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Die Sieger auf der Hunde-Ausstellung zu Cleve

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Titel: Die Sieger auf der Hunde-Ausstellung zu Cleve
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aus: Die Gartenlaube, Heft 42, S. 703–706
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Sieger auf der Hunde-Ausstellung zu Cleve.

Die in reizender Umgebung gelegene einstmalige Hauptstadt des Herzogthums Cleve, die durch die Sage von Lohengrin weitberühmte Dreihügelstadt, ist den Lesern der „Gartenlaube“ aus früheren Jahrgängen (vergl. Jahrgang 1879, S. 586) zur Genüge bekannt. In Cleves Straßen herrschte im Anfang des verflossenen Sommers ein buntes Treiben; man traf emsig Vorbereitungen zu der großen Jagdausstellung (wir werden über dieselbe in einer unserer nächsten Nummern berichten. – D. Red.), welcher eine Hunde-Ausstellung voranging. Das schnaubende Dampfroß brachte aus aller Herren Ländern in das stille Städtchen gar seltene Gäste, nicht etwa in den Coupés erster bis vierter Classe – sie wurden vielmehr in eigenartig eingerichteten Behältern und Transportkasten vorschriftsmäßig unter der Obhut des Bahnpersonals bis Station Cleve befördert und hier von dem Ausstellungscomité in Empfang genommen: Hunde waren es, Hunde aller Rassen von dem klugen, in Gefahr und Noth Hülfe leistenden Sprossen des St. Bernhard herab bis zu der nichtsnutzigen faulen Art der seidenhaarigen Schooßhündchen der Salonwelt.

In unserer ein wenig an Ausstellungswuth leidenden Zeit ist bei dem großen Pubiicum das Interesse für derartige Fachausstellungen ein ziemlich kühles; wir sind einigermaßen abgestumpft gegenüber dem uns allzu oft gebotenen Genusse des Schauens; denn keine Stadt im deutschen Lande unterläßt es heutzutage, im Laufe von wenigen Jahren eine Industrie-, Gewerbe- oder landwirthschaftliche Ausstellung in ihren Mauern zu beherbergen. Und nicht nur die große Zahl solcher Ausstellungen erschlafft unser Interesse an denselben, sondern es liegt vielfach auch in der Natur dieser Schaustellungen selbst, daß sie uns kalt lassen; denn wer da erwartet, sie müßten immer eine Art von Theater bilden, in dem man Interessantes, Neues, Großartiges zu sehen bekommt, der irrt nur allzu oft. Die blendende Effectwirkung läßt sich aber am allerwenigsten bei den ihrer Natur nach ziemlich monotonen Fachausstellungen erzielen, und daher ist auf ihnen das schaulustige Publicum stets in geringer Menge vertreten.

Aber die hohe Ziffer der Besucher ist keineswegs der richtige Maßstab für die Beurtheilung des Werthes einer Ausstellung, die ernstere Ziele, als die Befriedigung eines verwöhnten Auges zu erstreben hat. Ihre Hauptaufgabe besteht vielmehr darin, ein getreues Bild der Fortschritte unserer culturellen Thätigkeit zu bieten und theils dem anerkannt Guten allgemeinere Verbreitung [704] zu verschaffen, theils für die Aufstellung neuer Gesichtspunkte sowie die Betretung bisjetzt unterlassener fortschrittlicher Bahnen anregend und befruchtend zu wirken.

In dieser Beziehung ist nun die Hunde-Ausstellung in Cleve als ein glückliches Unternehmen zu betrachten. Mag man gegen den Hund im Allgemeinen als den Träger verschiedenartiger tödtlicher Krankheiten oder aus irgend welchen anderen Gründen eifern wie man will, man wird trotz alledem zugestehen müssen, daß er uns ein unentbehrliches Hausthier geworden ist. Dabei muß man noch im Auge behalten, daß keines unserer gezähmten Thiere uns nach so verschiedenartigen Richtungen hin ein nimmer müder Helfer und treuer Arbeitsgenosse ist, wie gerade der Hund; benutzen wir das Pferd als Last- und Zugthier, züchten wir Rindviehheerden, um von ihnen Fleisch und Milch zu erhalten, so hilft uns der bei weitem vielseitigere Hund eine lange Reihe von Aufgaben lösen. Er bewacht das Haus des Landmanns und hütet seine Heerde; er findet die Spuren des Wildes und stellt dasselbe dem Jäger; aus den Schneewehen der Bergschluchten und aus den brandenden Wogen der See rettet er die Verunglückten; muthig vertheidigt er seinen Herrn gegen feindlichen Angriff, und selbst die Pflichten eines Kindermädchens werden ihm anvertraut. Im hohen Norden aber zieht er sogar – freilich mißbräuchlicher Weise (vergl. „Gartenlaube“ Jahrg. 1879, S. 586[WS 1]) – den Schlitten des Eskimo und in den civilisirten Ländern den kleinen Wagen des Hökerhändlers. Diesen zahlreichen Anforderungen entspricht auch die Fülle der inneren Anlagen und äußeren körperlichen Eigenschaften, die wir all dem Hunde kennen lernen.

Bekanntlich ist aber die Summe dieser Anlagen niemals in einem einzigen Hunde-Individuum vereinigt, sondern dieselben vertheilen sich auf die verschiedenen Hunderassen. Die eine Art ist wachsam; die andere zeichnet sich durch ihren verwegenen Muth aus; diese versteht das Wild aufzuspüren, jene es zu stellen. Die Aufgabe des Hundezüchters ist es nun, die einzelnen Rassen zu erhalten oder sie zu vervollkommnen und dadurch den Werth des Thieres für den Menschen immer höher zu steigern.

Bis vor Kurzem war nur der Jäger sich dieser Aufgabe bewußt, während man im Uebrigen der Hundezucht keine Beachtung schenkte und kluge, werthvolle Rassen durch Kreuzung mit weniger edlen fast gänzlich zu Grunde gehen ließ. Erst in Folge der Anwendung der Darwinschen Entwickelungstheorie auf die praktische Landwirthschaft wurde auch hier Licht und Klarheit geschaffen, und es bildeten sich bald kynologische Vereine, welche für die Züchtung reiner Hunderassen immer weitere Kreise gewannen.

Als der wirksamste Hebel für diese Bestrebungen sind indessen in erster Linie die Hunde-Ausstellungen zu betrachten, auf welchen die Gebrauchshunde gleichzeitig von den Sachverständigen auf ihre Leistungen geprüft werden.

Die letzte Hunde-Ausstellung zu Cleve, welche dank der Initiative des Comités für die Jagd-Ausstellung in’s Leben gerufen wurde, bot in dieser Hinsicht dem Fachmanne ein sehr ausgewähltes und reichhaltiges Material, welches umsomehr zur Belehrung und Klärung der Ansichten dienen konnte, als dieselbe durchweg nur mit vorzüglichen Exemplaren von den Hundezüchtern beschickt wurde.

Die Prüfung und Zusammenstellung der einschlägigen hier erzielten Resultate müssen wir jedoch den Fachblättern überlassen und beschränken uns nur auf die Vorführung einiger Prachtstücke, welchen unter der bellend-knurrenden Menge die Siegerpalme zuerkannt wurde und die der geniale Thiermaler Ludwig Beckmann in seiner gewohnten meisterhaften Weise für die „Gartenlaube“ zu zeichnen die Güte hatte.

Zunächst fallen uns in der oberen Gruppe unserer heutigen Abbildung die beiden Gegensätze der Wildhundrasse in’s Auge, und zwar der rauhhaarige schottische Deerhound, welcher in Schottland zum Hetzen des Edelwildes gebraucht wird, und der seidenhaarige russische Windhund. Nr. 1 ist der „Duncan“ des Lieutenant Rüdiger, der, bereits mit zwei ersten und drei zweiten Preisen belohnt, in Cleve ein drittes Blatt in den Kranz. seiner Siege einflocht. Nr. 2. stellt den russischen Windhund „Odar“ vor, welcher sich im Besitze der Frau Dr. Bodinus befindet. Die dicht daneben stehenden „Mylord“ und „Boncoeur“ sind zwei würdige Repräsentanten der deutschen Hühnerhunde. Diese ebenso edle wie unseren Verhältnissen angepaßte und brauchbare Hunderasse schien durch die unglückseligen Kreuzungsgelüste mit englischen Vorstehhunden fast verschwinden, und erst den Bestrebungen Ludwig Beckmanns und einiger seiner eifrigen Gesinnungsgenossen, wie des Herrn von der Bosch, Baron Rauch und Anderer, ist es zu danken, daß wir den alten Typus wieder aufgefunden haben; auch die „Neue deutsche Jagdzeitung“ hat redlich beigetragen, das Interesse für diesen von unseren Voreltern so gefeierten Stamm von Neuem anzufachen.

„Mylord“ (Nr. 3) ist ein langhaariger deutscher Hühnerhund, im Besitze des Herrn Borchers und wurde in Cleve in Folge der erworbenen ersten Preise in die Siegereclasse rangirt. In „Boncoeur“ (Nr. 4), aus der Zuchtstation Eberswalde, kurzhaarig, lernen wir einen Sohn der berühmten, vielfach prämiirten Auerbach’schen „Diana“ kennen. Dieser schöne Hund, der in Berlin mit dem ersten Preise bedacht warben war, trug hier den Ehrenpreis des Comités davon.

Außer diesen interessanten Typen bringt uns unser oberes Bild noch einen in den betheiligten Kreisen weit und breit berühmten Hund, und zwar in liegender Stellung, zur Anschauung. Es ist „Solo“ (Nr. 5), ein Schweißhund, welcher dem königlichen Förster Herrn Bühmann gehört und der, wie im vorigen Jahre in Elberfeld, so auch hier den Ehrenpreis seiner Classe heimbrachte.

Ungleich lebendiger ist das Bild der unteren Gruppe. Alle seine Stammesgenossen überragt hier „Nero“ (Nr. 8), eine deutsche Dogge, Tigerdogge des Herrn Wüster jun., welche, ebenfalls bereits in Elberfeld mit einem Ehrenpreise prämiirt, hier die gleiche Anerkennung fand.

Ueber keine Hunderasse sind die Ansichten im Publicum so unklar, wie über die „deutschen Doggen“, man findet heute selbst in guten Lehrbüchern, wie in L. Martins „Illustrirte Naturgeschichte der Thiere“, die Bezeichnung „dänische Dogge“; in Brehm’s trefflichem Werke ist sogar die von Ludwig Beckmann gezeichnete „deutsche Dogge“ mit dem Namen „dänischer Hund“ bezeichnet. Ebenso falsch ist die ziemlich verbreitete Benennung „Ulmer Dogge“; denn in der Kynologie kennen wir nur „deutsche Doggen“ und können hier nur einen „leichteren“ oder einen „schwereren Schlag“ gelten lassen.

Aehnliches gilt von den Alpenhunden (Bernhardiner); die hier herrschende Confusion ist von einem Stuttgarter Hundehändler verursacht worden, der unter dem Namen Leonberger oder Berghunde eine Verbastardirung des Alpenhundes als eigene constante Rasse einführen und an den Mann bringen wollte. Der Künstler hat auf unserer Skizze in Nr. 7 ein den Typus dieser Rasse besonders charakterisirendes Thier, „Geßler“, Eigenthum des Prinzen A. zu Solms-Brunnfels, dargestellt. „Geßler“ ist ein langhaariger Bernhardiner, der in Cleve den dritten Preis erhielt.

Zwei weitere Repräsentanten specifisch deutscher Rassen finden wir ferner in Nr. 9 und 10 unserer Abbildung.

Ersterer, „Mohr“ mit Namen, ist ein wolfsgrauer Spitz des Herrn Scheurer, letzterer ein schöner Schnürenpudel, „Solo“, im Besitz des Herrn Meschenmoser.

Der echte alte Spitz (Fuhrmannsspitz, Schiffspommer, auch Pommer genannt) war einfach wolfsgrau an den Läufen und der Unterseite lichter gelblich-grau und sind von ihm die weißen und schwarzen Spitze als Varietäten ausgegangen. Der echte Spitz ist stets einfarbig, niemals gefleckt, und an Wachsamkeit und Klugheit nimmt er einen hohen Rang unter den Hausthieren ein, aber wie verbreitet diese nützliche Rasse auch früher in Deutschland war, heute droht sie fast gänzlich zu verschwinden, und es bedarf energischer Anstrengungen, um den echten Spitz zu erhalten.

Keine Hunderasse der Welt übertrifft an Klugheit und Fassungsvermögen den Pudel, und wir können es Zoroaster kaum verdenken, wenn er in diesem Thiere den Begriff alles thierisch Edlen und Vollkommenen verewigt sieht. Wir theilen den Pudel nach seiner Behaarung in den kraushaarigen und den Schnürenpudel. „Solo“ gehört zur letzteren Species.

Der einzige Repräsentant Alt-Englands auf unserem Bilde ist schließlich „Prinz“ (Nr. 8), der mürrische Mastiff des Herrn Alexander Leymann. Der Mastiff ist nicht zu verwechseln mit der Bulldogge; er gilt für ein wüthendes, bösartiges und ungeselliges Thier, ist jedoch seinem Herrn, sobald er denselben genau kennt, treu ergeben und einer der sichersten Hüter von Haus und Hof. Sein Muth grenzt an Tollkühnheit, und er greift, ohne sich zu besinnen, Alles an, worauf er gehetzt wird.

Es ist nicht unsere Aufgabe, hier auf eine detaillirtere Behandlung der obenerwähnten Rassen einzugehen, wie auch eine

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Prämiirte Hunde auf der Hunde-Ausstellung zu Cleve. Originalzeichnung von L. Beckmann.
1. Duncan (schottischer Deerhound). – 2. Odar (russischer Windhund). – 3. Mylord (langhaariger deutscher Hühnerhund, Siegerclasse). – 4. Boncoeur (glatthaariger deutscher Hühnerhund, Ehrenpreis des Comités). – 5. Solo (Schweißhund, Ehrenpreis). – 6. Nero (deutsche Dogge, Tiger, Ehrenpreis). – 7. Geßler (Alpenhund, Bernhardiner). – 8. Prinz (englischer Mastiff). – 9. Mohr (wolfsgrauer Spitz). – 10. Solo (Schnürenpudel).

[706] Besprechung der heutigen kynologischen Verhältnisse Deutschlands an dieser Stelle unterbleiben muß. Nur Folgendes möchten wir noch besonders hervorheben: Die eigentümlichen Anforderungen, welche mit unerbittlicher Strenge an die Züchtung einzelner Hunderassen gestellt werden müssen, dürfen nicht von der Laune Einzelner abhängen. Nur gemeinsames Studium und gemeinsames Vorgehen können hier auf den richtigen Weg führen. Die heutige Richtung in unserer Kynologie verfolgt den Zweck, die sämmtlichen schönen, edlen und wertvollen Rassen der Vergessenheit zu entziehen, sie zu erhalten und zu veredeln. Die Engländer haben uns die richtigen Wege der Züchtung gewiesen. Benutzen wir diese Lehre, um unsere guten deutschen Hunde zunächst wieder auf den ihnen gebührenden Platz zu erheben! Dann wird es nicht schwer halten, das englische Material zu überflügeln, und wir werden die nicht unbedeutenden Summen, welche heute für edle Hunderassen nach England wandern, dem Lande erhalten.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. gemeint vielleicht: Jahrg. 1859, S. 62