Burgundiones. Das Volk der Burgunder erwähnt zuerst Plin. n. h. IV 99 (Burgodiones) im Verein mit den Varini (Varinnae), Charini und Guttones, als Zweig der Vandalen (Vandili); dann Ptolemaios II 11, 8. 9. 10, der sie unter dem Namen Burguntae (Burguntes? Βουργουντῶν hat C. Müller aufgenommen, Var. Βουργούντων, Βουγούντων und ähnlich) den Semnonen gegen Osten folgen lässt, von der Oder bis zur Weichsel, die Αἰλουαίωνες (Helvecones) als ihre nördlichen, die Λοῦγοι οἱ Ὀμανοί als ihre südlichen Nachbarn angiebt. Ihr Stammland ist also an der Netze und Warthe anzusetzen (Zeuss Die Deutschen 133f.). Bei ihrer Wanderung nach dem Süden stiessen sie mit den Gepiden zusammen, deren König Fastida ihnen (unter Decius) eine schwere Niederlage beibrachte. Iordanes Get. 17 (vgl. Müllenhoff D. Altertumsk. II 91) berichtet, sie seien fast aufgerieben worden, aber die Nachricht ist wohl übertrieben, da die B. noch im Laufe dieses 3. Jhdts. den gegen Donau und Rhein vordringenden deutschen Völkerschaften folgten. Kaiser Probus hatte mit ihnen und den Vandalen zu kämpfen (Zosim. I 68, über den Schauplatz des Kampfes s. Zeuss a. O. 446f.). Es gelang ihnen nicht, mitten unter so vielen kriegerischen Völkern eine Machtstellung zu erringen; wahrscheinlich von den Vandalen verdrängt, wandten sie sich gegen den Rhein und die Alamannen. Von diesen Bewegungen berichtet nur der Panegyriker Claudius Mamertinus (pan. Maximiano d. 5; genethl. Maximiani 17). Danach lagen sie in Grenzstreitigkeiten mit den Alamannen, machten aber mit ihnen auch einen Einfall in Gallien (Schiller Gesch. der röm. Kais. II 126f.). Ihre Wohnsitze waren zu Ende des 3. Jhdts. am oberen und wohl auch mittleren Main, und hier behaupteten sie sich etwa ein Jahrhundert lang. Die Veroneser Völkertafel (XIII 17 p. 251 ed. Seeck Not. dign.) verzeichnet sie (Burgunziones) zwischen Chatten und Alamannen (Müllenhoff Deutsche
[1064] Altertumskunde III (315) unter den gentes barbarae quae pullulaverunt sub imperatoribus. Iulian lagerte 359 mit seinem Heere auf der Grenze der Alamannen und Burgunder: Amm. Marc. XVIII 2, 15 ubi terminales lapides Alamannorum et Burgundiorum confinia distinguebant (Zeuss a. O. 311f.). Mit den Alamannen standen sie nach wie vor auf gespanntem Fusse wegen der Grenzen und gewisser Salzquellen, deren Lage nicht näher bestimmt werden kann (Amm. Marc. XXVIII 5, 11 salinarum finiumque causa Alamannis saepe iurgabant, Zeuss a. O. 312. 467). Es fiel daher dem Kaiser Valentinian nicht schwer, sie gegen ihre Nachbarn aufzuwiegeln. Ein grosser Heerhaufe zog auch an den Rhein (im J. 370), musste aber, da Valentinian die in Aussicht gestellte Hülfe nicht sandte, umkehren (Amm. Marc. XXVIII 5, 8–14. Hieron. chron. 2389 Abr. Oros. VII 32, 11. Isidor. orig. IX 2, 99; vgl. Zeuss a. O. 467f. Reiche Chronol. d. 6 letzten Bücher des Amm. Marc, Liegnitz 1889, 46f. Schiller a. O. II 380f.). Zu einem neuen Vorstoss liessen sie sich erst hinreissen, als der grosse Sturm der Vandalen, Sueven und Alanen gegen Gallien erfolgte (Oros. VII 38). Wir finden sie zu Anfang des 5. Jhdts. in der Umgebung von Mainz, wahrscheinlich auf beiden Ufern des Rheins. In Mainz wurde im J. 412 durch ihren König Guntiar und den Alanen Goar Iovinus zum römischen Kaiser erhoben (Olympiod. exc. p. 454 ed. Bonn. Greg. Tur. hist. Fr. II 9. Zeuss a. O. 468). Im darauffolgenden Jahr besetzten sie das westliche Rheinufer (Burgundiones partem Galliae propinquam Rheno obtinuerunt, Chron. Prosp. Aquit. und ähnlich Cassiod. Mommsen Chron. min. I 467. II 155). Ihrem weiteren Vordringen setzte Aetius ein Ziel (Sidon. Apoll. carm. VII 233. Hydatii chron. a. 437. Mommsen Chr. min. II 23); gleichzeitig brachten ihnen Hunnen eine schwere Niederlage bei (Chron. Prosp. Aquit. und Cassiod. a. 435), wobei ihr König Gundihar (Gundicharius) erschlagen wurde. Trotzdem erhielten sie im J. 443 neue Wohnsitze am westlichen Abhang der Alpen (vgl. Mommsen Chron. min. II 232). Dieses neugegründete Burgunderreich (mit der Hauptstadt Genf) dauerte bis zum J. 533, wo es die Söhne Chlodwigs eroberten. Unter die Masse der Eingeborenen gemischt hörten die Burgunder nun auf, ein selbständiges Volk zu bilden, aber ihr Name lebte fort (Bourgogne, Burgundia bei Cassiod. Greg. Tur. Geogr. Rav. IV 26 und ö.). Ein Burgundio erscheint auf der christlichen Inschrift vom J. 629 CIL XII 2097[WS 1] (= Leblant Inscr. chrét. de la Gaule II nr. 397 a pl. 281). Aus dem 4. oder 5. Jhdt. stammt die Trierer Inschrift Hariulfus protector domesticus filius Hanhavaldi regalis gentis Burgundionum qui vicxit annos XX et mensis nove(m) et dies nove(m). Reutilo avunculus ipsius fecit, Mommsen Eph. epigr. V p. 124 und 136. Kraus Altchristl. Inschr. der Rheinlande nr. 102 (Taf. XI 1). Hettner Röm. Steindenkmäler des Provincialmus. zu Trier p. 130 nr. 298 mit Abbild. (zu dem regalis gentis Burg. vgl die Anmerk. Mommsens bei Hettner p. 131 und Waitz Deutsche Verfassungsgesch. I³ 305). Diese Inschrift enthält noch keinerlei Hinweis auf das Christentum, zu dem die B. im Anfang des 5.
[1065] Jhdts. übertraten (Oros. VII 32, 13. VII 41, 8. Socrat. hist. eccl. VII 30 ἔθνος βάρβαρον πέραν τοῦ ποταμοῦ Ῥήνου ἔχον τὴν οἴκησιν, Βουργουνζίωνες καλοῦνται κτλ.). – Die Form des Namens schwankt bei den verschiedenen Autoren und in den Hss. (s. die oben angeführten Citate): Burgodiones Plin.; τὸ τῶν Βουργουντῶν ἔθνος, τοὺς Βουργούντας Ptol. (s. o.); Burgundiones Inschr. Cl. Mamertinus (p. 93 und 115 ed. Bährens, dagegen der Accus. Burgundios p. 114, 24). Veget. mulomed. VI 6, 2 (equi Burgundiones). Chronica. Orosius. Sidon. Apoll. Cassiod. Isidor.; Burgundii Amm. Marc, (und die eine Stelle bei Cl. Mamert.) und spätere Schriftsteller (neben Burgundi); Dativ Βουργούνδοις Zosimus; Βουγούγουνδοι Agath. V 11 p. 300 ed. Bonn. (diese nach Zeuss 695 identisch mit den Urugundi, s. d.); Burgunziones mit gezischtem d Veroneser Völkertafel und die späteren Griechen (Prokop. b. Goth. I 12. Agathias I 3 p. 19 Bonn. Socrates VII 30); Βουργουντιόνων Olympiodor.; bei Iordanes bieten die Hss. Burgundiones, Burgutiones, Burgundzones, Burgunzones, Burgundzoni. Zu trennen von den B. sind wohl die Burgiones, Phrugundiones, Urugundi (s. die betr. Artikel); auch die Mugilonen Strabons sind mit Unrecht mit den B. identificiert worden (Zeuss a. O. 133). Für Verwandtschaft der B. mit den Gothen spricht auch die Angabe Ammians XXVIII 5, 14, dass ihr König hendinos, ihr oberster Priester sinistus hiess, indem diese Worte in got. kindins (ἡγεμών) und sinissa (πρεσβύτερος) ihre Erklärung finden. Wir erfahren aus dieser Stelle auch, dass die Macht des Königs eine beschränkte war, da er bei Misswachs oder anderem Unglück abgesetzt werden konnte, während der Oberpriester seine Würde auf Lebenszeit behielt und nicht abgesetzt werden konnte (Zeuss a. O. 467; vgl. auch die zu der Trierer Inschrift angegebene Litteratur). Zweifelhaft ist, ob der einheimische Name der Insel Bornholm (Borgundarholms) auf Wohnsitze der B. hindeutet (Zeuss 465. J. Grimm Gesch. d. deutschen Sprache II³ 486), und ob die aus der Langobardischen Wanderungssage bekannte Landschaft Burgundaib (Vurgundaib) bei Paul. Diac. hist. Langob. I 13 an die alte Heimat der B. im Osten erinnert (Müllenhoff D. Alt. II 98, dagegen Zeuss a. O. 695; vgl. den Artikel Urugundi). Zeuss (a. O. 133) leitet den Namen B. aus baurg (Burg) und -undja (proximus) ab (vgl. Oros. VII 32, 12, daraus Isidor. orig. IX 2, 99); nach Kluge (in Pauls Grundriss I 305), der sie mit den keltischen Brigantes zusammenstellt, bedeutet der Name monticolae, nach Much (Deutsche Stammsitze 41ff.) die ,ragenden, hohen‘ (analog die Göttin Brigantia die ,erhabene, erlauchte‘, nicht die ,bergbewohnende‘). – Ausser der bereits angeführten Litteratur vgl. noch J. Grimm Gesch. d. deutschen Sprache Cap. XXV. Derichsweiler Geschichte der Burgunder bis zu ihrer Einverleibung ins Fränkische Reich (Münster 1863). Binding Geschichte des Burgundisch-Romanischen Königreichs (Leipzig 1868). Albert Jahn Die Gesch. der Burgundionen und Burgundiens bis zum Ende der I. Dynastie (Halle, 2 Bde. 1874). E. v. Wietersheim Geschichte der Völkerwanderung, 2. Aufl. v. F. Dahn, 2 Bde. Leipz. 1880. 1881 (s. das Register). S. auch Butones.