418) C. Iulius Proculus, Consul unter Traian. Seine Ämterlaufbahn bis zum Consulat enthält eine Ehreninschrift aus Antium (CIL X 6658 = Dessau 1040); sie gibt auch seinen vollständigen Namen: C. Iulius M. f. Volt(inia) Proculus. Die Tribus Voltinia läßt daran denken, daß Gallia Narbonensis seine Heimat war (s. Kubitschek Imp. Rom. trib. discr. 204f.; Marci Iulii finden sich in dieser Provinz ziemlich häufig, vgl. CIL XII Index und III 7397). Vielleicht stammte er von dem mütterlichen Großvater des (in Forum Iulii geborenen) Cn. Iulius Agricola ab (vgl. Tac. Agr. 4: mater Iulia Procilla fuit). Schon die frühesten Ämter, die er bekleidete, beweisen, daß er durch seine Abstammung den bevorzugten Ständen angehörte (er war triumvir monetalis, Quaestor des Kaisers und ab actis; wohl noch vor dem Consulat wurde er in zwei hohe Priesterschaften aufgenommen s. u.), und gerade weil sich ein so gewöhnlicher Name wie der seine in den beiden führenden
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Klassen nur vereinzelt findet, wird man ihn mit anderen bekannten Trägern desselben in Beziehung bringen dürfen (auch die — freilich wenig wahrscheinliche — Möglichkeit bleibe nicht unerwähnt, daß er seinen Namen nach dem sagenhaften Proculus Iulius, der Romulus’ Himmelfahrt sah, erhalten habe; derartige auf Fiction oder historischer Reminiszenz beruhende Namengebungen kommen in der Kaiserzeit zuweilen vor). Der reiche Gönner Martials, C. Iulius Proculus, dem der Epigrammatiker zwei Gedichte (I 70. XI 36) widmet, gehörte vielleicht derselben Familie an wie unser I., mit ihm identisch kann er nicht sein, da I. im J. 85/6, in welchem (nach Friedländers allerdings nicht völlig gesicherter Annahme, Mart. Ausg. I p. 54) das erste Buch der Epigramme veröffentlicht wurde, noch im Knabenalter gestanden haben wird (ein anderer C. Iulius Proculus, Enkel des Aeduerhäuptlings Eporedorix [s. o. Bd. VI S. 250f.], ist uns durch eine Bauinschrift aus Augustodunum bekannt, CIL XIII 2728).
Proculus begann seine Laufbahn mit dem Vigintivirat als IIIvir a(ere) a(rgento) a(uro) f(lando) f(eriundo) und fungierte hierauf als q(uaestor) Augustor(um). Seine Quaestur fällt am ehesten in das J. 98, die Kaiser, denen er zugeteilt war, sind demnach Nerva und dessen Nachfolger Traian. Daß ihn schon Domitian im J. 96 zu seinem Quaestor gemacht und Nerva auf diesem Posten belassen habe, ist wenig glaublich, da die Bevorzugung durch den letzten Flavier ihm für seine weitere Laufbahn nicht zur Empfehlung gereicht hätte (Hübner De sen. act. 1859, 32 denkt mit Unrecht an das J. 97, in welchem Traian noch nicht den Augustustitel führte). Proculus hat die Quaestur vielleicht vor dem 25. Lebensjahre angetreten (vgl. Mommsen St.-R. I³ 574ff.), denn er leistete seinen Offiziersdienst, der dieser voranzugehen pflegte, erst nachher u. zw. als tr(ibunus) leg(ionis) IIII. Scythic(ae) wohl in Syrien, wo diese Legion ihr Standlager hatte (die Bekleidung des Legionstribunates nach der Quaestur findet sich sonst nur einmal, CIL IX 2456, vgl. Mommsen St.-R. I³ 546; denkbar wäre jedoch, daß der Tribunat in der Inschrift an unrechter Stelle eingereiht ist). Auf den Truppendienst folgte das Amt ab actis Imp(eratoris) Traiani Aug(usti), eine Vertrauensstellung, die beweist, daß I. dem Kaiser nahestand (vgl. Tac. ann. V 4: conponendis patrum actis delectus a Caesare eoque meditationes eius introspicere creditus). Die singulare Titulatur ist (wie Hübner a. a. O. 34. Mommsen St.-R. II³ 901, 3. Brassloff Wien. Stud. XXII 1900, 148 und Stein Prot. d. röm. Sen. 1904, 16. 19f. betonen) eine inkorrekte Bezeichnung für das sonst ab actis senatus genannte Amt, das die Redigierung der Senatsprotokolle zur Aufgabe hatte; da I. als kaiserlicher Quaestor damit betraut war, Zuschriften des Herrschers im Senate zu verlesen (Mommsen St.-R. II³ 569), ergibt sich ein gewisser Zusammenhang zwischen diesen Stellungen des jungen Mannes (gegen die Meinung Hübners, daß die richtige Form des Titels in unserem Falle ab actis senatus candidatus imperatoris gelautet habe, sprechen sich Mommsen und Stein a. a. O. aus). Einer seiner Nachfolger
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war der spätere Kaiser Hadrian, der gleichfalls Quaestor Traians gewesen war (s. o. Bd. I S. 498). Nach dem Volkstribunat und der Praetur übernahm Proculus das Kommando der legio VI. Ferrata, die gleich der IIII. Scythica in Syrien lag. Das nächstfolgende Amt eines leg(atus) Aug(usti) p(ro) p(raetore) region(is) Transpadanae war eine außerordentliche Mission, die in traianischer Zeit noch im Cursus honorem des L. Vitrasius Flamininus begegnet (vgl. Stech Klio Beih. X 104f.). Was Traian dazu veranlaßte, die Transpadana unter kaiserliche Verwaltung zu stellen, ist unbekannt, doch die Vermutung vielleicht zulässig, daß die Maßregel mit den dazischen Kriegen in Verbindung zu bringen ist und die militärische Beherrschung des wichtigen Durchgangslandes (vgl. v. Domaszewski Eranos Vindob. 1893, 63f.) sowie die Sicherung Italiens gegen allfällige Verwicklungen bezweckte; der Zeit nach könnte die Amtsführung des Proculus recht wohl mit dem zweiten dazischen Krieg (105-106) zusammenfallen (Mommsen hat seine Annahme, daß I. nur die Truppenaushebung in der Transpadana besorgt habe [St.-R. II³ 850, 3), später selbst zurückgezogen, Eph. epigr. VII p. 397, 7; Borghesi Oeuvr. V 408 hielt ihn für einen Corrector). In der Ämterlaufbahn folgt die Stellung eines leg(atus) Aug(usti) p(ro) p(raetore) ad census provinciae Lugdunensis; Proculus leitete die Schätzung wohl als Gouverneur dieser Provinz (vgl. Mommsen St.-R. II³ 1092).
Nach dem hauptstädtischen Amte eines cur(ator) operum publicorum erhielt Proculus den Consulat (die Übernahme der Curatel ging dem Consulat zeitlich wohl voraus, da der letztere den Anlaß zur Errichtung des Denkmals gegeben haben wird; abweichend Cantarelli Bull. com. XXII 1894, 208 und Kornemann o. Bd. IV 1789, vgl. Klein Rhein. Mus. XXXVI 1881, 630. Stech a. a. O. 90). Mit dem Procu[lus], der in den Fasti fer. Lat. als Suffectconsul zur Zeit des Latinerfestes genannt wird (CIL XIV 2243), ist I. nicht zu identifizieren, da der Consulat jenes Mannes, wie wir jetzt wissen (vgl. Ztschr. f. öst. Gymn. LXIII 1912, 336), in das J. 101 gehört, während I. seiner sonstigen Laufbahn zufolge um 110 die Fasces geführt haben wird. Anscheinend noch vor seinem Aufsteigen in die höchste Rangklasse hatte er die Priesterämter eines XVvir sacris faciundis und eines fetialis erhalten (das erstere wurde ihm vielleicht mit Rücksicht auf eine gewisse literarische Bildung zuteil, die für seine Quaestur und die Redaktion der Senatsakten wohl vorausgesetzt werden darf, vgl. Ztschr. f. öst. Gymn. LVI 1905, 733). Über seine consularische Carrière sind wir nicht unterrichtet, doch lassen sich vielleicht noch einzelne Spuren derselben nachweisen.
Ein senatorischer Patron von Tuder (Todi) war, einer (fragmentarisch überlieferten) Ehreninschrift zufolge, [curator operum publi]corum und hierauf Legat von Dalmatien unter Traian (CIL XI 4646 vgl. Bormann z. Inschr.). Da die Titel des Kaisers auf die Zeit zwischen 102 und 114 weisen (die Beinamen Optimus und Parthicus fehlen noch), könnte Proculus der Unbekannte sein; seine früheren militärischen Stellungen sowie seine anscheinend engeren Beziehungen
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zu Traian lassen erwarten, daß ihn der Imperator bei der Vergebung der consularischen Militärprovinzen nicht übergangen haben wird.
Unter Hadrian wurde die Grenze mehrerer Gemeinden in der Baetica ex sententia] Iulii Procidi iudic[is] festgesetzt (Fita Bol. Acad. d. l. hist. Madrid LX 1912, 41 = Rev. arch. XXI 1913, 452 n. 3, verbesserte Lesung von CIL II 2349 = Dessau II 5973); vermutlich war es unser I., der zur Zeit der Anwesenheit Hadrians in der Provinz im J. 122/3 (Fita 47. Weber Hadr. 115f.) als Consular vom Kaiser mit diesem Spezialmandat betraut wurde (die Worte confirmatum ab Imp. Caesar[e] Hadriano Aug. könnten indes auch besagen, daß Hadrian die von I. in früherer Zeit vorgenommene Grenzregulierung bestätigt habe). S. o. Nr. 414.
Proculus war Patron von Antium, dessen Bürger ihm ein Denkmal errichteten (CIL X 6658); wahrscheinlich besaß er eine Villa in dem beliebten Badeort. Iulia Procula, die im J. 123 als Besitzerin großer Ziegeleien nachweisbar ist (sie wird auf Stempeln der figlinae Sulpicianae und Tonneianae genannt, CIL XV 587. 646–651), war vielleicht seine Tochter. Dagegen hat Ἰουλία Πρόκλα ἡρωίς, deren Bild auf Münzen von Mytilene aus der Zeit der Antonine erscheint (Wroth Greek coins of Troas, Brit. Mus. 200 n. 165f, IG XII 2, 240. Dressel zu CIL XV 587). mit I. nichts zu tun.