Romanzen vom Rosenkranz/Romanze XIV: Apo und Meliore
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Apo und Meliore
Durch die stillen Straßen schreiten
Apo und Meliore hin,
Gleiche Pfade führen beide
Zu dem Turm, zur Tänzerin.
Um des Brandes Trümmer hin,
Ruht ihr Weg, und tief erweitet
Fühlt Meliore seinen Sinn.
Und er spricht zum ernsten Meister,
„Selig, wer gleich dir die Geister
Leicht nach seinem Willen stimmt.
Spricht, o Herr! auf welche Weise
Reißest du mich jetzt zur dir?
Also hart begegnet mir?
Da du zürntest mir im Streite,
Sieh, da scheute ich dich nicht;
Jetzo friedlich dir zur Seite
Daß der, den ich erst geleitet
Zu des Pietro Garten hin,
Wieder mir zur Seite schreitet,
Will mir nimmer in den Sinn.
Deiner Künste tiefe List,
Daß ich hier dich kann ergreifen,
Der erst dort vor kurzer Frist.
Meister sprich, und dann verzeihe,
Traf des hohen Hauptes Weihe;
Zeige deines Herzens Glimpf!
Kenntest du des Jünglings Leiden,
Der so kühn dich heut bestritt,
Mir, der deinen Zorn erlitt.
Lasse mich zum Kerker weichen,
Dem das Feuer mich entriß,
Kannst du mir die Hand nicht reichen,
Apo gab die Hand: „Dein Eifer,“
Spricht er, „wisse, war mir lieb;
Herrlich wirst du, wenn du reifer,
Denn dich treibet hoher Trieb.
Leiden, wer zutage springt,
Daß nicht aus dem Chor alleine
Einer andre Weise singt.
Ob du würdig könntest leiden,[1]
Nebst dem Schwerte zu dem Streiten
Führe auch der Mann das Schild.
Und nun nenn ich dich den Meinen,
Zeigte dir mein Doppelbild;
Ist das Ganze dir enthüllt.
Zeugnisgebende sind dreie,
Und die dreie eines sind;
Du hast einen Grad der Weihe,
Wisse, der Dreieinigkeiten
Schweben in dem Zirkel viel;
Wer sie alle kann durchschreiten,
Dreht den Zirkel hin zum Ziel.
Die uns näher liegen, ziehn,
Daß ich tätig dir beweise,
Wie ich dir gewogen bin.
Einsam sind wir und alleine,
Sprich, nach welchem Zauberweine
Lechzt die trockne Zunge dir?
Fein ist diese Zeit; es schweifet
Süß das trunkne Mondenlicht;
Der verfehlt die reifen nicht.
Von der Venus Tau bereifet,
Schwillt der Früchte süß Gewicht:
Sage, welche Lust gereifet
„O, mein hoher Herr und Meister,
Du bist weis,“ Meliore spricht,
„Und es reichen alle Geister
Deinen Augen gern ihr Licht.
Unterm hohen Wolkenschild,
Und des Brands Ruinen streuen
Auf den Plan ihr Schattenbild.
Kannst du aus der Sterne Reihen
Andre Schatten wird verleihen
Dieses Platzes hoher Zier?
Ob nicht seinen Schatten breiten
Hier ein heilger Tempel wird,
Die des Wassers Flut durchirrt?“
Doch Apone sprach: „O schweige,
Anderes begehr von mir,
Daß ich anderes dir zeige,
Denn nicht diese toten Steine
Heben zu dem Licht den Blick;
Nur des Lichtes Sohn alleine
Liest gestirnet sein Geschick.
Heute aus dem Sterngefild,
Durch den reichen Himmel schreiten
Seh ich wunderbar Gebild.
Denn die Jungfrau hebt den Schleier,
Und der Stier erhebt sich freier,
Da der Schwan verbuhlet singt.
Und die Zwillinge, sie weinen,
Da die eine Wage sinkt,
Weil der Schütz den Bogen schwingt.
Amors Pfeil der Pfeil heut gleichet,
Sieh, wie er zur Jungfrau zielt;
Wie der Fisch zum Fische streichet
Nach des Bechers süßem Weine
Greift der Wassermann und trinkt,
Bär und Hund, der groß und kleine,
Tanzen, der Triangel klingt.
Zu dem kleinen Pferde hier,
Des Zentauren Lust sich zweiet
Zu der Jungfrau, zu dem Tier.
Und der Walfisch, ein Hochzeiter,
Und das Schiff, es flagget heiter,
In dem Pol sein Ruder klingt.
Bei dem Hasen jagdlich schweifen
Sehe ich Orions Licht,
Heute die Plejaden nicht.
Liebend denket er mit Schweigen
Der Hyperboreerin,
Und vor Herkuls Seele streichen
Cepheus, Cassiopeia neigen
Liebend zueinander sich,
Und Andromeda erreichen
Seh den starken Perseus ich.
Und das Böcklein zu ihm springt,
Und der Löwe lustgekräuselt
Seinen Schweif zur Jungfrau schwingt.
Wie im Paradiese schweifet
Weil die Feigen sind gereifet,
Hoch der Rab den Becher schwingt.
Frei strömt, wie zur Hochzeitsfeier,
Berenicens Locke hin,
Schaukelt trunken der Delphin.
Den Antinous umkreisend,
Hoch des Adlers Fittig klingt,
Der, sie von der Erde reißend,
Eine Schlange tragend weilen
Seh den Polyides ich,
Minos lehrte sie ihn heilen,
Dich zu heilen lehrt sie mich.
Eine Myrte süß sich schlingt,
Und der Drach mit brünstgem Schweife
Heiß den kalten Pol umringt.
Zu geheimer Liebe Feier
Die Südkrone schimmert freier,
Und in Lust der Südfisch schwimmt.
Ihre Scheren brünstig breiten
Krebs und Skorpion zum Licht,
Trübt der Lämmer Quelle nicht.
Also glühend sind die Zeiten,
Also brünstig ist das Licht,
Wie die Rose, die den Bräuten
Die Granate senkt gereifet
Ihrer Kerne Goldgewicht,
Trunken durch die Blätter schweifet
Amor, der sie taumelnd bricht.
Der in Liebe selig ist;
Sprich, kann ich dich selig preisen,
Der du also liebend bist?
Meliore, sei der meine;
Ob Biondette je die deine
Ganz und gar gewesen ist?
Ob dein selger Mund alleine
Ihres Leibes Rosen bricht,
In des Busens Mondenlicht?
Ob du in die Wollustkreise
Ihrer Mitternächte blickst,
Daß dich jauchzend an sich reiße,
Doch entsetzet hier den Meister
Meliore unterbricht;
„Bei dem Gott der selgen Geister
Schwöre ich: das tat ich nicht!
Ich nenn einen Teufel ihn;
Will mit Händen den zerreißen,
Der sie solcher Schmach geziehn!
Gott und Vater! wüßt ich einen
Schlüg ich ihm mit kotgen Steinen
Aus der unverschämten Stirn!
Denn die Sterne sind nicht reiner,
Als der Leib Biondettens ist,
Der empfangen Jesum Christ!
Doch du machst aus Weltenkreisen,
Wo der Engel Palmen schwingt,
Und, den Ewigen zu preisen,
Einen Tummelplatz der Heiden,
Wo die Sünde Lanzen bricht,
Und ein ekles Wolluststreiten,
Dem die Geilheit Kränze flicht!
So sei meiner Liebe Ziel,
Möge mich der Stern zerreißen,
Der jetzt dort vom Himmel fiel!“
Also sprach er, und es breitet
Fing den Stern, der niedergleitet:
„Sieh, was dir ein Stern erschien!
In dem trüben, kalten Schleime
Hier, erkennest du das Licht?
Wahrlich, dies erschlägt dich nicht!
Alles ist nicht Gold, was gleißet,
Und was glühend dir erschien,
Sich als faules Holz erweiset,
Und das eben macht den Weisen,
Daß er in dem Sonnenlicht
Kann die Mitternacht beweisen,
In dem Leichten das Gewicht.
Er die Wucht, die niederzieht,
In dem Abgrund auch das Seichte,
In dem Seichten Abgrund sieht.
Sollt ich dich nicht selig preisen,
Um die Erde möcht ich reisen
Nach so wunderbarem Ziel!
Doch die Jugend möchte steigen,
Um den Himmel zu erfliehn,
Sieht ihn an der Erde blühn.
Willst du nun die Lust erreichen,
Die dir durch die Adern rinnt,
Einen Trank will ich dir reichen,
Läßt du dir das Recht entreißen,
Das dir Lust und Jugend gibt,
Wird dich schwer der Neid zerreißen,
Wenn sie andern sich ergibt.
Seh in ihren Sternen ich,
Wenn kein andrer sie ergreifet,
Nenne einen Lügner mich!“ –
„Den möcht ich jetzt gleich dich heißen,“
„Solche Unschuld kann nicht gleißen,
Gottes ist ihr Angesicht!
Körner streust du; ich soll gleiten,
Aber Gott erhalte mich!
Hier vor Gott verfluch ich dich!
Ja, gleich leicht magst du beweisen,
Diesen Himmel ernst und still
Sehest du vom Blitz zerreißen
Und die Stadt im Mondenscheine
Fülle jetzt der wilde Krieg,
Und daß jetzt, wo wir alleine,
Weit ein Feld voll Leichen lieg;
Hochgetürmte, feste Stirn
Niederbeuge jetzt im Streite
Vor dem himmlischen Gestirn!
Daß du doppelt kannst erscheinen,
Doch Biondettens Schuld verneinen,
Selbst sie sehend, würd ich dir!“ –
„Malst du an die Wand den Teufel,“
Apo zu dem Jüngling spricht,
Zu der Malerei das Licht!“
Sprachs. Und plötzlich donnernd steiget
Um den Mond die Finsternis,
Und so weit der Himmel reichet,
Und rings durch die Stadt verbreitet
Sich ein tosend Stahlgeklirr;
Näher, immer näher streitet
Her der Stimmen Kampfgewirr.
Tausend Bürger in den Ring,
Und mit Wut von allen Seiten
Hebet sich das Schwertgekling.
Und es sinket Reih auf Reihe
Daß von Wut- und Wehgeschreie
Laut ertost das Wolkenschild.
Weh! da stürzen auf die Streiter
Rings Bolognas Türme hin,
Nichts erschrecket ihren Grimm!
Zu den Füßen seinem Meister
Sinnlos hin Meliore sinkt,
Bis das Spiel der bösen Geister
Und von Schrecken ganz gebleichet
Richtet auf der Jüngling sich:
„Du hast Böses mir gezeiget,
Meister, nun entlasse mich!“
Dieser Stadt dies Ungeschick,
Weil du sie so toll vereidest
Für Biondettens Tugendglück.
In der Wage liegen beide,
Daß dein Vaterland nicht leide,
Gebe dich der Freude hin!
Größre Wunder könnt ich zeigen –
Eines Wortes leicht Gewicht,
Führt oft her ein schwer Gericht.
Und so stehn die Himmelszeichen:
Es erfüllt sich dies Gesicht,
Brichst du von Biondettens Zweigen
„Läßt so leicht vom Himmel reißen
Dieses Landes Schicksal sich,“
Spricht Meliore, „will verheißen
Eine schönre Zukunft ich!
Mond, du keusches Angesicht,
Euch Biondetten ich vergleiche,
Sie weicht euch an Friede nicht.
Und so fest und ungebeuget
Als einst fromm ein Tempel steiget
Aus des Brands Ruinen hier!
Sieh! beweget sind die Steine,
Ordnen auf zu Mauern sich;
Und ihr Meister bin auch ich!
Freudig auf die Pfeiler steigen;
Hörst du, wie Biondette singt?
Wie nach ihrer Harfe Reigen
Wie nach ihren Melodeien
Kuppel sich an Kuppel ringt,
Und die Säule ihre Reihen
Mit dem Palmenknauf verschlingt?
Ordnen sich in Harmonie;
Wo die Töne sich durchschneiden,
Wölbt des Chores Halle sie.
Wo die Töne höher steigen,
Die zum Firmamente reichen
Mit der Kreuze goldnem Blitz.
Wo sie sich zur Tiefe neigen,
Zu der Grüfte Labyrinth,
Still der Treppen Steingewind.
Heilig scherzt in tausend Weisen
Blum um Blume, Bild um Bild,
Und, die Meisterin zu preisen,
In der Kerzen selgem Scheine
Bebt der Altar feierlich,
Und gleich einem Frühlingshaine
Füllt das Haus mit Jubel sich.
Süß der Weihrauch aufwärts dringt,
Und des Himmels Tor aufreißend
Hochgesang in Wonne ringt.
Sieh, wie zu des Tempels Weihe
Meister! Gott uns Trost verleihe,
Laß uns betend niederknien!“
Spricht Meliore, und den Meister
Will er an dem Mantel ziehn;
Er sieht vor sich doppelt ihn!
Einer trägt ein Feuerzeichen
Auf der hohen, dunklen Stirn,
Kalt sie sich die Hände reichen,
Lachend sie von dannen schleichen,
Sieh, da kehrt das Mondenlicht;
Durch das nächtlich tiefe Schweigen
Meliors Stimme bricht:
Sah ich deiner Türme Zier,
Sah ein blutig Feld der Leichen
Über deinem Herzen hier!
Weh! in deinen Eingeweiden
Und es streun die dunklen Zeiten
Deine Asche in den Wind!
O, wie muß ich den beneiden,
Der den Stamm, des Sohn er ist,
Nicht in seinem Schuldbuch liest!
Einen Schuldgen suchend, reißen
Um das Schiff die Stürme sich;
Weh! ich kann mich des nicht preisen,
O Allmächtiger, o zeige,
Ob der Sünde ich entspring,
Daß ich zu der Flut mich neige
Und ein sühnend Opfer bring!“
Und sein Flehen ihm gelingt:
Durch das tiefe nächtge Schweigen
Hell die Totenglocke klingt.
Und der Glocke Schall geleitet
Wo der Baum die Schatten breitet,
Kniet er bei dem Altar hin.
„Herr! die Seele, die jetzt streitet,
Richt in deinem Zorne nicht;
Sehe bald dein Angesicht!“
Und er höret an dem Zeichen,
Daß ein Weib gestorben ist,
Weil die Zahl der Glockenstreiche
„Jacopones frommem Weibe
Wohl das dunkle Auge bricht.
Ob ich gehe, ob ich bleibe?“
Bang der Jüngling zu sich spricht.
Die geliebte Tänzerin;
Sah ich sie, dann will ich eilen
Tröstend zu dem Bruder hin.
Ach, schon hör ich aus der Weite
Von der monderhellten Seite
Bang er in den Schatten tritt.
„Soll ich singen, soll ich schweigen,
Wenn sie mir vorüberzieht?
Daß ein Liebender sie sieht!“
Doch ein dunkler Fechter schreitet
In dem Schatten vor ihn hin,
Und zum Kampfe schnell bereitet
Aber in des Degen Kreisen
Seine Klinge ihm zerspringt,
Ihn durchbohrt des Feindes Eisen,
Und er spricht, indem er sinkt:
Richt in deinem Zorne nicht;
Herr! die Seele, die jetzt scheidet,
Sehe bald dein Angesicht!“
Anmerkungen des Herausgebers
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