schurze
Nimmer ganz die Mütze rundet;
Von des Eichhorns lustgem Sturze
Da sein Schatz im Mondenschein
Wollte lugen in den Brunnen,
Ob sie sehe ihres Buhlen
Abbild in der Wassergrube,
Tät er bücken sich und ducken,
Fiel und mußte Wasser schlucken.
Ei, wie lief das Jungfräulein!
Schlaf, mein Püppchen, schlafe ein!
Und das Heimchen grillt im Dunkel
Nun das Märchen von dem Funken,
Der der Köchin, die betrunken
Schlief, eh sie ihr Lied gesungen,
Und verbrennet ihr den Leib,
Daß sie ward gleich einem Weib;
Und wie aus dem falschen Kruge
Für den Schwulst sie Salbe suchte,
Wider Will den Ritt versuchte
Zu der klugen Frauen Runde,
Wo die Hausfrau sie gefunden,
Tanzend um den Bock den Reihn.
Fiel sie durch den Schlot herunter;
Morgens saß sie ganz berußet
In der heißen Aschengruben;
Und die Schornsteinfegerbuben
Schwatzte heut mit dir dein Buhle,
Doch sein Besen fegt nicht rein!“
„Mutter, es soll Wahrheit sein!“
Sprach sogleich ein schwarzer Junge,
Aus der Schürze kam gesprungen!
Schlummre, süßes Püppchen, schlummre,
Bist du dumm, es gibt noch Dummre,
Bist du stumm, es gibt noch Stummre,
Bald miau! Die Katzen schrein,
Machen Diebs- und Liebesrunde,
Brünstig, günstig ist die Stunde,
Zu dem Mondmann heulen Hunde.
Tanzen jetzt die Elfen munter
Unterm Knabenkraut hinunter,
Das die Blätter niederstreut.
Kind, sie spielen Lotto heut,
Und du darfst nur kühnlich schlummern,
Denn dir kommt dein Glück im Schlummer.
Du gewinnst die beste Nummer,
Eine Braut wirst du im Schlummer,
Hochzeit, Hochzeit, hohe Zeit!
Mondschein deckt dein Bettlein breit,
Tu dich zu dem Bräutgam ducken,
Wenn die Wichtlein Jubel rufend
Brechen, durch die Ritzen gucken
Und zum Schlüsselloch einschlupfen:
Wenn sie an der Decke zupfen,
Strecke nur heraus kein Bein!
Vor der Kröt auf hohem Stuhle
Singen Frosch und Unk im Pfuhle,
Eine heilge Judenschule.
Und der Irrwisch hüpft betrunken,
Brünstig glühn Johannisfunken,
Wo jüngst fiel ein Jungfräulein,
Als ihr Buhl ihr stellt ein Bein
Und ihr Kränzlein ohn Vermuten
Der im Acker eingetruhet
Blank zu ihren Füßen ruhet.
Heim trug sie den Schatz zur Stunde,
Schwerer war noch viele Pfunde
Schlaf, mein Püppchen, schlafe ein!“
Also hat das Weib gesungen
Mit verwirrter, süßer Zunge,
Und der Zauber ist gelungen. –
Folgt des Zauberfadens Zuge,
Geht zur Linde, und am Brunnen
Liegt vor ihr ein Knabe fein.
„Jungfrau, ach, erbarm dich sein!“
Auf des Altars höchste Stufe,
Wo sie einst auch ward gefunden.
„Bleibe unten, bleibe unten,
Bete erst ein Vaterunser!“
Doch sie soll verloren sein.
Und sie zieht zum Turm hinein,
Steigt hinan die dunklen Stufen;
Immer schwächer hört sie rufen:
Bis die Stimme ganz verschwunden;
Und Biondette, traumumwunden,
Steiget jetzt die letzte Stufe,
Gehet zu dem Mahl hinein.
Um die sie das Haar gewunden,
Zieht sie aus dem Lockenbunde,
Die ihr golden niederfluten.
Nächtlich bloß den keuschen Busen,
Und von ihrem Herzen funkelt
Hell das goldne Röselein.
„Muß ich denn verloren sein?
O Maria, Gottes Mutter,
In die Windeln eingewunden,
Denke meiner frommen Stunden,
Lasse sterbend mich gesunden!“
Lallt sie, peinlich traumumwunden,
„Sei gegrüßt, du Todespfeil,
Sei gegrüßt mit reinem Munde,
Der nie freche Lust getrunken,
Keuscher Tod in keuscher Wunde!
Märtyrkrone sei errungen!“
Dann ruft sie mit kühner Zunge:
„O Maria, erbarm dich mein!“
Und die goldne Nadel fein
Durch die goldne Rosenblume,
Sinket nieder, heilig blutend.
Und es schlägt die zwölfte Stunde.
„Weh, zu spät ists zu dem Trunke!“
Anmerkungen des Herausgebers
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