MKL1888:Windthorst
[674] Windthorst, Ludwig, ultramontaner Parteiführer, geb. 17. Jan. 1812 zu Kaldenhof im Osnabrückschen von bäuerlichen katholischen Eltern, ward auf dem Carolinum in Osnabrück für den geistlichen Stand vorbereitet, studierte jedoch darauf in Göttingen und Heidelberg die Rechte. Er widmete sich anfangs der Advokatenlaufbahn in Osnabrück, ward dann ritterschaftlicher Syndikus und vorsitzender Rat des Konsistoriums daselbst, 1848 Oberappellationsgerichtsrat in Celle, 1849 Mitglied der hannöverschen Zweiten Kammer, in der er die partikularistische, preußenfeindliche Politik Stüves eifrig unterstützte, 1851 als Führer der ministeriellen Partei Präsident der Zweiten Kammer und 22. Nov. im Ministerium Schele Justizminister. Er setzte die Errichtung des katholischen Bistums Osnabrück und die Berufung katholischer Personen an den Hof durch. 1853 schied er aus dem Ministerium und ward wieder Abgeordneter, während er zugleich staatsrechtliche Arbeiten für fürstliche Häuser anfertigte, trat 1862 in das verfassungsfeindliche Ministerium Brandis-Platen als Justizminister, unterstützte die Bemühungen Österreichs, Hannover an seine Politik zu ketten, ward [675] 21. Okt. 1865 Kronoberanwalt in Celle, legte nach der Annexion von 1866 sein Amt nieder und führte 1867 die Verhandlungen mit Bismarck über die Abfindung des Königs Georg, die mit dem Vertrag vom 29. Sept. 1867 endeten; er ist noch der Berater und politische Vertreter des Welfenhauses. Seit 1867 auch Mitglied des norddeutschen Reichstags und des preußischen Abgeordnetenhauses für Meppen („Perle von Meppen“), trat er anfangs vorsichtig und zurückhaltend auf, nahm 17. Juni 1869 an dem antiinfallibilistischen Laienkonzil in Berlin teil, stellte sich aber zuerst auf dem ersten deutschen Reichstag im März 1871, dann auch im Abgeordnetenhaus entschieden an die Spitze der ultramontanen Partei, mit welcher er die partikularistischen Elemente der Opposition (Polen und Welfen) gegen die Regierung zu verschmelzen wußte. Schlagfertig, witzig und von scharfem Verstand, in allen Künsten sophistischer Dialektik erfahren, errang W. in den ersten Jahren seiner parlamentarischen Thätigkeit als Führer der Opposition bedeutende rhetorische Erfolge, und wenn er auch trotz aller Ränke bei Hofe die Maigesetzgebung nicht hindern konnte, so bereitete er doch Bismarck u. Falk durch seine rücksichtslose, scharfe Opposition manche Schwierigkeiten und verzögerte durch seine zahllosen Reden nach Möglichkeit den Fortgang der Geschäfte. Namentlich 1881–87 leitete er die aus allen oppositionellen Elementen gebildete Mehrheit des Reichstags. Auf den jährlichen Katholikenversammlungen gibt er die politische Parole für die ultramontane Partei aus.
[988] Windthorst, Ludwig, ultramontaner Parteiführer, starb 14. März 1891 zu Berlin, gerade als er auf der Höhe seiner parlamentarischen Erfolge zu stehen schien. Mit großer Klugheit hatte W. nach den Wahlen vom Februar 1890, welche der Zentrumspartei die entscheidende Rolle im Reichstag verschafften, seine Partei bewogen, die Wünsche des Kaisers Wilhelm II. in Bezug auf die Geldforderungen für Heer, Flotte und Kolonien zu erfüllen, und sich dadurch den Dank des Kaisers erworben. Daher brachte die Regierung 1891 ein den Wünschen der Ultramontanen entsprechendes neues Sperrgeldergesetz ein, und Goßlers Bemühungen, das Zustandekommen und die Durchführung des Volksschulgesetzes zu beschleunigen, scheiterten, worauf er seine Entlassung nahm. Unmittelbar nach diesem Siege starb W.