Nach gethaner Arbeit ist gut zu ruhen
[496] Nach gethaner Arbeit ist gut ruhen. (Vgl. das Bild auf S. 485.) Ein launiges Lied singt: „’s giebt kein schönres Leben, als das Räuberleben“ etc. Diese Behauptung ist ebenso gewagt, wie man ein Recht hätte, dafür zu setzen: „’s giebt kein schönres Leben, als das Künstlerleben“. Wer je in einer Malerstadt gelebt, je eines der alljährlich stattfindenden Künstlerfeste mitgefeiert hat, die in übermüthig ungebundener Laune eine Fülle lustiger Ideen mit jenem geläuterten Geschmack zu verkörpern wissen, welcher zu den Ausbildungszielen des Künstlers gehört, der wird eine Empfindung haben, daß in des „Künstlers Erdenwallen“ etwas ganz besonders Beneidenswerthes steckt. Worin es liegt? Nun – zunächst im Berufe selber. Es giebt gewiß keinen höheren Reiz, als den, welcher dem künstlerischen Schaffen und Gestalten innewohnt, welcher mit dem Bewußtsein der Herrschaft über die Welt der Formen, der Farben, der Klänge verbunden ist. Die Stunden hohen geistigen Aufschwungs, wie solcher der künstlerischen Befähigung frei zu Gebote steht, während er den weniger bevorzugten Sterblichen erst durch das Kunstwerk vermittelt wird – diese Stunden tragen nicht nur ihren Zauber in sich selbst; sie hinterlassen auch bei dem arbeitsmüden Künstler ein Gefühl tiefster Befriedigung, einen Nachklang von fröhlicher Stimmung, der die Muße desselben verklärt.
Davon wissen die Freunde des Künstlers, davon wissen die Wirthe in den Gegenden zu berichten, welche das lustige Malervölkchen auf Sommerfrische oder zu Naturstudien sammeln. Davon erzählt auch unser heutiges Bild, das uns in das Malerland Italien, in die Gegend von Rom führt, von dessen deutscher Malercolonie seinerzeit Ernst Eckstein den Lesern der „Gartenlaube“ eine farbige Schilderung gegeben hat (vergl. 1878, Nr. 32). Feierabend im Atelier! Verlassen steht die Staffelei; die Freunde sitzen beisammen um das frugale Mahl, welches ein feueriger Tropfen südlichen Rebenblutes würzt; die gute deutsche Pfeife dampft, und die italienische Laute klingt unter den Fingern ihres offenbar lyrisch angehauchten Besitzers, und mit entsagungsvollem Lächeln blickt der die Palette säubernde Schüler auf den muntern Gesellen, welcher der Ueberzeugung praktisch Ausdruck geben zu wollen scheint, daß die vollen rothen Lippen der jungen Modellsteherin noch zu etwas Besserem gut seien, als um mit Pinsel und Farbe auf grundirter Leinwand verewigt zu werden. Ein Kuß in Ehren – wer will’s verwehren?