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RE:Feriae Latinae

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Bundesfest der latinischen Städte auf dem Albanerberg
Band VI,2 (1909) S. 22132217
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Feriae Latinae, häufig auch bloß als Latinae (z. B. Liv. VIII 11, 15. XXV 12, 1f. Dionys. IV 49. Suet. Caes. 79; Claud. 4), sowie als Latiar (jedenfalls der älteste Namen, der auch im engern Sinne für das eigentliche Opfer am letzten Tage des Festes gebraucht wird, Macrob. Sat. I 16, 16. Cic. ad Quint. fratr. II 4, 2. Cass. Dio XLVII 40, 6) bezeichnet, auf dem Albanerberg (s. o. Bd. I S. 1309) gefeiertes, dem Iuppiter Latiaris (s. d.) geweihtes Bundesfest der latinischen Städte (Varro de l. l. VI 25. Dionys. IV 49). Ursprünglich hatte Alba Longa (vgl. o. Bd. I S. 1301) als Haupt des Latinischen Bundes die Leitung des Festes, nach der Zerstörung von Alba übernahm Rom die Leitung (Dionys. IV 49), daher wird von den römischen Schriftstellern irrig Tarquinius Priscus (Schol. Bob. Cic. pro Planc. 23. Aur. Vict. de vir. ill. 8, 2) oder Tarquinius Superbus (Dionys. IV 49) als Stifter des Festes bezeichnet (richtiger Schol. Bob. a. a. O.: a priscis Latinis). Die Wiederaufnahme des Festes unter Roms Leitung ist vermutlich der Erbauung des Tempels des Iuppiter Latiaris auf dem Albanerberg und des capitolinischen Iuppitertempels gleichzeitig gewesen (Wissowa Religion der Römer 35).

Während des Festes herrschte Waffenruhe in Latium (Dionys. IV 49. Macrob. I 16, 16), daher wird das Fest griechisch auch mit dem Ausdruck ἀνοχαί bezeichnet (z. B. Cass. Dio XXXIX 30. 4. XLVII 40, 6). Die f. L. gehören zu den feriae conceptivae (s. o. S. 2211f.), d. h. sie werden nicht an einem bestimmten Datum gefeiert, sondern jährlich von den Consuln angesagt (edicere Liv. XLI 16, 1; wie Liv. XLI 16, 5 und XLV 3, 2 zeigen, genügte auch die Ansage durch einen Consul). [2214] Die Ansage muß gleich nach Antritt des Consulats erfolgen (Liv. XLI 16, 5. Cic. ad fam. VIII 6, 3), erst nach der Feier dürfen die Consuln in die Provinzen abgehen (Liv. XXI 63, 5. XXII 1, 6. XXIII 12, 1f. XLII 35, 3. XLIV 19, 4 u. ö.; den Consuln Hirtius und Pansa wird es zum Vorwurf gemacht, daß sie vor dem Fest die Stadt verlassen, Cass. Dio XLVI 33, 4). Da somit der Termin des Festes vom Amtsantritt der Consuln (s. o. Bd. IV S. 1115) abhängt, ist er in den verschiedenen Zeiten verschieden. Im J. 449, in dem die Consuln ihr Amt an den Iden des Dezember antraten (s. Mommsen Röm. Forsch. II 104), finden die f Latinae a. d. IV id. Ian. statt (CIL I2 p. 56 a[1] = XIV 2236, vgl. Mommsen a. a. O.). In der älteren Zeit wird sonst das Fest gewöhnlich im April oder Mai oder Anfang Juni gefeiert (CIL I2 p. 57[2] c = XIV 2238. Liv. XLI 16, 1. XLII 35, 3. 22, 16. XXV 12, 1). Seit 154 treten die Consuln ihr Amt am 1. Januar an, daher werden auch die f. L. schon früher begangen (März: Cic. ad Quint. fratr. II 4, 2; Januar: Suet. Caes. 79. Cass. Dio XLIV 4, 3; Anfang des Jahrs: Cic. ad fam. VIII 6, 3; abweichend Mommsen Röm. Forsch. II 105, der annimmt, daß auch nach 154 die alte Ansetzung [nicht vor Anfang April] festgehalten worden sei). In der Kaiserzeit werden die f. L. regelmäßig erst später (Mai/August) gefeiert (CIL I2 p. 58f.[3] = XIV 2240ff.). Werner De feriis Latinis (Diss. Lips. 1888) 36ff. 57ff. Das Fest dauert mehrere Tage (Cass. Dio LIII 33, 3. Suet. Claud. 4. Tac. ann. IV 36), zuletzt drei oder vier Tage (vier Tage nach Plut. Cam. 42; bei Dionys. VI 95, 3 liegt wohl eine Verwechslung mit den ludi plebei vor, wie Werner a. a. O. 17, 2 hervorhebt, der S. 23 auch in der Angabe bei Plutarch a. a. O. eine solche Verwechslung sieht und auf Grund von Livius XLV 3, 2 eine dreitägige Dauer annimmt). Bei Festsetzung der f. L. durch den Consul wird nur ein Tag genannt, und zwar der letzte (Latiar), an dem das Hauptopfer stattfindet (Liv. XXV 12, 1. XLIV 22, 16). Die beiden Tage nach den f. L. gelten als religiosi (Cic. ad Quint. fratr. II 4, 2).

Sämtliche römischen Beamte müssen an der Feier auf dem Albanerberg teilnehmen (Strab. V 229; Teilnahme der Decemvirn CIL I2 p. 56[1] a = XIV 2236, der Praetoren Liv. XXV 12, 1. XLIV 21, 3. 22, 16; Amtsgebäude der Consuln auf dem Albanerberg Cass. Dio XLVII 40, 6), auch die Volkstribunen, die nur an diesem Tag die Stadt verlassen dürfen (Dionys. VIII 87, 6); der Senat darf dagegen in Rom bleiben (Gell. XIV 8). Die Abwesenheit des einen Consuls aus triftigem Grand hindert indes die Feier nicht (Liv. XLV 3, 2; Augustus war als Consul, durch Krankheit oder Aufenthalt in Spanien verhindert, viermal hintereinander nicht auf dem Albanerberg, CIL I2 p. 58 e = XIV 2240). War keiner der beiden Consuln anwesend, so wurde ein dictator feriarum Latinarum causa ernannt (CIL I2 p. 24[4] zum J. 497, vgl. Liv. VII 28, 7). Da in alter Zeit in jedem Fall, wo die Beamten Rom für mehr als einen Tag verlassen, ein praefectus urbi ernannt werden muß (Mommsen St.-R. I 663), so geschieht es auch bei den f. L. Während aber im übrigen die Ernennung des Praefecten seit Einführung der Praetur unterbleibt (s. Praefectus urbi), [2215] bleibt das Amt des praefectus fer. Latinarum causa bestehen (Werner a. a. O. 41ff.).

An der Feier nehmen Vertreter aller latinischen Gemeinden teil (Lucan. Phars. III 87. Liv. XLI 16, 1; Liste der Gemeinden bei Plin. III 69, vgl. Dionys. IV 49. V 61; s. Nissen Ital. Landesk. II 2, 555 und Art. Latium), auch solche, die jede politische Existenz verloren hatten, wurden durch Priester vertreten, s. Art. Cabenses. Als gemeinsames Opfer wird – am letzten Tag, s. o. – ein Stier geschlachtet (Dionys. IV 49), ursprünglich von weißer Farbe (Arnob. II 68), später werden mit Zustimmung des Senats rote Stiere geopfert (Arnob. a. a. O.). Das Opferfleisch wird an die einzelnen Gemeinden verteilt (Varro de l. l. VI 25. Serv. Aen. I 211 [‌visceratio]. Dionys. IV 49. Cic. pro Planc. 23 und Schol. Bob. zu d. St. Liv. XXXII 1, 9. XXXVII 3, 4). Außer diesem gemeinsamen Opfer bringen auch die einzelnen Gemeinden Opfergaben dar (darauf bezieht sich jedenfalls auch Liv. XLI 16, 1, wo von mehreren hostiae gesprochen wird, während beim gemeinsamen Opfer [s. o.] nur ein Stier geschlachtet wurde), Schafe, Käse, Kuchen (Dionys. IV 49), Milch (Dionys. a. a. O. Cic. de div. I 18. Schol. Bob. zu Cic. pro Planc. 23. Fest. p. 194 b; vgl. Helbig Italiker in der Poebene 71). Auch das piscatorium aes (Fest. p. 210 b 1), das statt der Fische auf dem Albanerberg dargebracht wurde, ist jedenfalls an den f. L. geopfert worden (vgl. de Rossi Ann. d. Inst. 1876, 323 über den Fund einer großen Menge von aes rude auf dem Albanerberge). Die Opfertiere wurden von den latinischen Frauen auf den Albanerberg geführt (Cic. ad Att. I 3, 1). Bei der Darbringung der hostiae mußten die Beamten der einzelnen Gemeinden ein Gebet für das römische Volk sprechen (Liv. XLI 16, 1). An das Opfer schloß sich ein gemeinsamer Schmaus (Dionys. IV 49), außerdem gehörte Schaukeln (oscillare) zu den Zeremonien des Festes, (vgl. Art. Oscillatio). Zum Schluß des Festes wurde ein großes Feuer angezündet (Lucan. I 550. V 400). Auch Sklaven war die Teilnahme an den f. L. gestattet (Fest. p. 194 b 18).

Gleichzeitig mit der Feier auf dem Albanerberg fand auch in Rom eine Feier der f. L. statt. Während dieser herrschte Arbeitsruhe in der Stadt (Cic. de rep. I 14), und es wurden Spiele veranstaltet (Liv. V 19, 1); auf dem Capitol wurde, ein Rennen von Viergespannen abgehalten, der Sieger wurde mit Absinth bewirtet (Plin. n. h. XXVII 45). Dem Iuppiter wurde bei dieser Feier in Rom ein Menschenopfer dargebracht, ein bestiarius (jedenfalls ein zum Tod verurteilter Verbrecher) wurde ihm geschlachtet, eine Nachricht, die Wissowa (Religion u. Kult. d. Röm. 109, 3), wie mir scheint, ohne genügenden Grund als ,gewiß apokryph‘ bezeichnet (Tertull. apolog. 9; scorp. 7. Minuc. Felix 30, 4. Paul. Nol. 32, 109. Prudent. in Symm. I 396. Iul. Firm. Maternus de err. prof. rel. 26. Lactant. div. inst. I 21, 3. Tatian. contra Graec. 29. Theophil. ad Autolyc. III 8. Iustin. apol. II 12. Porphyr. de abst. II 56). Vgl. Roeper Quaest. pontif. 38.

War der Ritus der Feier auf dem Albanerberg nicht genau innegehalten, so mußte eine Wiederholung (instauratio, s. d.) stattfinden (Liv. V 17, 2. [2216] Cass. Dio XXXIX 30, 4), z. B. weil der Magistrat einer Stadt nicht das vorgeschriebene Gebet für das römische Volk verrichtet hat (Liv. XLI 16, 1), oder weil die Abgesandten einer Gemeinde ihren Anteil am Opferfleisch nicht erhalten haben (Liv. XXXII 1, 9. XXXVII 3, 4), oder weil die Feier durch einen Sturm gestört ist (Liv. XL 45, 1). Über eine solche instauratio entscheidet das Kollegium der Pontifices (Liv. XXXIII 1, 9. XLI 16, 1). Die Gemeinde, deren Vertreter das Versehen verschuldet haben, muß die Opfertiere für die neue Feier liefern (Liv. XLI 16, 1). Außerdem findet auch bei besondern Gelegenheiten, namentlich als Dankfest, eine Wiederholung der f. L. statt (Liv. XLV 3, 2. Cass. Dio LV 2, 5); z. B. wird im J. 23 das Fest zweimal begangen (CIL I2 p. 58 e[3] = XIV 2240), Mommsen (Römische Forsch. II 108) denkt dabei an ein außerordentliches Dankfest wegen Übernahme der tribunicischen Gewalt durch Augustus. Über die dreifache Feier im J. 449 (CIL I2 p. 56 a. = XIV 2236) vgl. Mommsen a. a. O. 105 und Werner a. a. O. 40.

Seit der Zeit der Decemvirn wurden die Feiern der f. L. mit Angabe der leitenden Beamten aufgezeichnet, auf Grund dieser Aufzeichnung wurden in der Zeit des Augustus die Fasti der f. L. in Stein gehauen und dann weiter fortgeführt. Bruchstücke dieser Fasti sind in den Ruinen des Iuppitertempels auf dem Albanerberg gefunden worden (CIL I2 p. 55ff.[5] = VI 2011ff. 3879f. = XIV 2227ff.). Vgl. Werner a. a. O. 6ff. Mommsen Römische Forsch. II 97. De Rossi Ann. d. Inst. 1872, 162ff.; Ephem. epigr. II p. 93ff.

Daß noch im 4. Jhdt. n. Chr. das Fest gefeiert worden ist, beweisen die Erwähnungen bei den Schrifststellern der Zeit (Macrob. Sat. I 16, 6. Prudent. in Symm. I 396. Firm. Mat. de err. prof. rel. 26, 2). Die letzte Feier ist vielleicht die von Virius Nicomachus Flavianus (s. d.) veranstaltete, der 394 von Theodosius besiegt wurde. Vgl. die Anspielung in dem Gedicht Anthol. lat. I 4, 122 Riese und dazu de Rossi Ephem. epigr. II p. 101. Mommsen Herm. IV 350.

Das gesamte Material über die f. L. ist zusammengestellt in der angeführten Dissertation von Werner. Außerdem vgl. Wissowa Religion u. Kult. d. Römer 35. 109f. Marquardt Staatsverw. III 295ff. Preller-Jordan Röm. Mythologie I 211ff. Aust in Roschers Lex. II 686. Ruggiero Diz. epigr. III 53ff. Jullien bei Daremberg-Saglio Dict. II 1066.

[Samter. ]

Anmerkungen (Wikisource)

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  1. a b Corpus Inscriptionum Latinarum I, 56.
  2. Corpus Inscriptionum Latinarum I, 57.
  3. a b Corpus Inscriptionum Latinarum I, 58.
  4. Corpus Inscriptionum Latinarum I, 24.
  5. Corpus Inscriptionum Latinarum I, 55.