Fortschritte der Neuzeit in der Bienenzucht
Wenn Gärten, Felder, Wiesen und Wälder in vollstem Blüthenschmuck prangen und das Auge des sinnigen Beschauers mit Wohlgefallen auf dieser Herrlichkeit ruht, so denkt er wohl nur in seltenen Fällen daran, daß diese Millionen lieblicher Blüthen sehr werthvolle Schätze bergen, Schätze, die, wenn gehoben, ganz respectable Summen repräsentiren, die gleichsam so nebenbei am Wege liegen, weil Niemand das geringste Eigenthumsrecht daran geltend macht, und die von Jedermann, wer nur Lust und Befähigung dazu hat, eingeheimst werden können. Eine Erinnerung an dieselben dürfte dankenswerth für Viele sein, welche unter dem Drucke der schlechten wirthschaftlichen Verhältnisse unserer Zeit sich gern durch eine Nebenbeschäftigung den harten Kampf um’s Dasein erleichtern möchten.
Die reichen Schätze, welche wir im Auge haben, sind die oft winzig kleinen Nektartröpfchen, die sich meistens tief versteckt in den Blüthenkelchen finden und welche allein durch die kleine fleißige Biene zusammengetragen und von ihr alljährlich zu vielen tausend Pfunden Honig und Wachs verarbeitet werden.
Schon im grauen Alterthume kannte und schätzte man diese köstlichen Producte der Bienenzucht, und gar bald hatte man es herausgefunden, daß es bequemer und vortheilhafter war, wenn man, anstatt mit vieler Mühe und Gefahr Honig und Wachs aus den Felsenspalten und hohlen Bäumen zu holen, die Bienen in geeignete Wohnungen brächte und auf ihre Behandlung die gehörige Sorgfalt verwendete. Bei der verhältnißmäßig geringen Mühe, welche die Wartung und Pflege der Bienen beansprucht, und bei der großen Einträglichkeit derselben war es kein Wunder, daß sich die Bienenzucht schon in früher Zeit eines hohen Aufschwunges erfreute.
Die alten Römer lösten aus ihrer von Sclaven geleiteten Bienenwirthschaft im Verhältniß höhere Erträge, als aus allen anderen Unternehmungen auf landwirthschaftlichem Gebiete; nicht minder unsere alten deutschen Vorfahren, bei denen Honig und Wachswaaren von jeher sehr geschätzte und gesuchte Artikel gewesen sind. Seit dem Dreißigjährigen Kriege gerieth jedoch in Deutschland die Bienenzucht für lange Zeit in Verfall. Besonders nachtheilig wirkten die sich immer mehr verändernden Bodenculturverhältnisse. Viele Waldstrecken fielen unter den Schlägen der Axt; die Wälder wurden besser durchforstet; Anger und Wiesen, bisher vielfach nur zur Weide benutzt, wurden in Aecker verwandelt, diese wieder sorgfältig von honigenden Unkräutern reingehalten und mehr mit Hackfrüchten bestellt etc. Das alles schmälerte die Bienenweide, und wenn auch mit der Zeit dieser Ausfall durch den Anbau sehr gut honigender Pflanzen, wie Raps, Esparsette etc., überreichlich ersetzt wurde, so erwies sich doch die Ausnutzung der Weide in althergebrachter Betriebsweise als unzulänglich, um einträglich genug zu erscheinen. Indeß wie der Menschengeist immer und überall mit den gegebenen Verhältnissen zu rechnen und da neue Bahnen aufzusuchen weiß, wo die alten ausgetreten worden sind, so geschah es auch bei der Bienenwirthschaft.
Den ersten und wichtigsten Schritt vorwärts, der die Grundlage aller weiteren Fortschritte auf dem Gebiete der Bienenwirthschaft bildete, that der katholische Pfarrer Dr. Dzierzon. Er kam auf den sehr glücklichen Gedanken, die Bienen ihren Bau derart einrichten zu lassen, daß man ohne irgend welche Nachtheile für sie den Wachsbau in gesonderten Tafeln (Waben) dem Bienenstocke beliebig entnehmen und wieder einfügen konnte.
Diese Beweglichkeit des Bienenbaues – der Wachswaben – ermöglichte es, ohne viel Umstände den Ueberschuß recht starker Stöcke an Bienen sowie junger Brut schwächern Stöcken zuzutheilen, wodurch diese schnell zur größtmöglichen Ausnutzung der Honigquellen fähig werden. Ebenso war es jetzt eine Kleinigkeit, [495] die Königin eines Stockes herauszufangen und durch eine andere, bessere zu ersetzen, die Vermehrung durch künstliche Schwärme je nach Bedürfniß zu beschaffen, kurz, jeden Augenblick bald helfend und fördernd, bald hindernd, je nachdem es die Interessen des Züchters bedingten, in den Bienenstaat einzugreifen. Durch die Beweglichkeit der Waben allein gelang es vollkommen, das Leben der Bienen, deren Stock bisher dem Züchter ein Buch mit sieben Siegeln gewesen war, genau zu beobachten, die Eigenheiten des wundervollen Gemeinwesens zu erforschen und eine Theorie als Grundlage eines neuen zeitgemäßen Betriebes aufzustellen, der dem Menschen die vollkommenste Herrschaft über die Bienen sichert.
Die Beweglichkeit der Wabe hat auch zur Construction neuer Bienenwohnungen, die dem Bienenwesen angemessen und für den Bienenzüchter vortheilhaft sind, geführt. Zu den anerkannt besten gehören jetzt der Dzierzon'sche Zwillingsstock, die Berlepschbeute, der Dathestock und der aus Stroh gefertigte und deshalb billigere Gravenhorst'sche Bogenstülper.
Wie nun eine wichtige Erfindung meistens die Mutter einer zweiten, ja oft vieler anderer wird, so auch hier. Die bewegliche Bienenwabe führte gar bald zu der höchst wichtigen Erfindung der sogenannten Honigschleuder, einer Maschine, die durch Centrifugalkraft den Honig aus den Zellen wirft.
Zwar gestattete die an ein Stäbchen oder in ein Rähmchen gebaute Wabe ihre Herausnahme zu beliebiger Zeit, sodaß der Ueberschuß an Honig seit Dzierzon bequem zu gewinnen war; allein man mußte doch, wollte man den Honig von dem Wachse trennen, fortdauernd den Wachsbau zerstören, während es ohne Zweifel viel vortheilhafter sein mußte, wenn man die Honigwaben ohne Zerstörung oder Beschädigung vom Honig entleeren und alsdann den Stöcken wieder zurückgeben konnte. Man weiß nämlich, daß die Bienen aus ungefähr zehn Pfund Honig erst ein Pfund Wachs zu bereiten vermögen, ungerechnet daß der Neubau des Werkes auch Zeit in Anspruch nimmt, die für das Honigsammeln verloren geht. Das Problem nun, die vollen Honigwaben unbeschädigt vom Honige entleeren zu können, wurde vom Major von Hruschka durch die Erfindung der Honigschleuder vollständig gelöst. Der nach der Aufdeckung der Honigzellen ausgeschleuderte Honig wird in einem untergesetzten Gefäße aufgefangen, worauf die vollständig entleerten Tafeln den Stöcken zum abermaligen Volltragen wieder eingeschoben werden. Dabei trat die so erfreuliche Erscheinung zu Tage, daß, je mehr man Honig entnahm, desto mehr die Bienen bestrebt waren, den Abgang an Honig durch regeren Fleiß wieder zu decken. In ausgezeichneten Jahren kann man von einem einzigen Stocke oft über hundert Pfund ausschleudern, ohne ihn dadurch bei Schmalhans in die Kost zu schicken. So etwas war bei altem Betriebe gar nicht möglich. Und was für köstlicher Honig ist dieser sogenannte Schleuderhonig gegen das Product, welches man nach Altväter-Weise gewinnt und welches, aus den zerquetschten und erwärmten Wachswaben herausgepreßt, seine Farbe und sein Arom verliert! Dabei ist zudem gar nicht zu vermeiden, daß sich beim Pressen viel Blumenstaub, den die Bienen oft in großer Menge als stickstoffhaltige Zukost zwischendurch in den Zellen aufstapeln, sowie Wachstheilchen mit durchpressen und sich dem Honige beimischen. Dergleichen gemischter Honig verursacht hin und wider bei einzelnen Menschen nach dem Genusse Magenbeschwerden, wohingegen der geschleuderte ohne Unterschied höchst wohlthätig auf den menschlichen Organismus einwirkt. Indeß die Gewinnung des reinsten Honigs nebst den andern erwähnten Vortheilen ist es nicht allein, was die Honigschleuder so werthvoll für den Imker macht: sie setzt ihn sogar in den Stand, den Honig nach der Blüthe, aus der er stammt, zu sortiren. Blüht die Linde, die Akazie etc., so giebt er seinen Stöcken entleerte Wachstafeln zum Volltragen aus der Blüthe, die gerade Honig spendet. Schleudert er dann, bevor wieder eine andere Blüthe von den Bienen beflogen wird, so kann er sagen: das ist reiner Linden-, das Akazienhonig etc. Der Schleuderhonig behält sogar für die erste Zeit nach dem Schleudern noch das Arom der Blüthe, aus der er stammt. Die Gewinnung bestimmter verschiedener Honigsorten hat aber wieder ihren großen Werth. Da der Honig in Bezug auf Farbe, Geschmack, Arom und sonstige Eigenschaften sehr verschieden ist, so wird zum Genusse oder zu gewerblichen Zwecken bald diese, bald jene Honigsorte vorgezogen und demnach auch besser bezahlt.
Eine weitere bedeutsame Errungenschaft war die Erfindung der Kunstwaben von Mehring, das heißt künstlicher Bienenwachstafeln, die, vermittelst der Maschine gepreßt, die Zwischenwand der Waben nebst Zellenanfängen auf beiden Seiten darstellen. Die Bienen haben nur die Zellenanfänge fertig zu bauen, brauchen somit weniger Wachs zu schaffen und können viel mehr Honig tragen; zugleich – was gleichfalls wesentlich mit in's Gewicht fällt – verhindert man auf diese Weise den überflüssigen Drohnenbau, den die Bienen zu Zeiten gar zu gern aufführen.
Neben diesen hochwichtigen Erfindungen, die den Betrieb der Bienenwirthschaft ganz umgestalteten, ist auch die Entdeckung eines Heilverfahrens hervorzuheben, nach welchem die bisher für unheilbar gehaltene pestartige, oft plötzlich auftauchende Krankheit der Bienenvölker, die sogenannte Faulbrut, curirt wird. Viele Tausende von Stöcken hat diese bitterböse Krankheit jährlich allein in Deutschland ruinirt, und schon seit undenklichen Zeiten hatte man sich vergebens um ein sicheres Heilmittel bemüht. Da war es eben die „Gartenlaube“, welche die Bienenzüchter auf die rechte Fährte brachte. In Folge eines Artikels derselben über die antiseptischen Wirkungen der Salicylsäure stellte der Gutsbesitzer Hilbert umfassende Versuche mit dieser Säure bei seinen an der Faulbrut erkrankten Bienenvölkern an und war so glücklich, ein sicheres Vorbeugungsmittel wie Heilverfahren ausfindig zu machen. Das war wieder ein bedeutender Schritt vorwärts, dem ein anderer gleichfalls wichtiger an die Seite zu stellen ist.
Schon früher hatte Hilbert ein rationelles Verfahren bekannt gemacht, die Bienen mit Ei und Milch zu füttern. Diese Fütterung, die jedoch mit großer Vorsicht und gehöriger Sachkenntniß ausgeführt werden muß, bezweckt, durch die Darreichung stickstoffhaltiger Nahrung den Bienen die Stoffe, die zum Aufbau des Bienenkörpers etc. nöthig sind, zu liefern und den Brutansatz zu fördern. In letzter Zeit hat auch zu gleichem Zwecke der Pfarrer Weygandt eine Fütterung mit Mehl im Stocke, was bis dahin nie hatte gelingen wollen, ausfindig gemacht. Beide Fütterungsarten sind insofern von großer Bedeutung, als sie die Züchter in den Stand setzen, zur Zeit der Honigernte recht viele Arbeiter in den Stöcken zu haben.
Bei der Darlegung der großartigen Fortschritte in der Bienenzucht darf es hier nun auch wohl nicht unerwähnt bleiben, daß die Blutauffrischungen mit heimischen und die Kreuzung mit verschiedenen ausländischen Bienen, wie der italienischen und cyprischen etc., gleichfalls nicht ohne Vortheil für die Bienenzucht gewesen sind. So wurde die Leistungsfähigkeit der heimischen Bienen erhöht, und die Züchtung der italienischen Rasse hat nicht unwesentlich zur Lösung wichtiger theoretischer Fragen beigetragen. Allein es läßt sich auch nicht leugnen, daß bisher mehr als nöthig Geld für fremde Bienen in's Ausland gesandt worden ist, welches ohne Zweifel, besonders bei Anfängern, in heimischen Bienen besser angelegt worden wäre. Wir haben in Deutschland selbst genug gutes Zuchtmaterial, wenn es gilt, was ja die Hauptsache ist, auf Leistungsfähigkeit zu züchten. So ist z. B. die Haidbiene, die sich in den hannoverschen Haidegegenden bis Braunschweig und wohl etwas darüber hinaus vorfindet, unzweifelhaft eine durch besondere sorgfältige Züchtung entstandene Culturrasse. Nicht minder gut ist die allgemeine deutsche Biene in den Gegenden, in welchen eine zu starke Inzucht nicht getrieben wird. Die Kreuzung beider hat stets einen vorzüglichen Mittelschlag gegeben.
Nach den obigen Darlegungen wird Jeder, auch wer sonst nichts von der Bienenzucht versteht, leicht herausfinden, wie sehr die in den letzten Decennien gemachten Fortschritte die Einträglichkeit und Annehmlichkeit der Bienenzucht befördert haben müssen. Freilich ist es jetzt mehr als früher nöthig, sich die gehörigen Vorkenntnisse durch ein anerkannt gutes Lehrbuch der Bienenzucht zu verschaffen, ohne daß man dabei, mindestens anfangs, die Vorschriften erfahrener und bewährter Züchter entbehren könnte. In jedem Fall bleibt die Bienenzucht eine ebenso interessante Beschäftigung, wie sie als ein lohnender Nebenverdienst, welcher äußerst wenig Capitalanlage beansprucht, immer wieder empfohlen werden sollte.
- ↑ Vergl. die früheren Artikel über den Gegenstand in „Gartenlaube“ Jahrg. 1855, S. 78; 1857, S. 440, 458; 1861, S. 638; 1866, S. 382; 1868, S. 596.D. Red.