Entstehung des Titisee’s
Ein finst’rer Spiegel ruht
Der See im tiefen Grunde;
Ob einer alten Sag’
Verrufen ist die Fluth.
In grauer Zeit ein Kloster;
Vor Sünde schützte nicht
Das klösterlich Gewand.
Im schwülen Winde beugt
Und Nebel sammelt sich,
Der aus den Bergen steigt.
Kaum starb des Abends Glut,
Erhebt sich über’m Thale
So düsterroth wie Blut.
Die Nonnen sehen’s nah’n,
Und stehen über’m Kloster,
Indeß ein Pilger klopft
Ihm glänzet silberweiß
Der lichte Ring der Haare,
Und mit verklärtem Blick
Begrüßt er tief und leis’.
Das von dem Feuerkreuze,
Gleich einem heil’gen Schein
Am hohen Fenster bricht.
Erhebt er im Gebet
„Der Herr erbarme sich!
Und aller Glanz vergeht.“
Er ruft’s, der Boden bebt
Mit unterird’schem Brausen,
Der sich im Sturme hebt.
Und schwärzer wird die Nacht;
So tobt doch kein Gewitter,
Ein Blitzstrahl zuckt durch’s Haus
Schon droht der Flammentod,
Und Wassertod von Außen;
Verzweiflung faßt sie an,
Die Frauen in der Noth.
Von selber an zu läuten,
Als plötzlich schwarze Fluth
Das ganze Haus verschlang.
Doch sieh! des Pilgers Hand
Er nimmt die Guten auf
Und setzt sie an das Land.
Und immer mehr verschlingt
Die unterird’sche Welle
Der letzte Boden sinkt.
Der Sturm, der Donner schweigt;
Wie staunt der Bergbewohner,
Als ihm den blauen See
Noch immer geht die Sag’:
„Im See sei’s nicht geheuer,
Den ziehe es hinab,
Der keck hinein sich wag’.“
(Höher hinauf verdienen vorzugsweise der Schluchsee und der Feldsee besucht zu werden. Um den Letztern spuckt der durch Hebel’s „Geisterbesuch auf dem Feldberg“ allgemein bekannte Denglegeist mit der goldenen Sense. Eifersüchtig, wie alle Geister, duldet er keinen andern Geist, am wenigsten aus dem benachbarten Gasthause neben sich. Auch die geistlichen Herren von St. Blasien waren ihm ehedem sehr zuwider, weil sie es versuchten, ihn zu beschwören und in eine geweihte Flasche zu bannen. Einst seien sie ausgegangen und hätten auf dem Gipfel des Berges ein Feuer angezündet, um ihm auf die Spur zu kommen. Aber der Denglegeist habe es sogleich wüthend ausgeblasen und die Mönche mit einer fürchterlichen, von Stein- und Hagelregen begleiteten Windsbraut den Berg hinunter gejagt.)