MKL1888:Räderwerke
[538] Räderwerke (Rädergetriebe), Verbindungen von Rädern und Radwellen (s. Rad) derart, daß sie zur Bewegungsübertragung von Welle zu Welle dienen. Sie beruhen in der Hauptsache auf dem Prinzip des Rades an der Welle (s. d.) und unterliegen daher im allgemeinen den Hebelgesetzen. Zu jedem Räderwerk gehören mindestens zwei mit je einem Rad versehene Wellen (sogen. Vorgelege), deren eine auf irgend eine Weise (z. B. vermittelst einer an ihr befestigten Kurbel) eine Drehbewegung empfängt und mit Hilfe ihres Rades (des treibenden Rades) auf das Rad der Nachbarwelle (das getriebene Rad) und somit auch auf diese überträgt. Die Kraftübertragung von Rad zu Rad geschieht entweder mittels ineinander greifender Vorsprünge (Kämme, Zähne) oder unter Anwendung eines künstlichen Druckes durch die Reibung der Radkränze, wonach man Zahnräderwerke [539] (s. d.) und Reibungsräderwerke (Friktionsräderwerke) unterscheidet. Läßt man im letztern Fall die Radkränze direkt gegeneinander reiben, so hat man die direkt wirkenden Reibungsräderwerke (s. Friktionsräder); erzeugt man jedoch die zur Übertragung nötige Reibung durch ein um beide Räder gelegtes biegsames Zwischenorgan (Riemen, Schnur, Seil, Band), so erhält man die indirekt wirkenden Reibungsräderwerke, welche weiter in Riemenräderwerke (Seiltrieb, Schnurtrieb, s. d.) eingeteilt werden. Auch bei Zahnrädern kommt eine indirekte Übertragung vor in der Weise, daß in die Zähne eingreifende Ketten als Zwischenglieder benutzt werden (sogen. Kettenräder). Die Zahnräder arbeiten entschieden sicherer als die Reibungsräder und sind daher vorzuziehen, wenn es sich entweder um möglichst präzise Bewegungsübertragung (z. B. bei Uhren, Schraubenschneidemaschinen etc.) oder um die Übertragung sehr großer Kräfte (z. B. bei Winden, Kränen) handelt. Auch sind bei ihnen die Reibungsverluste verhältnismäßig gering, dagegen verursachen sie, besonders bei großer Umfangsgeschwindigkeit, leicht großen Lärm und bei Veränderungen der Geschwindigkeit sowie bei plötzlichem Ein- und Ausrücken starke Stöße. Dem gegenüber zeichnen sich die Reibungsräder durch einen sanften, geräuschlosen und Bewegungsunterschiede vermittelnden Gang aus, allerdings unter einer Vergrößerung der Reibungswiderstände, wie sie durch den für die Bewegung durch Reibung erforderlichen Druck hervorgerufen wird. Fernere Vorzüge der indirekt wirkenden Reibungsräderwerke sind die Leichtigkeit der Verbindung von Maschinen auf größere Entfernungen (z. B. der Arbeitsmaschinen mit einer Deckentransmission durch Riemen, eines Motors mit einer mehrere hundert Meter entfernten Kraftmaschine durch Seiltrieb etc.) und die Veränderlichkeit des Übersetzungsverhältnisses. Nach der Lage der Achsen lassen sich folgende Anordnungen von Räderwerken unterscheiden: die Achsen fallen in dieselbe Linie (dann spricht man nicht mehr von einem Räderwerk, sondern von einer Kuppelung [s. d]; nur wenn solche Achsen durch Vermittelung einer dritten aufeinander wirken, hat man ein wirkliches Räderwerk); die Achsen sind parallel, und die Räder liegen in einer Ebene (der gewöhnlichste Fall, wird repräsentiert durch Stirnräderwerke und zwar Zahn- oder Reibungsräderwerke, den offenen und geschränkten Riementrieb, Schnurtrieb, Seiltrieb); die Achsen schneiden sich (konische R., Riementrieb, Schnurtrieb etc. mit Leitrollen); die Achsen kreuzen sich in verschiedenen Ebenen, sind windschief (Schrauben- und hyperbolische R., geschränkter Riementrieb). Im allgemeinen geschieht bei Räderwerken die Übertragung der Bewegung von einem Rad auf das andre dadurch, daß sich die Umfänge aufeinander abrollen. Es ist daher die Umfangsgeschwindigkeit beider Räder gleich, dagegen steht die Winkelgeschwindigkeit und die Anzahl der Umläufe in der Minute zu der Größe der Umfänge (bei Zahnrädern auch zu der Anzahl der Zähne) und somit zu der Größe der Radien im umgekehrten Verhältnis (das sogen. Übersetzungsverhältnis). Nur bei Schrauben- und Hyperboloidrädern sind diese Beziehungen wegen des Hinzutretens axialer Verschiebungen komplizierter. Die Größe des Übersetzungsverhältnisses zwischen den Rädern eines Räderpaars oder Vorgeleges ist aus praktischen Rücksichten innerhalb gewisser Grenzen zu halten, weshalb man sehr häufig mehrfache Vorgelege, d. h. Kombinationen von mehr als zwei durch Räder verbundenen Wellen, anwendet. Hier erhält man das Gesamtübersetzungsverhältnis durch Multiplikation der Übersetzungsverhältnisse der einzelnen Räderpaare. Häufig ist es erwünscht, das Übersetzungsverhältnis variieren zu lassen. Hier sind R. aus exzentrischen, Ellipsen-, Polygonalrädern etc. am Platz, wenn es sich um eine fortwährende periodisch ungleichförmige Bewegungsübertragung handelt. Wünscht man jedoch das Übersetzungsverhältnis innerhalb gewisser Grenzen beliebig einstellen zu können, so kann man auswechselbare Räder, aus- und einrückbare Vorgelege, Stufenscheiben sowie besondere Konstruktionen der Reibungsräder anwenden (s. Wechselgetriebe). R., welche eine Änderung der Bewegungsrichtung zulassen, heißen Wendegetriebe (s. d.). S. auch Getriebe. Vgl. Weisbach-Herrmann, Mechanik, Tl. 3, Abt. 1 (2. Aufl., Braunschw. 1876); Reuleaux, Der Konstrukteur (4. Aufl., das. 1882); v. Reiche, Maschinenfabrikation (Leipz. 1876); Keller, Triebwerke (2. Aufl., Münch. 1881); Pinzger, Maschinenelemente (2. Aufl., Leipz. 1883).
[695] Räderwerke geben häufig zu Unglücksfällen Anlaß und bedürfen daher besonderer Schutzvorrichtungen. Als Grundsatz wird allseitig die Notwendigkeit hingestellt, Räder überall in irgend einer Weise zu verdecken oder einzufriedigen, sobald sie sich im Bereich der Arbeiter befinden. Die Art der Umhüllungen ist in jedem einzelnen Fall zweckmäßig zu wählen und wird aus Holz, Blech oder Drahtgeflecht hergestellt. Räder, welche einer besondern Beobachtung nicht bedürfen, werden am besten mit festen Hüllen versehen. Bei Rädern, welche öfter nachgesehen oder ausgewechselt werden müssen (z. B. die Wechselräder der Spindeldrehbänke), wendet man aufklappbare oder sonst leicht zu entfernende Hüllen an und zwar am besten in einer solchen Verbindung mit dem Ausrücker der betreffenden Maschine, daß die Umhüllung nur dann geöffnet werden kann, wenn die Maschine zum Stillstand gebracht ist. Sehr wesentlich für die Sicherheit der Arbeiter ist der Umstand, daß das Reinigen der Zahnräder nur während des Stillstandes, das Schmieren womöglich während des Stillstandes geschieht. Andernfalls muß man sich zum Schmieren einer mit Fett bestrichenen Bürste bedienen. Besonders gefahrbringend sind die Riemenräderwerke. Zum gefahrlosen Auf- und Ablegen der Riemen, das immer noch vielfach mit den Händen geschieht, bedient man sich entweder einfacher Stangen oder zweckmäßiger Stangen mit einem eisernen Seitenarm (sogen. Hakenstangen). Abänderungen derselben sind die Riemenaufleger von Dülken
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Fig. 1–3. Pretzels Riemenaufleger. |
u. Pretzel. Letzterer (Fig. 1–4) besteht aus der Stange a mit daran befestigten Bogenschienen b, an welchen, mittels Stifte geführt, noch zwei andre Schienen i laufen, die sich beim Auflegen je nach dem Umfang der Riemenscheibe selbstthätig herausziehen (Fig. 1–3) und am Ende durch eine Hülse c verbunden (Fig. 4, S. 696) sind, in der sich ein verschiebbarer Dorn d befindet, der sich mit Hilfe der Klemmschraube e feststellen läßt. Auf dem Dorn sitzt fest die kleine Scheibe f und drehbar die große Scheibe g. Die Entfernung zwischen beiden stellt man so ein, daß sie etwas größer ist als die betreffende Riemenscheibe. Darauf schiebt man den Dorn d so gegen den um die ruhende Riemenscheibe geschlungenen Riemen h, daß derselbe zwischen f und g liegt, hebt den Riemen hoch, bringt ihn in etwas schiefer Stellung an die rotierende Riemenscheibe k und erfaßt mit der kleinen Scheibe f die gegenüberliegende Kante dieser Riemenscheibe, wobei die Hülse der drehbaren Scheibe g mit der rotierenden Riemenscheibe in Berührung [696] kommt, und nun wird der Dorn d samt dem Riemen aus der Stellung Fig. 2 in die Stellung Fig. 3 mit herumgenommen, der Riemen liegt dann auf der Scheibe, und der Aufleger wird nach untenhin frei (Fig. 3). Zu beachten ist noch, und das gilt für alle ähnlichen Riemenaufleger, daß die Riemen immer in der Richtung der Drehung der Riemenscheibe aufgelegt werden müssen. Andre Arten von
Fig. 4. Pretzels Riemenaufleger. | |
Fig. 5. Herlands Riemenaufleger. | |
Riemenauflegern, die besonders bei breiten Riemen (über 100 mm) Verwendung finden, sind an den Riemenscheiben selbst angebracht. Der Riemenaufleger von Herland (Fig. 5) besteht aus einem zugespitzten Blechstreifen b, welcher, seitwärts am Kranz der Riemenscheibe auf ca. ein Viertel des Umfanges befestigt, kurz umbiegend nach der Welle zu und um dieselbe herumgeführt ist. An der Biegung ist der Blechstreifen breiter als der Riemen a selbst. Der aufzulegende Riemen a wird mittels einer Gabel c in die Nähe der Riemenscheibe an der Anlaufseite bis an die Verbreiterung geführt und läuft dann, gedrückt durch diese Gabel, ohne Gefahr für den betreffenden Arbeiter von selbst auf, indem er sich zunächst auf den einwärts gerichteten Teil des Blechstreifens aufschiebt und bei einer Drehung der Scheibe in der Pfeilrichtung von der Umbiegungsstelle d erfaßt und allmählich um die Scheibe herumgeleitet wird. Andre Riemenaufleger sind die von Berzen, Bach, Reinhard. Damit die abgeworfenen Riemen nicht auf der umlaufenden Welle selbst aufliegen, was leicht zu einem plötzlichen Abreißen des Riemens und event. zur Beschädigung eines dabei beschäftigten Arbeiters Veranlassung geben kann, empfiehlt sich die Anbringung von Riementrägern neben der Riemenscheibe in Form eines einzelnen Hakens oder bei schwereren Riemen besser eines mit Hakenbolzen besetzten Halbkreises aus Flacheisen. Soweit die Riemen im Verkehrsbereich der Arbeiter liegen, sollten sie verdeckt sein und zwar mit Brettern, Gittern oder Drahtnetzen. Ähnliches gilt auch von den Seilen der Seiltriebe. Beim Reißen der an der Decke mit großer Geschwindigkeit laufenden Riemen kommt es häufig vor, daß das ablaufende Riemenende von der treibenden Scheibe mit großer Heftigkeit umhergeschleudert wird und dadurch Verletzungen hervorbringt, z. B. Augen ausschlägt. Als Schutz dagegen wird vor der treibenden Scheibe eine Hängestange mit zwei Querstangen oder auch ein Brett, bez. ein Drahtgitter unter dem Riemen angebracht. Die einfachste und beliebteste Befestigung der Räder, Riemenscheiben, Seilscheiben etc., auf den Wellen geschieht mittels der Längskeile, speziell mittels des sogen. Nasenkeils, dessen hervorstehende Nase durch Erfassen von Kleidungsstücken schon unzählige Unglücksfälle herbeigeführt hat. Man soll daher entweder die Nasenkeile durch andre Befestigungsmittel, z. B. versenkte Schrauben oder Bogenkeile, wie sie bei der Kernaulschen Kuppelung vorkommen (vgl. Kuppelungen, Bd. 10), ersetzen, oder aber wenigstens die Keile mit geeigneten Blechhüllen umgeben.