MKL1888:Bahnhöfe
[75] Bahnhöfe (hierzu Tafel „Neuere Bahnhöfe“), die Örtlichkeiten für den öffentlichen Verkehr zwischen Eisenbahn und Publikum und zugleich für die Erledigung der Geschäfte des innern Betriebsdienstes. Die Bestandteile der B. oder die Bahnhofsanlagen lassen sich demnach gliedern in die beiden Hauptgruppen der Verkehrsanlagen und Betriebsanlagen. Die Verkehrsanlagen zerfallen weiter in die unten eingehend zu behandelnden Personenbahnhöfe, welche für alle mit Personenzügen beförderte Dinge (Reisende, Post, Eilgut, Kutschen und kleinere Viehtransporte) bestimmt sind, und Güterbahnhöfe, auf welchen alle mit Güterzügen beförderten Sachen abgefertigt werden. Die Güterbahnhöfe gliedern sich weiter in Stückgut-, Rohgut-, Vieh- und Hafenbahnhöfe, je nachdem sie für die stückweise zu verwiegenden Güter, für den Wagenladungsverkehr (Rohgut oder Rohprodukte, als Feldfrüchte, Kohlen, Holz, Steine, Erze etc.), für größere Viehtransporte mit besondern Zügen oder endlich für den Be- und Entladungsverkehr der Fluß- und Seeschiffe bestimmt sind. Auch kann man als eine fünfte Gruppe noch die Privatbahnhöfe für Hüttenwerke, Gruben, Fabrikanlagen etc. hier anreihen.
Die Stückgutbahnhöfe, welche im engern Sinne auch als Güterbahnhöfe bezeichnet werden, bestehen in der Hauptsache aus Güterschuppenanlagen von verschiedener Grundform nebst den zugehörigen Geleisanlagen; die Rohgutbahnhöfe werden in der Regel aus wiederholten stumpf endigenden Geleisgruppen (von je zwei Geleisen) mit zwischengelegten Ladestraßen gebildet nebst Zubehör an Brückenwagen (zur Bestimmung des Wagen- und Ladungsgewichts), an Rampen, Kränen etc. Die Viehbahnhöfe enthalten an und zwischen den Geleisen größere Rampenanlagen zur bequemen Verladung des Viehs in die Lang- und Querseiten der Bahnwagen und aus denselben, dazu auch Stallungen für längere Unterstellung des Viehs, namentlich bei Übernachtungen, nebst den Anlagen zum Füttern und Tränken der Tiere sowie zum Reinigen und Desinfizieren der Wagen mit kaltem und heißem Wasser. Die Hafenbahnhöfe bilden, namentlich bei Seehäfen, weit ausgedehnte Geleisanlagen mit Schuppen, Speichern und sehr verschieden gestalteten Hebevorrichtungen, welche sich an den Schiffskais entlang ziehen. In neuerer Zeit wird bei Seehäfen besonderer Wert darauf gelegt, daß die Kräne beweglich sind und die den Schiffen enthobenen Waren sowohl auf das unmittelbar am Kairand liegende Eisenbahngeleis als auch darüber hinweg auf den Ladesteig der dahinter liegenden Schuppen niederlassen, bez. die Waren ebenso entnehmen können. Diese Kräne werden deshalb jetzt meist so angelegt, daß sie mit einer großen Spurweite das Eisenbahngeleis und den dazu nötigen freien Raum ganz überspannen.
Die Betriebsanlagen umfassen zunächst die Anlagen für den Maschinendienst (Lokomotivschuppen mit Zubehör an Drehscheiben, Kohlenbühnen, Wasserstationen); ferner für den Rangierdienst: Rangierbahnhöfe zum Zerlegen und ordnungsmäßigen Zusammenstellen der Züge (zahlreiche Geleisgruppen nebst Stell- und Signalvorrichtungen); weiter die Anlagen für den Werkstättendienst: Werkstättenbahnhöfe zum Instandhalten der Lokomotiven und Wagen sowie sonstigen Betriebsmaterials; endlich Anlagen zur Gewinnung von Bau- und Bettungsmaterial: Materialstationen, als Kiesgruben, Kiesbaggereien etc.
Eine mehr oder weniger scharfe räumliche Trennung der voraufgeführten einzelnen Anlagen pflegt nur bei großen Verkehrsplätzen erkennbar zu werden,
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[76] wo manche derselben, wie z. B. der Personen-, Güter-, Rohgut-, Rangierbahnhof etc., oft ganz selbständige Örtlichkeiten bilden, ja sogar der Rohgutbahnhof noch wieder in getrennte Spezialbahnhöfe (für Kohlen, Getreide etc.) zerfallen kann. Bei kleinern Orten pflegen dagegen die Bestandteile in mehr oder weniger enger Verbindung bis zu einer einzigen gemeinsamen Anlage vereinigt zu sein.
Die Personenbahnhöfe bestehen im wesentlichen aus Geleisanlagen mit seitlichen oder zwischenliegenden, offenen oder überdeckten Bahnsteigen und zugehörigen Empfangs- und Nebengebäuden, woran sich dann, oft in Anbauten oder selbständigen Gebäuden, Räume für den Postdienst und für Eilgut sowie Rampen für Kutschen, Pferde etc., endlich weiterhin die erforderlichen Geleise und Gebäude für den Maschinendienst der Personenzüge sowie unter Umständen auch Schuppen für Personenwagen anreihen. Für die weitere Ausgestaltung der Personenbahnhöfe kommt sodann einmal deren Lage zu dem betreffenden Bahnnetz und weiter die Grundrißform der Hauptteile, d. h. die Anordnung der Bahnsteige und des Hauptgebäudes zu den Hauptgeleisen, auf welchen die Züge aus- und einlaufen, in Frage. In ersterer Hinsicht sind zu unterscheiden: End-, Zwischen-, Trennungs- (oder Anschluß-) und Kreuzungsstationen, zu denen noch Kombinationen, wie z. B. Verbindungen von End- mit Zwischen- oder Kreuzungsstationen, mehrfache Trennungsstationen etc., kommen, welche dann wohl als Knotenpunktstationen bezeichnet werden.
Bezüglich der Grundrißform sind die Kopf-, Durchgangs-, Keil- und die Inselform zu unterscheiden, je nachdem die Hauptgeleise stumpf endigen, durchgehen, von zwei Richtungen keilförmig zusammenlaufen oder die Bahnsteige nebst Gebäuden allseitig umschließen. Die Form der Kopfstation ist zu Anfang des Eisenbahnbaues in Deutschland vielfach auch bei kleinern Städten zur Anwendung gelangt, indem man eine Weiterführung über den als Endstation gedachten Bahnhof hinaus oder eine Verbindung mit andern ebenfalls endigenden Bahnlinien zur Zeit nicht voraussah. Bei der zunehmenden Ausbreitung und Verdichtung des Eisenbahnnetzes wurden später solche Kopfstationen in sehr vielen Fällen wegen der damit verbundenen Betriebserschwerungen, da, wo die B. zu Zwischen- oder Trennungsstationen
geworden waren, durch Um- oder Neubauten beseitigt. Nur an ausgesprochenen Endpunkten großer Bahnsysteme und in einzelnen Großstädten auch als Knotenpunkte vieler zusammenlaufender Bahnen hat man in neuerer Zeit die Kopfform beibehalten, wenn die örtlichen Verhältnisse andernfalls eine zu große Entfernung des Bahnhofs vom Innern der Stadt bedingt haben würden. So sind als Kopfstationen unter andern in Berlin noch seit Ende der 60er Jahre der Görlitzer und Lehrter Bahnhof neu entstanden, der Potsdamer, Stettiner und später der Anhalter durch große Neubauten ersetzt (ebenso der später eingegangene Ost- und der Schlesische Bahnhof, welcher mit Anlage der Stadtbahn zum Durchgangsbahnhof umgebaut wurde). Die Kopfbahnhöfe zu Braunschweig, Kassel, Stuttgart, Heidelberg u. a. sind bisher in ihrer ursprünglichen Grundform beibehalten, obwohl sie heute einem lebhaften Durchgangs- und Knotenpunktverkehr zu [77] dienen haben. In Metz (1879), in München (1884) und neuestens in Frankfurt a. M. (1887, s. Textfig. 1 und Fig. 1 der Tafel) sind sogar an Stelle älterer Anlagen großartige Kopfstationen neu errichtet worden, in Frankfurt für 7, in München für 8 einlaufende Bahnlinien (vgl. „Frankfurt und seine Bauten“, 1886, S. 455 ff., und „Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens“, 1887, S. 181 ff.). Das sind jedoch in Deutschland ziemlich vereinzelte Fälle; im allgemeinen geht vielmehr in der Neuzeit das Streben dahin, die Kopfstationen, zumal an größern Knotenpunkten, möglichst zu beseitigen (wie neuestens in Düsseldorf) und die Linien in andrer Weise zusammenzuführen.
Die Durchgangsform mit Vorgebäude, d. h. einseitig neben den Geleisen (seltener beiderseits) gelegenem Empfangsgebäude mit einem Haupt- und einem Zwischenbahnsteig, seltener mit beiderseits gelegenen Außensteigen, ist zunächst die für Zwischenstationen gegebene und allgemein angewendete. Dieselbe Form, durch mehrfache Wiederholung des Zwischensteigs, auch wohl durch Hinzunahme eines Außen- oder Gegensteigs erweitert, findet jedoch auch Verwendung für den Zusammenlauf mehrerer Linien, namentlich wenn dieselben alle oder größtenteils weitergeführt sind. Während man in solchen Fällen früher allgemein die Überschreitung der Schienen durch das Publikum von einem zum andern Bahnsteig zuließ und sogar zu deren Erleichterung die niedrigen Bahnsteige eingeführt hat, wird neuerdings überall, wo lebhafter Verkehr stattfindet, großer Wert gelegt auf die Anlage schienenfreier Verbindungen und Zugänge sowohl zwischen den Bahnsteigen und dem Gebäude, als auch zwischen letzterm und den Straßen der Stadt. In den meisten Fällen wird dies erleichtert durch Hochlegung der Bahn, welche zugleich auch außerhalb des Bahnhofs die schienenfreie Kreuzung mit den Straßenzügen durch Unterführung der letztern in der leichtern Weise gestattet, während dem gegenüber eine Überführung der Straßen wegen der erforderlichen größern Durchfahrthöhe der Eisenbahnfahrzeuge einen erheblich stärkern Höhenunterschied, mithin längere Steigungsrampen für die Straßen bedingt und namentlich weit höhere Treppenanlagen für die Fußgänger zwischen den Bahnsteigen verlangt, als dies für die verhältnismäßig niedrigen Fußgängertunnels unter den Geleisen der Fall ist. Als größere Beispiele dieser Form für Knotenpunktstationen aus neuerer Zeit mögen die folgenden genannt werden.
1) Hannover (vollendet 1882; „Zentralbl. d. Bauverwaltung“, 1888): Vorgebäude mit unten liegenden Warteräumen; 7 hoch liegende Hauptgeleise (außer 2 in der Mitte durchgeführten Gütergeleisen); 3 breite Zwischenbahnsteige und ein Außensteig für den Personenverkehr (Geleisabstände 12 m, 13 m, 19,75 m und 8,25 m von der Außenwand); 2 Zwischen-, ein Außensteig für Gepäckverkehr (Abstände 6,75 m, bez. 7,5 m von der Wand); Hallenweite zweimal 37 m, Hallenlänge 167,5 m; 3 Personentunnels von 4, 7, 4 m, 2 Gepäcktunnels von 5 m Weite. Erstmalige Anwendung besonderer Gepäcksteige zur Befreiung der Personensteige von der Bewegung der Gepäckkarren. (Spezielles s. „Zeitschrift des Hannöverschen Architekten- und Ingenieurvereins“, 1886.)
2) Straßburg (vollendet 1883; „Zentralbl. d. Bauverwaltung“, 1883, S. 294, und 1888): Vorgebäude wie in Hannover, jedoch Wartesäle in Bahnsteighöhe; 5 Hauptgeleise, ein vorderer Bahnsteig am Gebäude, 2 Zwischensteige; Geleisabstände 12,4 m vom Gebäude, 16,5 m zwischen den Geleisen, keine Gepäcksteige; 2 Tunnels für Personen, einer desgleichen für Gepäck, einer für Post, einer für den Küchenverkehr zu kleinen auf den Zwischensteigen errichteten Restaurationsräumen. Halle zweimal 29 m weit, 128 m lang.
3) Mainz (1884; „Organ f. d. Fortschr. d. Eisenbahnwesens“, 1885): Vorgebäude mit Wartesälen in Bahnhöhe; 5 Hauptgeleise; Bahnsteige ganz wie in Straßburg angeordnet, Geleisabstände etwas kleiner; 2 Personentunnels; Halle 42,2 m weit (dazu über ein Geleis auskragend), 300 m lang.
4) Schlesischer Bahnhof in Berlin (1882; „Zeitschrift für Bauwesen“, 1885): Vorgebäude mit unten liegenden Warteräumen, 8 (der Anlage nach 10) Hauptgeleise mit 5 (6) Zwischensteigen von meist 13,5 m Geleisabstand, 2 Personentunnels, 2 Hallen, 38 und 55 m weit, 215 m lang.
Auch die B. zu Bremen (eröffnet 1889) mit 5 Hauptgeleisen, 160 m langer, 59 m weiter und 30 m hoher Halle, sowie Münster (eröffnet 1890) mit 6 Hauptgeleisen, 3 Zwischensteigen, davon einer mit 17 m Geleisabstand, gehören hierher, beide mit untenliegenden Warteräumen im Vorgebäude („Zentralbl. d. Bauverwaltung“, 1888). Auch Bahnhof Charlottenburg der Berliner Stadtbahn in seiner bisherigen Gestalt ist hierher zu rechnen.
Die Keilform bildet die gegebene Grundform für den Zusammenlauf zweier Bahnen, also für die einfache Trennungsstation, indem sie an der offenen Basis des Keils (gleichviel ob derselbe die ursprüngliche Dreiecksgestalt beibehält oder durch Verlängerung zum oblongen, einerseits zugespitzten Rechteck umgestaltet ist) einen sehr geeigneten Platz für das Empfangsgebäude darbietet. Der Zugang zu demselben vom Orte her kann bei dessen Lage zwischen den auseinander laufenden Bahnarmen unmittelbar, andernfalls nach Kreuzung eines oder beider Bahnarme (am besten mittels Überbrückung, also schienenfrei) stattfinden.
Als Beispiele, bei welchen die Keilform des Grundrisses besonders deutlich hervortritt, können unter andern die Bahnhöfe von Hameln in Hannover (für 4 Bahnarme), Dirschau (ursprünglich 3, dann 4 Arme), Pasewalk (4 Arme) und Neunkirchen bei Saarbrücken genannt werden (s. „Zeitschrift für Bauwesen“, 1873). Sehr viel häufiger, ja ganz allgemein verbreitet findet sich dagegen die zum langen Rechteck ausgedehnte Keilform, bei welcher die Zufahrt an einer Giebelseite des nun rechteckigen Gebäudes meistens mittels Unter-, seltener Überschreitung beider Bahnarme an der Wurzel des Keils stattfindet. Diese Form ist namentlich bei Zusammenführung mehrerer Linien und bei Kreuzungsstationen zur Anwendung gelangt, wobei dann die Kreuzung der Bahnen außerhalb der Station durch gegenseitige Überbrückung bewirkt werden soll, damit die Züge beider Bahnen ohne Gefahr zugleich ein- und auslaufen können. Solche Stationen werden in der Regel als Inselbahnhöfe bezeichnet, weil das Hauptgebäude nicht ohne Kreuzung von Geleisen zu erreichen ist. In der That wird durch solche Anlage die Möglichkeit geboten, auch am Wurzelnde des Keils Geleisverbindungen (Nebengeleise) zu Übergangsbewegungen etc. zwischen beiden Bahnarmen herzustellen, also die Bahnsteiganlage allseitig mit Geleisen zu umschließen. An der Betriebsart des ursprünglichen Keilbahnhofs wird dadurch jedoch nichts geändert, solche Anlagen werden deshalb folgerichtig als Inselbahnhöfe mit Keilbetrieb bezeichnet. Der letztere kennzeichnet sich dadurch, daß das Hauptgebäude mit dem [78] Hauptbahnsteig die Bahnen voneinander scheidet, so daß jede der beiden Bahnen eine Seite ganz für sich hat, daher die Form besonders geeignet für getrennte Verwaltung erscheint. Jederseits des Gebäudes sind also beide Fahrrichtungen in der Regel durch je zwei Hauptgeleise mit Zwischensteig vertreten. Das Inselgebäude, wie es in solchem Falle genannt wird, kann die Abfertigungs- und Warteräume mit Zubehör entweder in Höhe der Bahnsteige oder auch in andrer, meist tieferer Höhenlage enthalten, wie sie dann der Straßenhöhe des Bahnhofsvorplatzes angepaßt wird. In letzterm Falle wird die Verbindung zwischen den genannten Räumen und den Bahnsteigen durch Treppen und Tunnels (bez. Überbrückung) hergestellt. Ebenso wird das Gepäck, das Postgut und bisweilen auch das Eilgut durch Tunnels und Aufzüge zu den Bahnsteigen, bez. Gepäcksteigen gefördert. Aber auch bei gleicher Höhenlage von Bahnsteig und Warteräumen wird ebenso wie bei der Durchgangsform neuerdings fast immer für schienenfreie Verbindung zwischen den Bahnsteigen
Fig. 2. Personenbahnhof Halle a. S. 1890. a Hauptpersonentunnel, b Küchentunnel, c Posttunnel, d d Gepäcksteige, e Gütergeleise, f Aufstellungsgeleise, g Maschinengeleise, h Gepäcktunnel. | |
gesorgt, namentlich dann, wenn durch wiederholte Zwischensteige noch mehrere Bahnzweige angeschlossen sind.
Als ältere Beispiele von Kreuzungs- und Knotenpunktstationen dieser Art mögen unter sehr vielen andern hier nur genannt werden: die B. von Guben, Kottbus, Kohlfurt, Görlitz, Saarbrücken, dann Wittenberg („Hannoversche Zeitschrift“, 1884). Ein sehr hervorragendes neueres Beispiel der Art bietet der im Oktober 1890 eröffnete Neubau des Bahnhofs Halle a. S. (für 3 durchgehende und eine endigende Bahnlinie, also 7 einlaufende Bahnzweige). Es befinden sich dort jederseits des (mit tief liegenden Warteräumen und Tunnelzugängen versehenen) 105 m langen, 35 m breiten Hauptgebäudes zwei Hauptgeleispaare in Abständen von je 11,5 und 13 m für die 4 Personenzwischensteige und noch je 8 m Zwischenweite für die beiden Gepäcksteige, welche zwischen den Geleispaaren liegen. Die dem Gebäude benachbarten Hauptgeleise fassen einen Raum von 49 m zwischen sich. Sämtliche Bahnsteige sind durch Personen- und Posttunnel miteinander und mit dem Gebäude verbunden, die Gepäcksteige zudem durch einen besondern Gepäcktunnel nebst Aufzügen (s. Textfig. 2). Die Zufahrt von der Stadt geschieht mittels Unterschreitung der Geleise zur einen Giebelseite des Gebäudes in Höhe der Straßen. (Das alte Stationsgebäude wird für Post und andre, aber nicht öffentliche Dienstzwecke an der Seite der Geleisanlagen beibehalten und durch die dahin verlängerten Tunnels mit dem neuen Gebäude verbunden.)
Neuerdings hat man die Zweckmäßigkeit eines kürzern Zuganges zum Inselgebäude mehr und mehr erkannt und ihr durch Zufügung eines Personentunnels Rechnung getragen, welcher vom Vorplatz aus geradeswegs zu ersterem und zu allen Bahnsteigen führt (bei dem Bahnhof Görlitz schon in den 60er Jahren). Sehr nahe lag es alsdann, den Eingang dieses Tunnels mit einer Vorhalle zu überbauen und diese zu einem ordentlichen Vorgebäude auszugestalten, welches naturgemäß die Räume für die Fahrkartenausgabe, Gepäckabfertigung und sonstigen Zubehör in sich aufzunehmen hat, während dem Inselgebäude alsdann in Bahnsteighöhe die Warteräume nebst Restauration und sonstigem Zubehör sowie die Diensträume für Bahnhofsaufsicht und Bahntelegraph verbleiben. Die Gepäckbeförderung zu den Bahn-, bez. Gepäcksteigen erfolgt, wie oben bei der Durchgangsform beschrieben, unmittelbar vom Vorgebäude aus mittels Gepäcktunnels und Aufzügen. Die Zufahrtstraßen zur Giebelseite des Gebäudes können dann wegfallen. Diese Form, welche sich als eine Verbindung der Durchgangs- und der Inselform darstellt und sich von beiden im Wesen nur durch die Zerlegung des Gebäudes in Vor- und Inselgebäude unterscheidet, ist bei den neuern Bahnhofsbauten der Preußischen Staatsbahn mehrfach zur Ausführung gelangt, so namentlich bei den (im „Zentralbl. d. Bauverwalt.“, 1888, besprochenen) Bahnhöfen zu Hildesheim (1884), Düsseldorf (1891; 4 Hauptgeleise, jederseits ein Zwischensteig bei 10 m Geleisabstand, für den Hauptsteig 54,8 m) und Erfurt (1890 im Bau) sowie auch bei dem mit andrer Betriebsart (s. unten) auszuführenden Neubau des Zentralbahnhofs Köln. In solchen Fällen bietet der Raum an beiden Giebelseiten des Inselgebäudes geeignete Gelegenheit zur Einführung stumpf endigender Geleise an Zungensteigen, so daß eine Reihe weiterer Bahnlinien oder Züge in den Bahnhof eingeleitet werden kann. So zeigt der Bahnhof Düsseldorf jederseits 4 auf Drehscheiben endigende Hauptgeleise zwischen den Durchgangsgeleisen (s. Textfig. 3), der Bahnhof Köln einerseits 4, anderseits 3 solcher stumpf endigender Bahnsteiggeleise (s. Textfig. 4, S. 80). Eine hierher gehörige Form zeigt auch der Bahnhof Magdeburg in seiner jetzigen Gestalt, jedoch ist dieselbe erst durch Umbau aus einer ursprünglich ganz anders ausgeführten Anlage im Jahr 1885 unter Beibehaltung der Giebelzufuhr entstanden.
Eine von dem Keilbetrieb scharf unterschiedene Betriebsart entsteht dann, wenn die Hauptgeleise derart in den Bahnhof eingeführt werden, daß auf jeder Seite des Inselgebäudes auf allen Geleisen nur eine Fahrrichtung vertreten ist, so daß also der Hauptbahnsteig nicht die Bahnen, sondern die Fahrrichtungen scheidet, ebenso wie dies bei einer zweispurigen Bahn schon dann der Fall ist, wenn nur ein Bahnsteig angelegt und zwischen die zusammengehörigen Geleise eingeschoben wird, wie z. B. bei den Bahnhöfen der Berliner Stadtbahn. Man kann diese Betriebsart folgerichtig als Inselbetrieb bezeichnen, [79] so daß ein derartig angelegter Bahnhof als Inselbahnhof mit Inselbetrieb (gegenüber dem Inselbahnhof mit Keilbetrieb) zu kennzeichnen ist. Solcher Art ist der Bahnhof Lehrte bei Hannover in seiner jetzigen Gestalt, ferner der in Ausführung begriffene Zentralbahnhof Köln. In beiden Fällen sind jedoch die Hauptgeleise mit Schienenkreuzungen eingeführt. (In gewisser Weise gehört auch der Schlesische Bahnhof der Berliner Stadtbahn hierher.) Wenn man dagegen die Geleise bei dieser Betriebsart durch gegenseitige Überbrückung so einführt, daß jede Kreuzung zweier Hauptgeleise in Schienenhöhe vermieden wird, und zugleich die Übergangsweichen an das Ende der für den Halt der Züge bestimmten Geleisstrecken verlegt, so läßt sich fast jede Gefahrstelle beseitigen und eine so betriebssichere und zugleich bequeme Gestaltung der B. erzielen, wie sie bislang noch nicht durchgeführt worden und bei Keilbetrieb überhaupt nicht erreichbar ist. Vgl. Artikel „Bahnhof“ in der „Encyklopädie des Eisenbahnwesens“, Bd. 1.
Eine andre Verbindung von Durchgangs- und Endgeleisen ergibt sich, wenn letztere nicht zwischen, sondern außerhalb der Durchgangsgeleise (meist vor denselben an der Stadtseite) eingeführt werden. Derartige Anordnungen zeigen unter vielen andern Bahnhof Hagen in Westfalen und Bahnhof Westend der Berliner Stadtbahn („Zeitschr. für Bauwesen“, 1887) sowie auch der Bahnhof Halberstadt bezüglich der von Blankenburg her stumpf einlaufenden Geleise.
Bei den Berliner Stadtbahnhöfen sind die Zugänge zu den (als Inseln zwischen die zusammengehörigen Hauptgeleise eingeschobenen) Bahnsteigen mittels Treppen zum Teil von den Langseiten, zum Teil aber auch (wie z. B. bei Haltestelle Tiergarten, Bellevue, Jannowitzbrücke und bezüglich der Ferngeleise auch bei Bahnhof Zoologischer Garten) von der Querseite, d. h. von den die Bahn kreuzenden Straßenunterführungen aus, angeordnet. In diesem Falle ergibt sich unter Umständen eine sehr zweckmäßige Zukömmlichkeit der Bahnsteige, indem das Publikum ohne alle Richtungsänderung vom Eingang aus am Fahrkartenschalter (und Gepäckannahme) vorbei geradeswegs mittels der Treppe zum Bahnsteig gelangt. Ähnliche Anlagen finden sich auch anderwärts an kleinern Bahnhöfen oder Personenhaltestellen, wie z. B. in Buckau bei Magdeburg und auf dem neuen Güterbahnhof Düsseldorf, wo inmitten einer großen Anzahl von Gütergeleisen zwei Personengeleise hindurchgehen und so weit auseinander gezogen sind, daß dazwischen ein Bahnsteig (Inselsteig) mit Zugang parallel zur Bahn angelegt werden und von einer den ganzen Güterbahnhof (14 Geleise) überschreitenden Straßenbrücke aus mit Treppen zugänglich gemacht werden konnte. Diese Anlage, welche auch im Äußern ganz wohl ausgestattet erscheint, ist (von der Straßenbrücke aus gesehen) in Fig. 3 der Tafel dargestellt. Eine Verallgemeinerung dieser Zugangsart von der Querseite hat Rinklake in Braunschweig z. B. für Bahnhof Köln („Wochenbl. für Architekten und Ingenieure“, 1883, S. 517) in der Weise vorgeschlagen, daß das Gebäude quer über die Geleise gestellt und in der Richtung jedes Zwischensteigs ein Eingang von breiter Unterführung aus durch das Gebäude hindurch mit Treppe geradeswegs zu den Bahnsteigen hinauf führen sollte. Es ist anzuerkennen, daß auch in dieser erweiterten Anwendung der Querzugang manche Vorteile bieten kann.
Eine wesentliche Anregung erhielt die Umgestaltung der Bahnhofsbauten in Deutschland durch den allgemeinen Aufschwung des Verkehrslebens nach den
Fig. 3. Personenbahnhof Düsseldorf 1891. WS. Wartesäle. | |
[80] Kriegen von 1866 und 1870 und weiter in Preußen noch besonders durch die folgende Verstaatlichung fast aller Privatbahnen, welche eine Vereinigung der bis dahin getrennten Bahnhofsanlagen und damit eine zweckentsprechende Erweiterung, Um- oder Neugestaltung an zahlreichen Orten zur natürlichen Folge hatte. In Preußen sind denn auch seit 1876 im ganzen weit über 120 Mill. Mk. für Bahnhofsumbauten seitens des Staats bewilligt worden, außer den etwa 68 Mill. Mk. betragenden Kosten der Berliner Stadtbahn. Hieran sind unter andern beteiligt: Frankfurt mit 24,85 Mill., Köln 24,5, Hannover 19,7, Düsseldorf 16,3, Halle 10, Bremen 9,5, Erfurt 6,2, Münster 3,5, Hildesheim mit 2,65 Mill. Mk. In nächster Zeit wird voraussichtlich eine große Summe unter anderm für den beabsichtigten Neubau in Hamburg hinzukommen. Diesen Ausgaben stehen übrigens in vielen Fällen sehr bedeutende Rückeinnahmen
Fig. 4. Personenbahnhof Köln (1890 im Bau). P.-T. Personentunnel, G.-T. Gepäcktunnel, a Eingangsflur, b Gepäckhalle, c Ausgangsflur, P.-Stg. Personensteig, G.-Stg. Gepäcksteig. | |
aus frei werdenden Bauplätzen gegenüber, so z. B. in Frankfurt etwa 19 Mill. Mk.
Auch auf die äußere Ausstattung der Bahnhofsgebäude ist in Deutschland von jeher Wert gelegt, namentlich aber bei den großen Neubauten der letzten Jahrzehnte. Als Beispiele hervorragender Großartigkeit und Ausstattung möge unter andern der Anhalter Bahnhof in Berlin genannt sein, welcher die größte Hallenweite in Deutschland von 60 m erreicht und durch Schwechten zu einem der schönsten Bauwerke Deutschlands ausgestaltet wurde. Weiter mag der neue Bremer Bahnhof mit einer nahezu halbkreisförmigen Halle von 59 m Weite und 30 m Höhe, der Bahnhof Friedrichstraße der Berliner Stadtbahn mit einer Halle von 35 m Weite, 20 m Höhe und 192 m Länge (im Grundriß gekrümmt und deshalb besonders schwierig auszubilden, s. Fig. 2 der Tafel) sowie die dreischiffige Frankfurter Halle (Fig. 1 der Tafel) von 3 × 56,66 = 170 m erwähnt werden. Als ein besonders interessanter und wohlgelungener (preisgekrönter) Entwurf ist ferner derjenige von Frentzen zur Bahnhofshalle Köln von 65 m lichter Weite und 24 m Höhe im Hauptschiff in Fig. 4 der Tafel dargestellt (Abänderungen bei der Ausführung sind indessen nicht ausgeschlossen).