Zum Inhalt springen

MKL1888:Baurecht

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Baurecht“ in Meyers Konversations-Lexikon
Seite mit dem Stichwort „Baurecht“ in Meyers Konversations-Lexikon
Band 2 (1885), Seite 525526
Mehr zum Thema bei
Wikisource-Logo
Wikisource: [[{{{Wikisource}}}]]
Wiktionary-Logo
Wiktionary:
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Indexseite
Empfohlene Zitierweise
Baurecht. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 2, Seite 525–526. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Baurecht (Version vom 25.04.2025)

[525] Baurecht, im subjektiven Sinn die Befugnis des Grundeigentümers, auf seinem Grund und Boden bauliche Anlagen vorzunehmen; im objektiven Sinn der Inbegriff der Rechtsnormen, welche sich auf die Ausübung dieses Rechts beziehen und dasselbe begrenzen und beschränken. Solche Beschränkungen sind teils im öffentlichen Interesse geboten, teils zur Sicherung der Nachbarn durch die Gesetzgebung getroffen. Während die letztern privatrechtlicher Natur sind, gehören die erstern in das Gebiet der Baupolizei, welche alle Maßregeln umfaßt, die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei Bauten bestimmt sind. Die baupolizeilichen Vorschriften sind teils allgemeiner, teils lokaler Natur. Neben allgemeinen Gesetzen und Verordnungen finden sich für einzelne Gemeinden, namentlich für größere Städte, besondere statutarische Normen, neben allgemeinen und umfassenden Bauordnungen (Baupolizeiordnungen) Spezialgesetze über einzelne Fragen des öffentlichen Baurechts. Für die preußische Monarchie fehlt es an einer allgemeinen Baupolizeiordnung. Neben den Vorschriften des allgemeinen preußischen Landrechts (Teil I, Tit. 8, § 67 ff.) bestehen nur zahlreiche Vorschriften von provinziellem oder lokalem Charakter. Dagegen ist für Bayern eine allgemeine Bauordnung vom 30. Aug. 1877 mit Nachtrag vom 19. Sept. 1881 erlassen, dazu die Bauordnung für die Haupt- und Residenzstadt München vom 3. April 1879. Für Württemberg gilt die Bauordnung vom 6. Okt. 1872, für Hessen die Bauordnung vom 30. April 1881, für Braunschweig die Bauordnung vom 15. Juni 1876 etc. Zweck dieser Bauordnungen (Baureglements) ist die Sicherstellung gegen Feuersgefahr und die Verhütung von Unglücksfällen, namentlich von Einsturz der Gebäulichkeiten. Dazu kommen Vorschriften sanitätspolizeilicher Art, aber auch Bestimmungen, welche im Interesse der Zweckmäßigkeit, der Schönheit und des Geschmacks erlassen sind. Für größere Ortschaften sind regelmäßig besondere Bebauungspläne und Baufluchtlinien amtlich festgestellt, welche von den Privaten innegehalten werden müssen (s. Bebauungsplan). Außerdem ist den Gemeinden durch das Mittel der Zwangsenteignung oder Expropriation die Möglichkeit zur Herstellung gerader und zweckmäßiger Straßenzüge gegeben. Regelmäßig ist ferner für Neubauten und größere Reparaturen die Einholung der Genehmigung der Baupolizeibehörde (Baukonsens) erforderlich; auch finden Baurevisionen und baupolizeiliche Abnahmen der Neubauten statt. Die baupolizeiliche Genehmigung eines Bauerlaubnisgesuchs, welch letzterm Grund- und Aufriß, Situationsplan und Fassadezeichnung beizugeben sind, bezieht sich jedoch nur auf die Wahrung des öffentlichen Interesses, ohne daß etwanige Privatansprüche dritter Personen, insbesondere der Nachbarn, dadurch berührt würden. Außerdem ist die Baupolizeibehörde befugt, notwendige Reparaturen von Gebäuden anzuordnen und deren Vornahme nötigenfalls durch Strafen zu erzwingen. Das deutsche Strafgesetzbuch (§ 367, Ziff. 13) bedroht denjenigen, welcher trotz der polizeilichen Aufforderung es unterläßt, Gebäude, welche den Einsturz drohen, auszubessern oder einzureißen, mit Geldstrafe bis zu 150 Mk. oder mit Haftstrafe bis zu sechs Wochen. Die gleiche Strafe trifft denjenigen (Strafgesetzbuch, § 367, Ziff. 15), welcher als Bauherr, Baumeister [526] oder Bauhandwerker einen Bau oder eine Ausbesserung, wozu die polizeiliche Genehmigung erforderlich ist, ohne diese Genehmigung oder mit eigenmächtiger Abweichung von dem durch die Behörde genehmigten Bauplan ausführt oder ausführen läßt. Zu manchen baulichen Anlagen, nämlich zu solchen, welche durch die örtliche Lage oder durch die Beschaffenheit der Betriebsstätte für die Besitzer oder Bewohner der benachbarten Grundstücke oder für das Publikum überhaupt erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen herbeiführen können, ist die vorherige gewerbepolizeiliche Genehmigung nach der deutschen Gewerbeordnung (§ 16) erforderlich, welche erst nach vorgängiger Bekanntmachung der beabsichtigten Anlage und nach dem gesetzlich geordneten Verfahren erteilt wird. Dahin gehören z. B. Schießpulverfabriken, Kalk-, Ziegel- und Gipsöfen, Hammerwerke, chemische Fabriken, Schlächtereien, Gerbereien u. dgl. Der Nachweis genügender Befähigung, welcher früher von Bauhandwerkern und Bauführern erbracht werden mußte, ist nach der deutschen Gewerbeordnung nicht mehr erforderlich. Dagegen müssen Baumeister, welche mit obrigkeitlichen Funktionen ausgestattet werden und welche öffentliche Bauten ausführen, die für das Baufach vorgeschriebenen Prüfungen bestanden haben. Neben den aufgeführten baupolizeilichen Beschränkungen ist das subjektive B. des Grundeigentümers auch manchen Beschränkungen privatrechtlicher Natur unterworfen. Derartige Beschränkungen des Eigentums können durch Vertrag oder durch erwerbende Verjährung entstehen; manche sind aber schon im Gesetz selbst gegeben. In ersterer Beziehung sind namentlich zu nennen: die Servitut der Lasttragung des Gebäudes oder das Recht, vermöge dessen jemandes Gebäude auf irgend einem Teil des benachbarten Hauses stehen darf, wobei dem Nachbar noch die Verpflichtung auferlegt ist, für gehörige Instandhaltung der Teile seines Gebäudes, auf welchen das betreffende Haus ruht, Sorge zu tragen; das Balken-, Träger- oder Tramrecht oder die Befugnis, Balken, Träger oder einen sonstigen hervorragenden Teil eines Gebäudes in des Nachbars Mauer einzuschieben oder darauf ruhen zu lassen, wobei jedoch der Nachbar nicht verpflichtet ist, die betreffenden Stellen auszubessern; das Überbaurecht oder das Recht, ein oder mehrere Stockwerke, einen Balkon, Altan oder eine Galerie etc. über des Nachbars Grundstück herüberragen zu lassen, ohne daß jedoch diese Teile auf dem betreffenden Grundstück ruhen dürfen, und das Recht, an einem Gebäude ein über des Nachbars Grundstück überragendes Wetterdach anzubringen; das Trauffalls- oder Traufrecht oder die Befugnis, das vom Dach fließende Wasser tropfenweise und das in Rinnen aufgefangene Regenwasser stromweise auf des Nachbars Grundstück fallen zu lassen sowie das unreine Wasser auf das benachbarte Grundstück zu leiten oder auszugießen (Ausgußrecht); das Höherbaurecht oder die Befugnis, dem Nachbar das Höherbauen seines Gebäudes zu wehren und selbst höher als der Nachbar zu bauen; das Licht- und Fensterrecht oder das Recht, entweder in des Nachbars oder in einer gemeinschaftlichen Mauer Fenster oder sonstige Öffnungen anzulegen; das Aussichtsrecht oder diejenige Servitut, nach welcher der eine Nachbar dem andern das Licht auf keine Weise schmälern darf und ihm die Aussicht über sein Grundstück gewähren muß, wogegen aber auch das Heraussehen aus dem eignen Fenster heraus auf des Nachbars Raum verboten sein kann; das Abtritts-, Gossen- und Rauchfangsrecht oder die Befugnis, einen Abtritt dicht an dem nachbarlichen Grundstück anzulegen oder die Uneinigkeiten auf oder durch dessen Grund und Boden abzuleiten; die Durchfahrtengerechtigkeit oder das Recht, einen Fahrweg über des Nachbars Grundstück zu legen; das Wasserleitungs- und Brunnenrecht, welches entweder das Recht gibt, Wasser in Röhren oder Kanälen durch des Nachbars Grundstück, oder dasselbe aus eines andern Brunnen, Teich etc. auf das eigne zu leiten. Was aber die gesetzlichen Beschränkungen des Eigentumsrechts anbelangt, so gehört hierher namentlich das römisch-rechtliche Verbot des sogen. Neidbaues, d. h. das Verbot, seine Eigentumsbefugnisse lediglich zur Schikane des Nachbars durch lästige und unangenehme bauliche Anlagen zu mißbrauchen. So bestimmt z. B. auch der Sachsenspiegel, daß Ösen, Gänge („das sind Heimlichkeiten“) und Schweineställe 3 Fuß von des Nachbars Zaun stehen sollen. Ebenso verordnet das königlich sächsische Zivilgesetzbuch: „Viehställe, Düngergruben, heimliche Gemächer, Feuerherde, Rauchfänge, Backöfen, Röhrkasten, zur Ableitung des Wassers dienende Rinnen und Gräben und ähnliche Anlagen dürfen nur in solcher Entfernung von des Nachbars Grenze oder unter solchen Vorkehrungen angelegt werden, daß sie dem Grundstück des Nachbars keinen Schaden bringen, insbesondere auf Gebäude, Grenzmauern und Brunnen keinen nachteiligen Einfluß äußern“. Vgl. Hesse, Über die Rechtsverhältnisse zwischen Grundstücksnachbarn (Eisenberg 1862, 2 Bde.); Leuthold, Das deutsche Baupolizeirecht (in Hirths „Annalen des Deutschen Reichs“, Leipz. 1879, S. 809 ff.); Kletke, Repertorium der Baupolizei-Gesetzgebung im preußischen Staat (Berl. 1873); Zander, Die Baugesetze für den preußischen Staat, mit Erläuterungen (das. 1881); Müller, Das B. in den landrechtlichen Gebieten Preußens (das. 1881).