Romanzen vom Rosenkranz/Romanze XVI: Kosme krank – Pietros Garten brennt
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Kosme krank – Pietros Garten brennt
Wenn du gleich den Vögeln schwebtest,
Über dir der blaue Bogen,
Unter dir die grüne Erde
Und des Wassers Silberwoge;
Wo du ruhig möchtest wohnen,
Wo du deinem kleinen Neste
Eine Stelle suchen solltest;
Flöhest du der Städte Elend
Und zögst über Land und Felder
Zu dem stillen Tale Kosmes,
Wo die stillen Bächlein gehen
Durch den Schatten, durch die Sonne,
Bis zum Garten voller Rosen,
Und du bautest dir dein Nestchen,
Wo die klare Jungfrau wohnet,
Und sie ging dir aus dem Wege,
Und du sängst ihr an dem Fenster
In des Lorbeerbaumes Krone;
Futter würde hin sie legen
Alle Abend, alle Morgen,
Ging zu beten früh die Fromme,
Flögst du mit ihr zur Kapelle,
Die am Felsen höher oben;
Und wenn sie aus vollem Herzen
Herr, ach schau zu meinem Herzen,
Es ist ganz von Schmerz umdornet!
Herr, um deines Sohnes Schmerzen
Richte auf den Vater Kosme,
Öffne ihm die Gnadenpforte:
Dann wär deine Lust zu Ende,
Deine Seligkeit zerronnen,
Denn nicht ferne von den Menschen
Und es ist kein öder Felsen
Und kein Bächlein oder Bronnen,
Keine waldumschlossne Stelle
Unterm Monde und der Sonne,
Wo nicht wär gesündigt worden,
Wo nicht wären bittre Tränen
Vor dem Herrn vergossen worden.
Und du würdest Abschied nehmen
Sängst noch einmal ihr am Fenster,
Flögst dann weiter unbesorget. –
Wärst du einer von den Sternen,
Die am hohen Himmelsbogen
Wie der Herr es hat geboten,
Und du wolltest dich bedenken,
Wo du deine Strahlen solltest
Rein und freudig niedersenken,
In dem Spiegel weiter Meere;
Sähest du das Schiff hinwogen,
Das die Sünde aus der Fremde
Bringet zu entfernten Zonen;
Sähest du die Menschen morden;
In den Tälern, auf den Bergen
Sähest du die Sünde wohnen;
In des Klosters enger Zelle,
In des Marktes regem Leben,
Im erstarrten Tun des Schlosses:
Wo du deine Strahlen senkest,
Findest du ein Herz gebrochen,
Findest du ein Kind des Todes.
Und, wer seine Blicke lenkte
Zu dir flehend hin nach oben,
Wäre trunken ganz von Tränen,
Doch du würdest dich nicht wenden,
Strahltest ruhig Gott zum Lobe,
Wollte untergehn die Erde,
Wollten auferstehn die Toten.
Schmerz und Sünde sind des Todes,
Und die Leiden tun nur wehe,
Weil sie sterblich sind geboren.
Aber was da ewig stehet
Kann sich nur in ihm bewegen,
Ist ein Freud- und Leidenloses.
Sieh, der göttliche Geselle,
Phosphoros, der Held des Morgens,
Ruhig in den Garten Kosmes.
Und im Morgenwind beweget
Träumen still des Gartens Rosen;
Doch die Hütte ist voll Elend,
Rosablanka sitzt in Tränen
An dem Bett des kranken Kosme,
Den ein leiser Schlummer decket,
Nur vom Seufzern unterbrochen.
Nun der Alte zu der Tochter,
Spricht: „Mein Kind, jetzt mußt du gehen
Zu der Messe in das Kloster!“ –
„Vater, lasset hier mich beten
Daß ich eurer Krankheit pflege;
Fern bin ich um euch in Sorgen!“ –
„Armes Kind, ich kann genesen
Nur in einem selgen Tode,
Blut des eingebornen Sohnes!“ –
„Vater, schrecklich ist gewesen
Euer finstrer Arzt Apone,
Und ich muß noch Kräuter lesen,
„Kind, hast alle du gehöret,
Die er zu mir sprach, die Worte?
Sie zerschnitten mir die Seele
Wie viel hundert giftge Dolche!“ –
Ich doch nicht verstehen konnte:
‚Kosme, was dein Herz verzehret’,
Sprach er, ‚ist die Härte Gottes!
Kräftig hast du einst dem Leben,
Und nun opferst du das Leben,
Das dir übrig bleibt, dem Tode!
Du treibst hier ein töricht Wesen,
Machst zur Närrin deine Tochter,
Willst du mit der ihren stopfen!
Höre auf, sie zu bestehlen,
Tritt ihr nicht in ihre Sonne,
Laß sie lesen die Poeten,
Du magst ewig dich bekehren,
Was verloren, ist verloren;
Besser solltest du noch scheren,
Die dir übrig bleibt, die Wolle!’ –
Wie der grimmige Herodes,
Als die Kindlein er zu töten
Seinen Knechten hat befohlen.
Und ich war recht in dem Herzen
Bin, Marien anzuflehen,
Zur Kapelle dann geflohen.
Und am Wege sah ich stehen,
Den am Morgen bei den Rosen
Da die Schlang emporgeschossen.
Aber er hat nicht geredet,
Winkte mit dem Finger drohend,
Griff mir nach der Hand behende,
Doch ich wollt es ihm nicht geben;
Da versank er in den Boden,
Und ich eilte zur Kapelle,
Sank ohnmächtig an den Boden.
Jubelschreiend in den Wolken,
Er schwang sich wie eine Lerche
Jubilierend hin gen Morgen.
Vater, was ich da gesehen
Hat mir ganz verwirrt die Seele;
Jetzt kann ichs nicht wiederholen.
Als ich zu dir kam, da brennte
Über mir der Himmelsbogen,
In der Gegend, in Bologne.
Vor Marien bin in Tränen
Betend ganz und gar zerflossen,
Gnädig ist sie mir gewesen,
Kosme sprach: „Des Arztes Wesen
Ist stets schecklicher geworden:
In der Seele mir zu lesen,
Hat er mir das Herz zerbrochen.
Und mit jedem harten Worte
Hat er, ihn auf mich zu werfen,
Von mir einen Berg gehoben.
Und so lieg ich ganz zerschmettert,
Er hat mich mit einer Kette,
Die ich schmiedete, umzogen.
Aus dem Leibe nah dem Herzen
Meine Eingeweide zog er,
Frech sie in die Luft geworfen.
Und ich sah es ohne Schmerzen.
Seit sie wieder eingeschlossen,
Wars, als seien tausend Zentner
Boshaft sprach er: ,Du genesest,
Wenn auf Erden die drei Rosen
In der Hand der Venus sterben,
Die jetzt stehn im Garten Gottes.
Und bekränzt mit Liebesrosen
Als Modell dem Maler stehet,
Ist dir, ihr und mir geholfen.’ –
Und nun rief ich: ‚Wehe, wehe!
Und als ich ihn angesehen,
Ist er deutlich mir geworden.
,Jener Bube bist du, Frecher,
Der die Farben mir im Kloster
Bin ein böser Sünder worden.
In dem Namen Jesus hebe
Dich von mir!’ – Da floh Apone.
Ach, er ist es nicht gewesen,
„Vater, nicht so traurig redet!
Ja, es war der Arzt Apone,
Den ich gestern noch gesehen
Zu Bologna bei dem Bronnen.
Die in Träumen ist verworren;
Wendet ruhig im Gebete
Euch zum allbarmherzgen Gotte!“ –
„Gutes Kind, lies mir den Zettel,
Daß ich dir die Orte nenne,
Wo die Kräuter sind zu holen.
Denn der Arzt sprach: ,In der Nähe,
Ja, in deines Gartens Boden,
Deren Trank ich dir verordne’.“
Rosablanka liest den Zettel:
„Aus Sankt Clarens Garten Rosen
Um die Mitternacht zu brechen
Unser Liebfrau Bettstroh nehme,
Mische es mit Venusrosen,
Zu Marienschühlein menge
Teufelsklau und Hahnensporen.
In dem Schein des vollen Mondes,
Mit Marienmantel leg es
In den dir bekannten Bronnen.
Liebfraumilch und Liebfrautränen
Findelkraut und Venusnelken
Destilliere durch neun Monde.
Alle Stunden einzunehmen
Und so lang zu wiederholen,
Wenns nicht helfen will. Apone!“
Als sie dies Rezept gelesen,
Sprach der Kranke: „Meine Tochter,
Jetzo eile nach der Messe,
Also heißt, der sie wird lesen;
Er ist recht ein Heilger Gottes;
Beichte will ich ihm ablegen,
Meiner armen Seel zum Troste!“ –
Vater, und die Kräuter holen,
Weil ich sie wohl alle kenne,
Außer Teufelsfuß und Krone?“
„Nein, ich muß sie selber brechen
Wo ich gehe, liege, stehe,
Blühen sie ja allerorten!
Gehe nun, mein Kind, und flehe
Für mich um die Gnade Gottes!
Will indes mein Herz ich ordnen.
Nimm die Fackel, die ich gestern
Einer Schlange gleich geformet,
Am Altare laß sie brennen,
Und sie nimmt die Fackel betend;
Ihre Tränen niederflossen
Auf den Alten, der sie segnet,
Und sie wandelt aus der Pforte.
Weinen morgenlich die Rosen,
Und in tiefen Träumen wehen
Über ihr des Waldes Kronen.
Und es wirft schon durch die Stämme
Aber sieh! zur Link und Rechten
Glüht am Himmel heut der Morgen.
Doch jetzt sieht bei der Kapelle
Sie ins Tal herab von oben:
Ist des Pietro Hütte lodernd.
Nieder durch die Felsenwege
Eilt sie, achtet nicht der Dornen.
Da sie zu dem Garten gehet,
Und der Hütte Asche hebet
Wild empor der Sturm des Morgens,
Der sich sonst zu wiegen pflegte
In dem Busen tausend Rosen.
Lief um sie die wilde Lohe,
Schlangen, Drachen, sengend, brennend
Blum und Baum und Laubenbogen.
„Pietro, Pietro!“ ruft sie bebend,
Sieh, bei jener weißen Rose
Steht er, die sie ihm geschenket.
Alle Bäume rings gefället
Hat er zu dem Schutz der Rose,
Geht und kehrt er zu dem Bronnen.
Als die Jungfrau er gesehen,
Spricht er: „Du hast lang verzogen,
Dich zum Opfer einzustellen,
Alles, was du hast verschmähet,
Hat die Flamme angenommen,
Und sie will mich drum vermählen
Mit der Asche, ihrer Tochter.
Die Gesellen ohne Sorgen,
Morgenwinde, lustig heben
Sie der grauen Braut die Locken!
Ach, ich lieb sie ohne Ende!
Denn der herrlichste der Helden
Stahl das Feuer von der Sonne.
Meine Braut ist deine Schwester,
Du auch bist des Helden Tochter,
Weil das Feuer er gestohlen.
Von den Göttern hoch gesegnet
War die Mutter dir Pandore,
Alle Freuden, alle Wehen
So ist aller Lust des Lebens
Buße zugeordnet worden;
Meine Braut, die Asche, schwebet,
Spielt die Flamme mit den Rosen.
Denn ich bin aus ihr geboren,
Und will wieder Asche werden,
Weil ich dich nicht hab erworben.
Wahrlich, sie ist deine Schwester,
Hat sie brennend nicht verzehret,
Weil sie hat für mich geworben.
Sei willkomm beim Hochzeitsfeste!
Sieh die rosige Aurore
Mit der Asche meiner Rosen!
Hoch ist dieses Fest geehret:
Gestern hab ich dich verloren,
Heute Nacht starb Rosarose,
Und nun weint er bittre Tränen
Seinen sinnverwirrten Worten.
Rosablanka tief beweget
Spricht: „O Pietro, denke Gottes!
Seine Hand von dir gezogen
Hat der Herr! O Pietro, bete,
Daß er dein nicht denk im Zorne!
Nie bin ich dir lieb gewesen,
Denn ich sehe deine Seele
Tief in irdscher Not verworren.
Laß dem Feuer seine Rechte,
Das du gen dich aufgefordert;
Folge mir zur Kirche Gottes!
Und erzähl mir auf dem Wege,
Was dir so den Sinn verworren!
Ich will liebreich mit dir reden,
Pietro spricht: „O Gottes Engel,
Wie du mild bist in dem Zorne!“
Eine Handvoll Asche nehmend
Beugt er sich dann zu dem Boden.
In die taubereiften Locken,
Spricht er, nochmals um sich sehend,
Schmerzdurchdrungen diese Worte:
„O, du liebes, armes Leben!
Blutig Schlachtfeld des Verderbens!
O ihr aschevollen Rosen!
Meiner Hütte klare Fenster,
Von Jasmin so still umzogen,
Über meiner kleinen Pforte!
Weh, es grinset wie Gespenster
An im glühen Blick der Kohlen,
Und der Rasen, den ich pflegte,
O ihr tausend frommen Engel,
In den Lilien, in den Rosen,
Morgens mit dem Gärtner betend,
Sterne, Sonnen, Kelche, Kronen,
Daß ich alle euch gemordet,
Daß ich, folgend dem Verderber,
Hab gestört den Tempel Gottes!
Fromme Priester fleißger Zellen,
Eures Gottesdiensts Kapellen,
Eurer Andacht Stationen,
Alle liegen sie versenget,
Und die Glut des bösen Opfers
War für euch des Todes Odem.
Kühler Labung Marmorbecken,
Glatter Rand des treuen Bronnens,
Du bist in dem durstgen Lecken
Stiller Mahner des Geschäftes,
Stundenzeiger, Freund der Sonne,
Du bist, Feuerschatten werfend,
In der bösen Glut zerschmolzen.
Fromme Bienen, süße Rosen,
O, du unschuldvolles Leben,
Ich hab dich von mir gestoßen!
Einsam nur im Garten stehet
Paradies mußt untergehen,
Ewig steht der Baum des Todes!“
Und nun mit der Jungfrau gehet
Zu der Stadt der Trauervolle,
Niedersehend an den Boden.
„Wann ist, Pietro, Rosarose,
Deine Schwester, dir gestorben?“ –
„Des Theaters Glut entgehend
Niedersprang sie von dem Fenster,
Und der Sturz führt sie zum Tode.
Jetzt zu ihrem Leichenfeste
Gehe ich zu Jacopone.“ –
Ich sah an dem Himmel lodern!
Ach, die herrliche Biondette,
Ward sie heil dem Brand entzogen?“ –
„An der Schwester Sterbebette
„Ist dein Bruder unverletzet,
Der getreue Meliore?“ –
„Ich hab ihn nicht mehr gesehen,
Ich hab ihn nicht sehen wollen,
Er hat mein Geschick verdorben!
Er, der Buhler von Biondetten,
Er hat mir dein Herz entzogen,
Und durch ihn starb Rosarose,
Ich bin nicht zur Stadt gewesen;
Als die wilde Glut da tobte,
Saß ich still in meiner Zelle,
In verschmähter Lieb verloren.
Führt Meliore den Apone,
Und der falsche Bruder kehrte
Zu der Stadt von meiner Pforte.
Und der weise Arzt erzählte,
Mir den Tod der Rosarose
Und die Buhlerei Meliores.[1]
Und er warf mir in die Seele
Einen Brand, der ewig lodert,
Der mich selbst noch treibt zum Tode!“
Rosablanka rief nun: „Wehe,
Wehe dir, du Höllenbote!
Apo ist es nicht gewesen,
Deinen Schritt zurück noch wende,
Du erweckende Aurore,
Lasse, was der Böse säte,
Nicht erblühn in deiner Sonne!
Decke, die du tot geboren,
All die Lügen und Gespenster
Unterm Dunkel deines Zornes!“
Also spricht sie. Doch es stehen
Zeugen ihres Angstgebetes,
Auf Bolognas hohen Domen.
Und da sie beisammen stehen
Bei der Linde, bei dem Bronnen,
In den Schein der Mutter Gottes.[2]
„Pietro,“ spricht sie, „Gottes Segen
Leuchte dir in deinem Zorne!“
Scheidend sah er da die Tränen,
Und sie sah verwirrt umwehen
Finstre Stirn die dunkeln Locken;
Denn schon auf die Gipfel leget
Niederschauend sich die Sonne.
Sündenlos im Schaffen Gottes,
Kann sich nur in ihm bewegen,
Ist ein Freud- und Leidenloses.
Anmerkungen des Herausgebers
- ↑ [403] Moles, der in Apos Gestalt am Krankenbett Kosmes war, erzählte, um Pietro eifersüchtig zu machen, diesem auf dem Rückwege, Meliore habe ihm Rosablankas Herz entzogen. Darin liegt die nach den „Notizen“ vorgesehene, von Morris vermißte Teufelei.
- ↑ [403] Die Handschriften haben hier das Wort „Schein“, während es in den Drucken in Schrein korrigiert ist. Schein ist offenbar richtig. Die Statue hatte einen Heiligenschein von Metall, in dem die ersten Sonnenstrahlen erglänzten.
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