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MKL1888:Schubert

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Schubert“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 14 (1889), Seite 640641
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Schubert. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 14, Seite 640–641. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Schubert (Version vom 04.03.2024)

[640] Schubert, 1) Gotthilf Heinrich von, Naturphilosoph, geb. 26. April 1780 zu Hohenstein im Schönburgschen, studierte zu Leipzig Theologie, in Jena, wo er Schellings Naturphilosophie kennen lernte, Medizin, hielt als praktischer Arzt zu Dresden naturphilosophische Vorträge, aus denen seine Schrift „Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft“ (Dresd. 1808, 4. Aufl. 1840) entstand, wurde 1819 Professor der Naturwissenschaften zu Erlangen, 1827 zu München, hier zum Geheimrat ernannt und in die Akademie der Wissenschaften aufgenommen, und starb 1. Juli 1860. Von seinen zahlreichen Schriften, von denen die ersten unter dem Einfluß der Schellingschen Naturphilosophie, die spätern (seit 1817) unter dem einer mystisch-pietistischen Asketik stehen, sind außer der obigen hervorzuheben: „Ahnungen einer allgemeinen Geschichte des Lebens“ (Leipz. 1806–21, 2 Bde.); „Die Urwelt und die Fixsterne“ (Dresd. 1822, 2. Aufl. 1839); „Das Weltgebäude, die Erde und die Zeiten des Menschen auf der Erde“ (Erlang. 1852); „Symbolik des Traums“ (Bamb. 1814; 4. Aufl., Leipz. 1862); „Geschichte der Seele“ (Stuttg. 1830, 2 Bde.; 5. Aufl. 1878), sein gelesenstes Werk mit dem Nachtrag „Die Krankheiten und Störungen der menschlichen Seele“ (das. 1845); „Altes und Neues aus dem Gebiet der innern Seelenkunde“ (Leipz. u. Erlang. 1817–44 u. öfter, 5 Bde.; neue Folge, 3. Aufl., Frankf. 1856–59, 2 Bde.); seine Biographie des Pfarrers Oberlin (9. Aufl., Nürnb. 1855) und die „Mitteilungen aus dem Reiche“ in der „Evangelischen Kirchenzeitung“ (2. Aufl., Frankf. 1856). Auch einige Reisewerke, unter anderm über den Orient (Erlang. 1838–39, 3 Bde.), den er 1836–37 bereist hatte, Südfrankreich und Italien (das. 1827–31, 2 Bde.); „Biographien und Erzählungen“ (das. 1847–48, 3 Bde.); eine Reihe von Volks- und Jugendschriften (gesammelt als „Erzählende Schriften“, neue Ausg., das. 1882, 7 Bde.) sowie eine Selbstbiographie unter dem Titel: „Der Erwerb aus einem vergangenen und die Erwartungen von einem zukünftigen Leben“ (das. 1853–56, 3 Bde.) und „Erinnerungen aus dem Leben der Herzogin Helene Luise von Orléans“ (Münch. 1859, 8. Aufl. 1877), seiner ehemaligen Schülerin, hat er veröffentlich. Schuberts „Vermischte Schriften“ erschienen in 2 Bänden (Erlang. 1857–60). Vgl. Schneider, Gotth. Heinr. v. S. (Bielef. 1863).

2) Theodor von, russ. General und bedeutender Geodät und Geograph, geb. 1789 als Sohn des namhaften Astronomen S., begleitete 1805 die russische Gesandtschaft nach China, machte 1815–18 topographische Aufnahmen zwischen der Schelde und Maas und ward 1822 zum Direktor des neubegründeten topographischen Korps in St. Petersburg ernannt. Hier gab er 1826–40 die berühmte „Spezialkarte des westlichen Teils des russischen Reichs“ in 59 Blättern und seine „Postkarte des europäischen Teils des russischen Kaiserreichs und der kaukasischen Länder“ heraus; auch wurden Petersburg, Pskow und Witebsk unter seiner Leitung vollständig aufgenommen. 1833 veranstaltete er eine große chronometrische Expedition, welche die erste genauere Karte und Beschreibung des Baltischen Meers lieferte. Er veröffentlichte ferner: „Exposé des travaux astronomiques et géodésiques exécutés en Russie dans un but géographique jusqu’à l’année 1855“ (Petersburg 1855) und „Essai d’une détermination de la véritable figure de la terre“ (in den „Mémoires“ der Petersburger Akademie der Wissenschaften, 7. Serie, Teil 1). Er starb 17. Nov. 1865 in Stuttgart.

[641] 3) Franz, Komponist, geb. 31. Jan. 1797 zu Wien, wo sein Vater an der Pfarrschule der Vorstadt Lichtenthal als Lehrer angestellt war, erhielt den ersten Musikunterricht im väterlichen Haus und wurde 1808 wegen seiner schönen Stimme als Singknabe in das kaiserliche Konvikt aufgenommen. Neben dem Kompositionsunterricht von Ruczizka und Salieri genoß er hier musikalische Anregung verschiedenster Art, denn er wirkte nicht bloß als Solist im Gesang, sondern lernte auch die Instrumentalwerke J. Haydns und Mozarts kennen, da er bei dem aus den Konviktknaben gebildeten Orchester als erster Violinist verwendet wurde und in gleicher Eigenschaft bei dem Lichtenthaler Kirchenchor und bei den Quartettabenden im väterlichen Haus beschäftigt war. Nach erfolgtem Stimmwechsel aus der Anstalt entlassen, kehrte er im Oktober 1813 in das elterliche Haus zurück und lebte hier ausschließlich den musikalischen Studien, bis er, um der Konskription zu entgehen, gegen Ende 1814 Schulgehilfe seines Vaters wurde, welches Amt er drei Jahre hindurch versah. Mittlerweile hatten aber schon mehrere seiner Kompositionen in Wien die Aufmerksamkeit der Musikfreunde auf sich gezogen, und so kam es, daß S. 1818 als Sing- und Klaviermeister von dem Grafen J. Esterházy engagiert wurde und diesem nun nach Ungarn auf sein Gut Zelécz folgte. Im Spätherbst d. J. kehrte er wieder nach Wien zurück und lebte nun hier (einige vorübergehende Ausflüge nach Steiermark und Oberösterreich mit seinem Freunde, dem Hofopernsänger Vogl, sowie einen zweiten Sommeraufenthalt in Zelécz abgerechnet) bis zu seinem am 19. Nov. 1828 erfolgten Tod. Er wurde auf dem Währinger Friedhof in der Nähe von Beethovens Grabe bestattet; 1872 errichtete man ihm im Wiener Stadtpark ein Denkmal (von Kundmann). Ein Amt hatte S. niemals inne: die ihm angetragene Hoforganistenstelle schlug er aus, und die Stelle des Vizekapellmeisters an der kaiserlichen Hofkapelle, um die er sich 1826 bewarb, ward nicht ihm, sondern Weigl verliehen, so daß er, trotz der Opferbereitwilligkeit seiner zahlreichen Freunde, sein Leben in nahezu dürftigen Verhältnissen verbracht hat. S. war einer der genialsten und fruchtbarsten Komponisten aller Zeiten. Seine musikalische Hinterlassenschaft umfaßt 4 vollendete, 5 unvollendete Opern, 5 Operetten, 2 Singspiele, ein Melodram, 9 Ouvertüren (darunter die zu „Rosamunde“, „Fierabras“ und „Alfonso und Estrella“), 5 Messen, 2 Stabat mater, ein großes Halleluja, eine achtstimmige Hymne für Männerchor mit Begleitung von Blasinstrumenten und andre kleinere Kirchenkompositionen, an 600 Lieder, von denen die Cyklen: „Die schöne Müllerin“, „Winterreise“ und „Schwanengesang“ die bekanntesten sind, sodann 9 Symphonien (einige unvollendet), ein Oktett, ein Streichquintett und 12 (nach andern 15) Streichquartette; ferner das berühmte sogen. Forellen-Klavierquintett, 2 Trios, 2 große Duos und 3 kleinere Duos für Klavier und Violine. Diesen Meisterwerken stehen ebenbürtig zur Seite die zahlreichen zwei- und vierhändigen Klavierkompositionen Schuberts, die Sonaten, Impromptus, Polonäsen, Märsche, von welch letztern Liszt mehrere meisterhaft instrumentiert hat. In allen diesen Werken offenbart sich eine überströmende Phantasie, blühendste Frische des Ausdrucks und unerschöpflicher Reichtum melodischer und harmonischer Erfindung. Obwohl vorwiegend für die Lyrik beanlagt und demgemäß in den kleinern Musikformen am meisten heimisch, wußte doch S. auch die größern Gattungen der Vokal- und Instrumentalkomposition stets mit dem ihnen entsprechenden Inhalt zu erfüllen, und selbst als Symphoniekomponist ist er seinem großen Vorbild Beethoven näher gekommen als einer seiner Zeitgenossen und Nachfolger. Die unmittelbare Nachbarschaft des größern Meisters und seine eigne kurze Lebensdauer erklärt es, daß mit Ausnahme seines Es dur-Trios nicht ein einziges seiner großen Instrumentalwerke bei seinen Lebzeiten die gebührende Beachtung finden konnte. Nur seine Lieder, in denen er die von seinen Vorgängern auf diesem Gebiet (J. H. Reichardt, Zelter u. a.) gemachten Versuche einer künstlerischen Veredelung des deutschen Volksliedes in mustergültiger Weise zum Abschluß brachte, wurden schon von den Zeitgenossen ihrem vollen Wert nach erkannt, doch auch dies erst, nachdem sie in dem Sänger Vogl einen liebe- und verständnisvollen Interpreten gefunden hatten. So bedurfte es z. B. voller fünf Jahre, bis der 1816 geschriebene „Erlkönig“ ins Publikum drang, und wenn nach dem Erfolg dieses Liedes Schuberts Name in ganz Deutschland bekannt wurde, so blieb doch die Nachfrage nach seinen Werken auch jetzt noch weit hinter seiner Produktion zurück. Kaum der sechste Teil seiner gegenwärtig bekannten Lieder ist bei seinen Lebzeiten veröffentlicht worden, obwohl er kaum eins geschrieben hat, welches nicht den Stempel des Genius trüge und in der Gesamtwirkung wie in allen Einzelheiten von der wunderbaren musikalischen Gestaltungskraft ihres Autors Zeugnis ablegte. Eine Gesamtausgabe seiner Werke haben Breitkopf u. Härtel in Leipzig unternommen. Seine Biographie schrieben Kreißle v. Hellborn (Wien 1865) und Reißmann (Berl. 1873).

4) Friedrich Wilhelm, Geschichtschreiber und Statistiker, geb. 20. Mai 1799 zu Königsberg i. Pr., war seit 1823 bis zu seinem 21. Juli 1868 erfolgten Tod Professor daselbst. Seine Hauptwerke sind: „Handbuch der allgemeinen Staatskunde von Europa“ (Königsb. 1835–48, 2 Bde.); „Die Verfassungsurkunden und Grundgesetze der Staaten Europas und der nordamerikanischen Freistaaten etc.“ (das. 1840–50, 2 Bde.). Mit Rosenkranz besorgte er die Herausgabe der Schriften Kants, welchen er eine Biographie desselben (Leipz. 1842, Bd. 11) hinzufügte. Er war 1848 Mitglied der deutschen Nationalversammlung, seit 1864 lebenslängliches Mitglied des preußischen Herrenhauses.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 736
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[736]  Schubert, 5) Georgine, Bühnensängerin, geb. 28. Okt. 1840 zu Dresden, erhielt Gesangunterricht bei Jenny Lind und 1857–59 bei Manuel Garcia in London, debütierte 1859 mit großem Erfolg als Nachtwandlerin auf dem Hamburger Stadttheater und ging bald darauf mit der Ungher-Sabatier nach Florenz, wo sie an der Pergola auftrat. Später sang sie an der königlichen Oper in Berlin, darauf längere Zeit in Frankfurt a. M. und begab sich von da nach Paris, wo sie am Théâtre lyrique ein Engagement fand, nach dessen Abschluß sie zahlreiche Gastspiele auf deutschen Bühnen gab. 1865 wurde sie am Hoftheater zu Hannover, 1868 am Hoftheater zu Strelitz angestellt. Allgemeine Bewunderung fand ihr Auftreten in dem großen Londoner Mozart-Konzert von 1875. Sie starb 26. Dez. 1878 in Potsdam. Reich beanlagt, vollendet musikalisch durchgebildet und von sympathischer Tongebung, verstand sie auch in charakteristischer Weise dramatisch zu gestalten, wovon sowohl ihre Norma, Lucrezia, Valentine, Donna Anna als auch ihre Agathe, Elisabeth, Frau Fluth, Rosa Friquet Beweise lieferten. Vgl. Glümer, Georgine S., Erinnerungsblatt (Dresd. 1880).