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Lady Clare

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Textdaten
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Autor: Alfred Tennyson
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Titel: Lady Clare
Untertitel:
aus: Lieder- und Balladenbuch amerikanischer und englischer Dichter der Gegenwart, Seite 209–213
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1862
Verlag: Hoffmann & Campe
Drucker: Jacob & Holzhausen
Erscheinungsort: Hamburg
Übersetzer: Adolf Strodtmann
Originaltitel: Lady Clare
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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[209]

 Lady Clare.

Lord Ronald warb um Lady Clare,
Ihr Abschied war nicht kalt, fürwahr;
Lord Ronald, ihr Vetter, liebte sie sehr,
Und morgen gehn sie zum Altar.

5
„Er liebt mich nicht um meinen Stand,

Noch um Wälder und Felder ringsumher;
Er liebt mich, weil er mich würdig fand,
Und Das ist gut,“ sprach Lady Clare.

Alice, die Amme, trat herein,

10
Sprach: „Wer verließ so eben dich?“

„Es war mein Vetter,“ sprach Lady Clare,
„Und morgen führt er zum Altar mich.“

Alice, die Amme sprach: „Gottlob,
Dass so gut es sich wendet von Ungefähr!

15
Lord Ronald ist Erbe all deines Guts,

Und du bist nicht die Lady Clare.“

[210]

„Rasest du, Amme, Amme mein?“
Rief Lady Clare; „o sprich geschwind!“
„Bei Gott im Himmel!“ die Amme sprach,

20
„Ich rede wahr, du bist mein Kind.


Es starb die Tochter des alten Earls
An meiner Brust – Gott ruf’ ich an!
Ich begrub sie als mein eigen Kind,
Und schob unter meines dann.“

25
„Schlimmes, Schlimmes hast du gethan,

O Mutter,“ sprach Jene, „wenn all Dies wahr –
Fernzuhalten den besten Mann
Von seinem Erbe so manches Jahr!“

„Nicht also!“ Alice, die Amme, sprach,

30
„Verschlossen ihm ewig die Kunde bleib’;

Alles wird ja Lord Ronald’s sein,
Sobald ihr erst Mann und Weib.“

„Und bin ich geboren als Bettlerkind,“
Sprach sie, „dann will ich’s ihm sagen frei.

35
Nimm die goldene Nadel mir ab geschwind,

Und den Schmuck von Demanten dabei!“

[211]

„Ei, nicht doch!“ Alice, die Amme, sprach,
„Verschweige, was Keiner errathen kann!“
Doch Jene: „Nein! erfahren will ich,

40
Ob Treue noch lebt im Mann?“


„Treue! was Treue?“ die Amme sprach;
„Er wird auf seinem Recht bestehn.“
„Dann soll er’s haben,“ das Fräulein sprach,
„Müsst’ ich heut in den Tod auch gehn!“

45
„So gieb deiner Mutter noch einen Kuss –

Gesündigt hab’ ich aus Lieb’ an dir!“
„O Mutter, Mutter, Mutter!“ sprach sie,
„So seltsam erscheint es mir.

Doch hier ist ein Kuss für mein Mütterlein,

50
Als Mutter dann, Amme, begrüß’ ich dich.

Leg deine Hände auf mein Haupt,
Und segne vorm Scheiden mich!“

Sie kleidete sich in ein schlicht Gewand,
Sie war nicht länger Lady Clare;

55
Sie ging durchs Thal, sie ging über Land,

Eine Ros’ im Haar und sonst Nichts mehr.

[212]

Ein milchweißes Reh, das Lord Ronald ihr gab,
Sprang auf von dem Lagerort,
Und schmiegte sein Haupt in des Mägdleins Hand,

60
Und folgte ihr fort und fort.


Lord Ronald schritt nieder von seinem Schloß:
„O Lady Clare, du schmähst deinen Werth!
Was kommst du zu mir im Bauerngewand,
Und bist doch die Blume der Erd’?“

65
„Und komm’ ich zu dir im Bauerngewand:

Wie sich’s geziemt, dann komm’ ich her.
Ich bin ein Bettlerkind,“ sprach sie,
„Und nicht die Lady Clare.“

„Versuche mich nicht,“ sprach Lord Ronald,

70
„Wirst treu in Wort und That mich sehn!

Versuche mich nicht,“ sprach Lord Ronald,
„Dein Räthsel nicht kann ich verstehn.“

Stolz da richtete sie sich auf,
Von keiner zagenden Furcht bethört;

75
Sie sah Lord Ronald fest ins Aug’,

Und erzählt’ ihm Alles, was sie gehört.

[213]

Er küsste sie auf ihr Wangenpaar,
Und lachte ein Lachen voll neckischem Spott:
„Bist du die Erbin nicht, fürwahr,

80
Und ich der Erbe nun, bei Gott! –


Bist du die Erbin nicht, fürwahr,
Und ich der Erbe nun,“ sprach er,
„So führ’ ich dich morgen zum Altar,
Und du bleibst dennoch Lady Clare!“