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MKL1888:Baur

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Baur“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 2 (1885), Seite 524525
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Baur. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 2, Seite 524–525. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Baur (Version vom 26.04.2025)

[524] Baur, 1) Ferdinand Christian, berühmter Theolog der Neuzeit, geb. 21. Juni 1792 zu Schmiden bei Stuttgart, ward 1817 Professor am theologischen Seminar zu Blaubeuren und 1826 ordentlicher Professor der evangelischen Theologie an der Universität zu Tübingen, wo er 2. Dez. 1860 starb. Nach Herausgabe seiner „Symbolik und Mythologie, oder die Naturreligion des Altertums“ (Stuttg. 1824–25, 3 Bde.) bebaute er in epochemachender Weise die Gebiete der Dogmengeschichte, der kirchlichen Symbolik und der biblischen Kritik. Zuerst auf dem Standpunkt Schleiermachers stehend, schloß er sich schon in seinen Schriften über „Das manichäische Religionssystem“ (Tübing. 1831) und „Die christliche Gnosis, oder die christliche Religionsphilosophie in ihrer geschichtlichen Entwickelung“ (das. 1835) der Hegelschen Schule an, welcher er dann in seiner philosophischen Behandlung der gesamten Kirchengeschichte treu geblieben ist. Den eigentlichen Glanzpunkt seiner historischen Forschungen bildete speziell das dogmengeschichtliche Feld, teils in den beiden umfassenden Monographien: „Die christliche Lehre von der Versöhnung in ihrer geschichtlichen Entwickelung von der ältesten Zeit bis auf die neueste“ (Tübing. 1838), „Die christliche Lehre von der Dreieinigkeit und Menschwerdung Gottes“ (das. 1841–43, 3 Bde.), teils in seinem „Lehrbuch der christlichen Dogmengeschichte“ (Stuttg. 1847, 3. Aufl. 1867) und in seinen „Vorlesungen über die christliche Dogmengeschichte“ (Leipz. 1865–67, 3 Bde.). Ein zweites verwandtes Gebiet, auf welchem B. wirkte, ist die Symbolik im kirchlichen Sinn; er verteidigte den Lehrbegriff der evangelischen Kirche gegen Möhlers „Symbolik“ in der Schrift „Der Gegensatz des Katholizismus und Protestantismus“ (Tübing. 1833, 2. Aufl. 1836). Mit Vorliebe endlich wandte er sich der Urgeschichte des Christentums zu. Wo man früher im apostolischen Zeitalter nur Frieden und Einheit gesehen hatte, da suchte er den Kampf entgegengesetzter Richtungen nachzuweisen, eines jüdisch-gesetzlichen Messiasglaubens und des von Paulus eingeführten Prinzips der gesetzesfreien Weltreligion. Aus der Auseinandersetzung, in welcher beide Richtungen anderthalb Jahrhunderte lang miteinander begriffen waren, ging dann die katholische Kirche hervor; als Denkmäler dieses kirchenbildenden Prozesses seien unsre neutestamentlichen Schriften entstanden, meist im 2. Jahrh. Vor dem Jahr 70 bleiben als echte Schriften nur bestehen die vier größern Briefe des Paulus und die Offenbarung des Johannes. Zusammengefaßt sind die auf die Apostelgeschichte und die Paulinischen Briefe sich beziehenden Untersuchungen in dem Werk „Paulus, der Apostel Jesu Christi“ (Stuttg. 1845; 2. Aufl., Leipz. 1867), seine die evangelische Überlieferung betreffenden Studien dagegen in den „Kritischen Untersuchungen über die kanonischen Evangelien, ihr Verhältnis zu einander, ihren Ursprung und Charakter“ (Tübing. 1847), wozu als Nachtrag kommt die Schrift „Das Markus-Evangelium nach seinem Ursprung und Charakter“ (das. 1851). Die von B. und seinen Schülern, wie Zeller, Schwegler, Köstlin, Hilgenfeld (s. d.), verfolgte kritische Richtung, als deren Organ die „Theologischen Jahrbücher“ von 1842 bis 1857 erschienen, bezeichnet man mit dem Namen der Tübinger Schule. Vgl. Baurs Schrift „Die Tübinger Schule und ihre Stellung zur Gegenwart“ (Tübing. 1859) und Zeller, Vorträge und Abhandlungen, S. 267 ff., 354 ff. (Leipz. 1865). Dieselbe brach einer durchaus neuen Anschauung des Urchristentums Bahn, welche gewiß auf vielen Punkten anfechtbar, aber schon darum epochemachend ist, weil sie zuerst die allgemein gültigen Gesetze der Geschichtswissenschaft auf diesem Gebiet zur Anwendung gebracht hat. Die beste Gesamtdarstellung gibt B. selbst in dem Werk „Das Christentum und die christliche Kirche der drei ersten Jahrhunderte“ (Tübing. 1853, 3. Aufl. 1863). Daran schließen sich: „Die christliche Kirche vom Anfang des 4. bis zum Ende des 6. Jahrhunderts“ (Tübing. 1859; 2. Aufl., Leipz. 1863); „Die christliche Kirche des Mittelalters“ (das. 1861, 2. Aufl. 1869); „Die Kirchengeschichte der neuern Zeit“ (das. 1863); „Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts“ (das. 1862, 2. Aufl. 1877). Vgl. auch Baurs Werk „Die Epochen der kirchlichen Geschichtschreibung“ (Tübing. 1852).

2) Gustav, evangel. Theolog, geb. 14. Juni 1816 zu Hammelbach im Odenwald, habilitierte sich 1841 an der theologischen Fakultät zu Gießen, wo er 1847 außerordentlicher, 1849 ordentlicher Professor wurde, ging 1861 als Hauptpastor der Jakobigemeinde nach Hamburg und 1870 als ordentlicher Professor nach Leipzig. Unter seinen Schriften sind außer mehreren Predigtsammlungen zu nennen: „Grundzüge der Homiletik“ (Gießen 1848); „Grundzüge der Erziehungslehre“ (3. Aufl., das. 1876); die unvollendete „Geschichte der alttestamentlichen Weissagung“ (das. 1861); „Boetius und Dante“ (Leipz. 1874).

3) Wilhelm, Theolog, Bruder des vorigen, geb. 16. März 1826 zu Lindenfels im Odenwald, studierte in Gießen, wurde 1865 Pastor in Hamburg und Direktor der dortigen Stadtmission, 1872 Hof- und Domprediger in Berlin, 1879 Oberkonsistorialrat, 1881 Propst, 1883 Generalsuperintendent der Rheinprovinz. Er ist Mitglied des Zentralausschusses für innere Mission. Von seinen volkstümlichen Schriften sind zu erwähnen: „Geschichts- und Lebensbilder aus der Erneuerung des religiösen Lebens in den deutschen Befreiungskriegen“ (4. Aufl., Hamb. 1884, 2 Bde.); „Das deutsche evangelische Pfarrhaus“ (3. Aufl., Brem. 1884); „Leben des Freiherrn vom Stein“ (2. Aufl., Karlsr. 1885), kleinere Lebensbeschreibungen von Stein (4. Aufl., Barm. 1880), Friedrich Perthes (2. Aufl., das. 1880) und E. M. Arndt (5. Aufl., Hamb. 1882).

4) Hans, Bildhauer, geb. 1829 zu Konstanz, lernte die Bildhauerei zunächst bei Öchslin in Schaffhausen, dem Schüler Danneckers, und studierte dann in München [525] unter Widnmann. Sein erstes Hauptwerk waren die kolossalen Statuen des heil. Konrad und des heil. Pelagius im Dom zu Konstanz, denen die Statuen des Markgrafen Bernhard III. von Baden und des Bischofs Gebhard von Konstanz daselbst folgten. 1860 wurde ihm das Modell der kolossalen Statue des Vaters Rhein für die Rheinbrücke bei Kehl übertragen, 1862 lieferte er für die Rheinbrücke bei Konstanz die Sandsteinstatuen des Herzogs Berthold I. von Zähringen und des Großherzogs Leopold von Baden sowie 1873 das eherne Siegesdenkmal einer Viktoria in Konstanz.

5) Franz, Forstmann, Bruder von B. 2 u. 3), geb. 10. März 1830 zu Lindenfels im Odenwald, studierte in Gießen, war 1855–60 Professor der Forstwissenschaft und Mathematik an der böhmischen Forstschule zu Weißwasser, darauf als Oberförster in Mitteldick bei Darmstadt praktisch thätig, folgte 1864 einem Ruf als Professor an die land- und forstwirtschaftliche Akademie zu Hohenheim, stand seit 1872 an der Spitze der forstlichen Versuchsstation daselbst und erhielt 1878 eine forstwissenschaftliche Professur an der Universität zu München. In demselben Jahr ward er durch Verleihung des württembergischen Kronenordens in den Adelstand erhoben. B. hat durch seine Schrift „Über forstliche Versuchsstationen“ (Stuttg. 1868) die erste wirksame Anregung zur Organisation des forstlichen Versuchswesens in Deutschland gegeben. Außerdem schrieb er: „Die Holzmeßkunst“ (3. Aufl., Wien 1882); „Lehrbuch der niedern Geodäsie“ (3. Aufl., das. 1879); „Die Fichte in Bezug auf Ertrag, Zuwachs und Form“ (Berl. 1876); „Untersuchungen über den Festgehalt und das Gewicht des Schichtholzes und der Rinde. Ausgeführt von dem Verein deutscher forstlicher Versuchsanstalten“ (Augsb. 1879); „Die Rotbuche in Bezug auf Ertrag, Zuwachs und Form“ (Berl. 1881). Seit 1866 ist er Herausgeber der „Monatsschrift für das Forst- und Jagdwesen“, seit 1879 unter dem Titel: „Forstwissenschaftliches Zentralblatt“ erscheinend.

6) Albert, Maler, geb. 13. Juli 1835 zu Aachen, bildete sich an der Akademie in Düsseldorf bei Sohn und bei Kehren, dann in München bei Schwind aus. Im J. 1861 kam er nach Düsseldorf zurück, wo er durch seinen Karton: die Leiche Ottos III. wird über die Alpen nach Deutschland gebracht, den von der Verbindung für historische Kunst ausgesetzten Preis gewann. Er führte denselben später in Öl aus; auf der Rundreise durch Deutschland jedoch machte das Bild infolge der zweigeteilten Komposition und der stumpfen, trüben Farbe wenig Glück. Bei der 1864 ausgeschriebenen Konkurrenz zur Ausschmückung des Schwurgerichtssaals in Elberfeld errang er den ersten Preis, und die Arbeit (Szenen aus dem Jüngsten Gericht) wurde ihm übertragen (1869 vollendet). Im J. 1872 beteiligte er sich an der Konkurrenz des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen mit der großen Ölskizze: der gefangene Apostel Paulus predigt in Rom, welche er später als Gemälde ausführte. Von andern Arbeiten sind zu erwähnen: christliche Märtyrer werden von ihren Angehörigen zum Begräbnis abgeholt (in der städtischen Galerie zu Düsseldorf) und Otto I. an der Leiche seines Bruders Dankmar (1874, in der Kirche von Eresburg). Dazwischen liegen kleinere Bilder aus dem deutschen Mittelalter und dem altrömischen Leben. Im J. 1872 wurde B. zum Professor an der großherzoglichen Akademie in Weimar ernannt. 1876 legte er jedoch seine Professur nieder und lebt seitdem wieder in Düsseldorf, wo er neben Porträten und kleinern Gemälden, wie jagende Amazonen u. a., ein großes Bild: die Versiegelung des Grabes Christi (1879), malte, welches sich durch den Ernst der historischen Auffassung und durch Kraft und Reichtum der Farbe auszeichnete.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 99
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[99] Baur, 2) Gustav, evang. Theolog, starb 22. Mai 1889 in Leipzig.