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Die Offenbarung Johannis/Die literarkritische Methode

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« Moderne Vertreter veralteter Auslegungsmethoden Wilhelm Bousset
Die Offenbarung Johannis
Die religionsgeschichtliche Betrachtung »
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[108]
20. Die literarkritische Methode.[1]

Die alte Kritik der Apk von Grotius-Hammond wurde von Vogel (commentationes VII de apoc. Joann. Erlang. 1811-16; mir unzugänglich) wieder aufgenommen. V. schied die Apk in vier Stücke: 1,1-8; 1,9-3,22; 4-11; 12-22, und ließ diese durch den Presbyter Johannes zusammengearbeitet sein. — Gegen Vogel wandte sich Bleek, Beitrag zur Kritik und Deutung der Offenbarung Johannes, Berl. theol. Ztschr. II, 1820, 240ff., nahm jedoch seinerseits an, daß der erste Teil 4-11 vor der Zerstörung, der zweite nach derselben geschrieben sei. Bleek fußte vor allem auf dem Mangel der Verbindung zwischen Apk 11 und 12. Bleek widerrief dann diese Meinung in den Beiträgen zur Evangelienkritik, Berlin 1846, S. 81; Stud. und Krit. 1855, 220ff.[2]

[109] Nachdem so die Versuche der Quellenscheidung in der Apk von ihrem eignen angesehensten Vertreter aufgegeben waren, stand die literarische Einheit der Apk lange Zeit als Axiom fest, und man konnte sich kaum genugtun in der Bewunderung der Planmäßigkeit und Einheitlichkeit der Apk.

Da trat plötzlich Völter — nach Anregungen seines Lehrers Weizsäcker (vgl. Theol. Lt. Zt. 1882 78f.) — mit einer bis ins einzelne gehenden Quellenscheidung der Apk auf und verteidigte dieselbe, allerdings unter fortwährender Abänderung und weiterem Ausbau, in einer ganzen Reihe von Schriften[3]. In einem wichtigen Punkt ist V. sich von Anfang an gleich geblieben: in der Rekonstruktion der apok. Grundschrift, die nach ihm aus den Abschnitten 1,4-6; 4,1-5,10; 6,1-17; 7,1-8; 8-9; 11,14-19; 14,1-3.6f.; 18,1-19,4; 14,14-20; 19,5-10 besteht. Diese Apk stammt aus der ersten Hälfte der sechziger Jahre (jetzt: 65). Vlt. wurde also in erster Linie darauf aufmerksam, daß in 14,14-20 scheinbar der Abschluß einer Apk gegeben sei. Er zog deshalb zwar noch Kap. 18; 19,1-10 zu seiner Grundschrift hinzu, stellte jedoch 14,14-20 zwischen 19,1-4 und 5-10. Ferner bemerkte er richtig, daß wenn irgendwo, so in Kap. 7 bei den beiden divergierenden Abschnitten (7,1-8.9-17) die Quellenscheidung ihr Recht habe, und schied aus seiner Urapokalypse 7,9-17 aus. Er wurde endlich darauf aufmerksam, daß 10,1-11,13 sich empfindlich störend zwischen die sechste und siebente Posaune einschoben. Über die nach dieser Grundschrift auf einander folgenden Bearbeiter hat V. sehr verschieden geurteilt. In der letzten Bearbeitung der Frage hat er den weitaus größten Teil außer der Grundschrift einem selbständigen Werke des Ketzers Cerinth vom Jahre 70 zugesprochen, dem er nun auch die früher von ihm als Nachtrag bezeichneten Stücke 10,1-11,13; 17,1-18 und vom früheren (zweiten) Bearbeiter die Kap. 15-16; 21,9—22,6 zuwies. Die Johanneische Urschrift (von Johannes Markus) und das Werk Cerinths sind dann durch einen Redaktor unter Trajan, der namentlich Kap. 13 selbständig schrieb, [666 nach V. = תריון‎] zusammengearbeitet. Endlich hat ein Redaktor unter Hadrian die Sendschreiben hinzugefügt. In seiner letzten Bearbeitung des Problems hat V. also sein ursprüngliches Schema — „Grundschrift und allmähliche Überarbeitung“ — zu Gunsten einer anderen Grundauffassung — „Quellenschriften und ein Redaktor“ — verlassen. Da V. sich in seinem Vorwort der Hoffnung hingibt, das apokalyptische Problem nunmehr seiner endgültigen Lösung entgegenzuführen, darf man vielleicht erwarten, daß er uns künftig nicht mehr mit einer allerletzten Lösung überrascht. Ich gebe eine Tabelle der Quellenverhältnisse nach seiner letzten Schrift.

[110]
Voelters Quellenscheidung nach seinem Werk von 1904.
Apk des Johannes Markus[4] Apk des Cerinth Redaktor aus Trajans Zeit Überarbeiter aus Hadrians Zeit
1,4-6 1,7-8 1,1-3
1,9-3,22
4,1-5,10[5] 5,6b.11-14
6,1-7,8 7,9-17
8-9 10,1-11
17,1-18
11,14-19 11,1-13
12,1-16 12,11
12,18(17)-13,18
14,1-3.6-7 14,4-5.9-12 14,13
15,5-6.8 15,1-4.7
16,1-21 16,(13).19b 16,15
17,14.16.17
18,1-19,4
14,14-20
19,5-10a 19,10b
19,11-21,8
21,9-22,6 21,14; 21,22-27
22,1-2.8-9 22,7.10-20

Meisterhaft ist die Kritik Weizsäckers, die er im apostolischen Zeitalter 1886¹ 1892² niederlegte. Wzs. ging im wesentlichen von der Beobachtung aus, daß in dem harmonischen Aufbau der eigentlichen Apk — abgesehen von Anfang und Schluß und den Sendschreiben — mit seinem dreimal sich wiederholenden Siebenzeichen sich einzelne Stücke störend einschieben. Schon in Kap. 7 sei dies der Fall, dann aber gehörten vor allem Kap. 11,1-13 mit seiner Einleitung Kap. 10, Kap. 12-13 und 17 hierher. Diese Stücke verschiedenartigen Ursprungs seien gleichsam in die Apk eingearbeitet. 12,1-11 und 12-17 hätten ursprünglich nicht zusammengehört; auch auf den Widerspruch der Deutung der 144000 7,1-8 und 14,1-4 macht Wzs. aufmerksam, ferner auf die in Kap. 13 und 17 vorliegende Doublette, auf die Wiederholungen 11,19 und 15,5, die überaus künstliche Komposition von 14,6-13, das Ausbleiben des dritten Wehes, den Widerspruch zwischen 17,16 und 18,9 (?), die Antizipation des Tieres aus dem Abgrunde 11,7, die antizipierte Gestalt des Drachen 12,3, — alles wesentliche und meist richtige Beobachtungen von bleibendem Wert. Die einzelnen Stücke datiert Wzs. folgendermaßen: 7,1-8 aus den Jahren 64-66, 11,1-13 aus dem Anfang des jüdischen [111] Krieges, 12,1-10 um die Zeit des Auszugs der Christen aus Jerusalem, 13 unter Vespasian, 17 unter Domitian. Die Spuren spätester Zeit findet er in den Sendschreiben. In Wzs.s kurzer Ausführung ist m. E. der Keim zu einem richtigen Verständnis der Apk enthalten.

In demselben Jahre aber erschien von ganz andrer Seite und mit andern Gesichtspunkten eine Arbeit, welche die ganze Frage mit einem Schlage in Fluß brachte. Eberhard Vischer[6] (unter Zustimmung seines Lehrers Harnack) ging von dem Nachweis aus, daß die entscheidenden Kapitel der Apk 11 und 12 nur unter der Voraussetzung jüdischen und nicht christlichen Ursprungs zu verstehen seien. Die Hoffnung, daß der Tempel in Jerusalem erhalten bleiben werde, die Erwartung zweier Zeugen vor der Wiederkunft des Messias seien jüdisch und nicht christlich. Kap. 12 berichte von einer vorläufigen Geburt des Messias (im Himmel) am Ende der Dinge und nach der siebenten Posaune. Das könne ebenfalls nur vom Boden des Judentums aus verstanden werden. Für die Idee eines doppelten Erscheinens des Messias wies Vischer außerdem eine jüdische Parallele nach. Auf Grund dieser Beobachtungen und bei der Überzeugung von der literarischen Einheit der Apk — Vischer verweist mit vollem Recht auf den im ganzen Buche herrschenden gleichen Sprachcharakter — schloß Vischer dann, die Apk sei eine wesentliche jüdische Schrift. Nur das spezifisch Christliche in ihr müsse als eingearbeitet betrachtet werden. Dahin gehörten ihm natürlich die Kap. 1-3, ferner 5,9-14; 7,9-17; 11,8b; 12,11; 13,9-10; 14,1-5.12-13; 15,3; 16,15; (17,6); 17,14; 19,9-10.11.13; 20,4-6; 21,5b-8; 22,6-21 und eine Reihe von einzelnen Wendungen: das häufig in der Apk vorkommende ἀρνίον wurde systematisch getilgt u. s. w. — Die Arbeit Vischers war ein genialer und glücklicher Wurf und hat, wie schon gesagt, unleugbar das Verdienst gehabt, die ganze Frage in Fluß zu bringen. Doch war es, wenn man den Verlauf der Entwicklung der Kritik übersieht, vielleicht nicht ganz glücklich, daß hier gleich am Anfang derselben als entscheidendes Kriterium die Frage, ob und wie weit die Apk jüdisch oder christlich sei, aufgeworfen wurde, eine Frage, deren Beantwortung nicht so einfach ist, wie sie aussieht, und die nach meiner Meinung erst ganz zum Schluß der Untersuchung erhoben werden darf. Es ist ferner zu bedauern, daß bei der Arbeit Vischers die Kontinuität der Untersuchung nicht gewahrt blieb und die absolute literarische Einheit der Apk für Vischer das Axiom ist, mit dem er an einem wichtigen Punkt seiner Kritik einsetzt. Die Annahme, daß die ganze Apk eine jüdische Schrift sei, aus der sich die christlichen Interpolationen noch beseitigen ließen, hat Vischer nur mit der größten Gewalttätigkeit an einigen Stellen durchführen können. Auch läßt sich nicht sagen, daß es V. gelungen wäre, seine These hinsichtlich der Kap. 11 und 12 ganz sicher zu stellen. Hinsichtlich Kap. 11 ist V.s Beweis in keiner Weise zwingend, und bei Kap. 12 wird die Sachlage durch die Zunahme jüdischen Ursprungs doch nicht viel klarer.

[112] Jedenfalls aber hat V.s Arbeit die folgenden Forscher mächtig angeregt. Sie brachte eine neue Fragestellung und setzte neue Mittel zur Lösung des Problems in Bewegung. Im Grunde liegen bei Vischer die ersten Keime der religionsgeschichtlichen Methode vor, die sich dann erst in allerneuester Zeit entwickeln sollte.

Unmittelbar an Vischer schlossen sich an: Iselin in der (mir nicht zugänglichen) theol. Zeitschr. a. d. Schweiz 1887 (apokalyptische Studien), der den Nachweis versuchte, daß die hebräische Grundschrift unsrer Apk. dem Verfasser der späten syrischen Esraapokalypse noch vorgelegen habe; ein Anonymus (*) der Z.A.T.W. 1886, 167-71, der in einer sehr leichtfertigen Untersuchung die hebräische Grundlage der Apk für einige Stücke herzustellen suchte; Rovers (Th.T. 1887, 616-34, apokalyptische Studien 1888), der in einem Referat über die verschiedenen aufgetauchten Hypothesen (Vlt., Wzs., Sabatier) Vischer im wesentlichen zustimmte, jedoch mit einigem Bedenken gegen die literarische Einheit der Apk.

In demselben Jahr und unabhängig von Vischer erschien Weylands Versuch[7]. — Weyland findet in der Apk zwei jüdische Quellen. Die erste ℵ ist nach ihm unter Titus geschrieben, die zweite (zeitlich frühere) ב unter Nero nach der Niederlage des Cestius Gallus. Der christliche Redaktor fügte die Sendschreiben, Anfang und Ende und eine Reihe von Interpolationen hinzu. In Weylands Arbeit sieht man deutlich den Einfluß Völters. Der christliche Redaktor bekommt bei W. etwa dieselben Stücke wie, bei Vischer (Kap. 16 ist von ihm aus ℵ und ב kompiliert). Mit Vischer geht Weyland in der Annahme eines im wesentlichen jüdischen Grundelementes der Apk. Gegenüber der früheren Annahme Vlt.s einer allmählichen Überarbeitung einer Grundschrift stellt W. zum ersten Mal (vgl. den Titel seiner Schrift) die Quellentheorie auf. Er vereinfacht außerdem Vlt.s verwickeltes kritisches System in wohltuender Weise.

Weylands Quellenscheidung:[8]
  jüdische Quelle ℵ[9]    jüdische Quelle ב‎    der christl. Red. 
1,10.12-17.19 1-3
4-6 (5,6-14)
7,1-8.9-17
8-9 9,18
10,1-11,13 10,7
11,14-18 11,8b.19
12,1-10.12-18 12,11.17c
13
14,2-3 14,6-11 14,1.4-5.12-13
15,5 15,2-4 15,1.6-8
16,17b-20 16,13.14 16,1-17a.21
14,14-20
17-18 17,14
19,1-6 19,11-21 19,7-10.13b
20
21,9-27 21,1-8 21,9a.14b
22,1-11.14-15 22,7a.12-13.16-21

Ähnlich, nur bedeutend einfacher als Weyland, urteilt O. Holtzmann[10]. Nach ihm ist in der Apk eine jüdische Grundschrift aus der Zeit nach Neros Tod verarbeitet. Diese selbst aber war schon nicht mehr einheitlich, sondern hatte in sich eine Apk aus Caligulas Zeit (Γάϊος Καῖσαρ: 616), bestehend aus 13; 14,6-13 aufgenommen.

Wieder mehr zu Wzs. zurücklenkend, faßte dann Sabatier[11] die Apk als ein im wesentlichen einheitliches christliches Werk, in das jüdische Stücke eingearbeitet seien. Als solche gelten 11,1-13; 12-13; 14,6-20; 16,13.14.16; 17,1-19,2: 19,11-20,10; 21,9-22,5. Kap. 10 ist vom Apokalyptiker zum Zweck der Einarbeitung von 11,1-13 dem ursprünglichen Zusammenhang hinzugefügt.

Schön[12] gibt sein Urteil ganz im Anschluß an seinen Lehrer Sabatier, beschränkt aber die jüdischen Stücke auf 11,1-13; 12,1-9; 13; 18. Kap. 10 [113] [13]ist nach ihm Einleitung zu 11,1-13, Kap. 17 zu 18; außerdem hat der Apok. bei der Einarbeitung der Stücke noch eine Reihe kleinerer Klammern angebracht.

Ich glaube, daß diese Anschauung, die wir im Gegensatz zur Kompilations-(Quellen) und zur Umarbeitungs-Theorie die Fragmentenhypothese nennen wollen, in allererster Linie Berücksichtigung verdient, vor allem, weil sie den beiden Beobachtungen gerecht wird, dem einheitlichen Eindruck, den die Apk als Ganzes immer wieder macht, wie der ebenso mächtig sich aufdrängenden Beobachtung, daß in der Komposition der Schrift unheilbare Risse Vorliegen[14].

Eine durchgeführte Quellentheorie ist endlich diejenige Spittas (Offenbarung des Johannes 1889). Sp. folgt einer leider gleich von vornherein unglücklichen Generalidee. Er glaubt in den dreifachen Siebenzeichen die Spuren von drei Quellen gefunden zu haben. Die „Siegelquelle“ stammt [114] aus der Feder des christlichen Urapokalyptikers, dem Sp. auch die sieben Sendschreiben zuwies in schroffem Gegensatz zu Vischer, Völter, Weyland, die sämtlich die sieben Briefe dem letzten Redaktor des Buches zusprachen. Die christliche Urapokalypse (U) ist bald nach 60 geschrieben. Daneben stehen zwei jüdische Quellen: 1) die Posaunenquelle J¹: aus der Zeit Caligulas (Γάιος Καῖσαρ = 661); 2) die Schalenquelle J² (nach Sp. aus der Pompejuszeit!). Ein christlicher Redaktor hat dann unter Trajan die verschiedenen Quellen vorsichtig und fast ohne sie zu verletzen zusammengeleimt. Es ist zu bedauern, daß Sp.s scharfsinnige Hypothese eine Unmöglichkeit als Grundlage hat, nämlich die Annahme der Existenz dreier Apokalypsen mit je einer Siebenzahl von Zeichen, und in einer Unmöglichkeit gipfelt: der Erklärung der kunstmäßigen Anlage der Apk durch einen Zufall. Dennoch ist Sp.s Arbeit reich an neuen wertvollen Gesichtspunkten und umfassendem Material zur Auslegung des Einzelnen. Wertvoll ist vor allem seine Verteidigung des christlichen Charakters von 4-6. Beachtenswert ist seine Behauptung, daß mit Kap. 6 ein starker Einschnitt in der Apk. gegeben sei, und sein Versuch, in Kap. 1-6 eine zusammenhängende Quelle zu finden, bestechend die Verweisung des Kap. 13 in die Zeit des Caligula[15].

Spittas Quellenscheidung:
U R
1,4-6.9-19 1,1-3.7-8.20
2,1-3,22[16]
4-6 4,1; 5,5b.6b(8);(6,16)
8,1; 7,9-17 7,1-8
8,2-9,21 9,9.15b
10,1a.2b.3.5-7 10,1b.2a.8a.9b.10-11 10,4.8b.9a
11,1-13 11,7b.8b
11,(15.)19 11,15.17.18 11,14.16
12,1-17 12,6.11
12,18-13,8 13,3a.4b.5b.7a.
13,11-18 13,9-10.18a
14,1-2a.4b-7.9.10b.11a 14,14-20 14,2b-4a.8.10a.11b-13.17
15,2-6.8 15,1.7
16,13.14.16.17b-20 16,1-12.17a.21 16,15
17,1-6a 17,6b-18
18,1-23 18,24
19,9b.10 19,11-21 19,1-8 19,4.8b.9a.15
20,1-3.8-15 20,4-7
21,1.5a.6a 21,9-22,3a.15 21,2-4.5b.6b-8
22,8.10-13.16a.17.18a.20b-21 22,3b-7.9.14f.16b.18-20a
[115]
Schmidt[17] treibt die Kompilationstheorie auf die Spitze. Er unterscheidet in dem Buch drei von einander unabhängige Stücke: 4,1-7,8; 8,2-11,15 (Einschub 10,1-11,13); 12,1-22,5 (Einschub 14,6-20; 17,1-19,5). Diese drei (resp. fünf) Stücke wurden dann nebst den für sich existierenden Sendschreiben von einem Redaktor zusammengearbeitet.

Erbes[18] vertritt im wesentlichen die Überarbeitungshypothese. Er kennt eine apokalyptische Grundschrift, welche sich so ziemlich mit der Grundschrift Vlt.s deckt. Die Grundschrift ist christlich und vor der Zerstörung Jerusalems geschrieben. Kap. 11ff. findet Erbes eine Weissagung der Zerstörung des Tempels. In diese Grundschrift ist eine Caligulaapokalypse (12,1-13,18; 14,9b-12) eingearbeitet. Ein Bearbeiter um ca. 80[19] hat dann die Apk an vielen Punkten umgearbeitet und die Schlußpartien hinzugefügt. Erbes stützt seine Hypothese von der Grundschrift der Apk wesentlich durch den erwägenswerten Gedanken, daß nach 10,7 auf die siebente Posaune das Ende bald folgen müsse und in 14,14-20 in der Tat gegeben werde.

Erbes Quellenscheidung:
Caligulaapok.  Apk 62  Apk 80
1,4-19 1,1-3.20
2-3[20]
4
5,1-10(.11—14?)
6
7,1-3.9-12 7,4-8.13-17
8-11 9,12; 11,14
12,1-13,18
14,9b-12 14,1-7.13-20 14,8.9a
15,2-4 15,1
15,5-19,4
19,5-9a 19,9b-20,10
20,11-15
21,1-4 21,5-22,2
22,3-25

Im Jahre 1894 erschien die von der Teylerschen theologischen Gesellschaft preisgekrönte Arbeit von Chr. Rauch, die Offenbarung des Johannes. Rauchs Verfahren ist ein mehr kompilatorisches. Er folgt vor allem Weyland; es sind aber auch Einflüsse der Arbeiten Weizsäckers, Schöns, Sabatiers und Spittas nachzuweisen. Nach Rauch ist die Apk im großen und ganzen das Werk eines jüdischen Apokalyptikers ca. 62, dessen eigne Weissagung [116] etwa der Quelle ℵ bei Weyland entspricht. Dieser Apokalyptiker hat aber bereits fünf ältere Fragmente in sein Werk verarbeitet (Fragmentenhypothese), darunter zwei Fragmente (a: 10 (teilweise) 11,1-13; 12,1-17; b: 10 (teilweise) 12,18; 13; 16,13-16) aus der Caligulazeit (Spitta!), eines (17,1-19,6; 21,9) aus dem Jahr 53. Ein Redaktor unter Titus hat dann der jüdischen Grundschrift durch geringe Zusätze einen christlichen Charakter verliehen und die Sendschreiben hinzugefügt. — An Rauch schließt sich zum guten Teil Brückner, Protest. Kirchenzeitung 1896, 653-657, 680-685, 703-710, 733-736 an.

In meiner ersten Bearbeitung dieses Buches[21] habe ich mich bemüht, auf dem von Weizsäcker, Sabatier, Schön gewiesenen Wege die Untersuchung weiter zu fördern und vor allem ein charakteristisches Bild von dem Apokalyptiker letzter Hand zu entwerfen gesucht (s. den folgenden Abschnitt). Ich habe keinen Grund, an meiner Auffassung im großen und ganzen etwas zu verändern. Zu meiner Freude hat auch O. Pfleiderer, nachdem er in der ersten Ausgabe seines Urchristentums (1887, 318-356) noch eine recht komplizierte Hypothese vorgetragen, in der zweiten Auflage seines Werkes (1902, 281-335) sich ebenfalls ganz auf diese Bahn begeben. Der Apok. letzter Hand, zugleich der Verfasser der Briefe, ist ihm ein selbständiger Schriftsteller, der seinem Werke eine Reihe von Fragmenten einverleibt hat. Die Fragmente 11,1-13; 12; 13 (in seiner Grundlage); 14,6-11.14-20; 17,1-5; 18 ist Pfleiderer geneigt einer zusammenhängenden Quelle — vielleicht jüdisch, aus der Caligulazeit — zuzusprechen; auch 21,9-22,5 ist eine — vielleicht — jüdische Quelle. Noch entschlossener geht Jülicher (Einleitung in das neue Testament ³.⁴ 1901, 204-229) diesen Weg. Er betrachtet die Apokalypse als das Buch eines Christen um 95, „der an mehreren Stellen ältere apokalyptische Stücke, einigermaßen zurechtgestutzt, mit aufnahm“. „Ob diese älteren Stücke einer oder mehreren Apokalypsen angehörten, und ob sie unmittelbar oder nur mittelbar jüdischen Ursprungs sind, wird absolut sicher vielleicht nie entschieden werden können.“ Endlich steht auch Holtzmann (Handkommentar ² 1893) praktisch auf dem Boden dieser Auffassung.

Einen eigenartigen und kräftigen neuen Versuch hat J. Weiß (die Offenbarung des Johannes 1904, Forschungen z. Rel. u. Lit. d. A. u. N. T. 3. Heft) gemacht. Er lehnt sich vor allem an Spittas Versuch an, einen christlichen Urapokalyptiker in der Offenbarung nachzuweisen. Diesem christlichen Urapokalyptiker spricht J. Weiß 1,4-6(7. 8). 9-19; 2-3 (mit Ausnahme der Briefschlüsse) zu, ferner 4-6, die Grundlage von 7 (Versiegelung und Sammlung der Auserwählten aus Israel und den Heiden); dann (in Abweichung von Spitta) „die drei Wehe“: die ersten beiden Kap. 9, das dritte 12,7-12 (Weiß bricht die Episode vom Kampfe Michaels mit dem Drachen und [117] dem Drachensturz aus Kap. 12 heraus); die Grundlage von 13,11-18; 14,1-5 (der Pseudoprophet, Bewahrung der Versiegelten). In 14,14-20 findet W. das Ende dieser Apok., das Gericht (vgl. vor allem Völter, Erbes), an das er dann noch 20,1-21,4; 22,3-5 (tausendjähriges Reich, Endgericht, neues Jerusalem) und einige Verse des Abschnittes 22,8ff. anschließt. Diese Urapokalypse soll nach W. in der zweiten Hälfte der 60er Jahre geschrieben sein. – Vom Redaktor der Apokalypse ist aber ferner eine jüdische Apokalypse (11,1-13; 12,1-6.14-17; 13,1-7; 15-19; 21,9-27), die im Jahre 70 während des Ansturms der Römer auf Jerusalem geschrieben wurde, mit jener vereinigt. Diese jüdische Apokalypse ist kein Werk aus einem Guß, sondern eine Sammlung kleiner Weissagungen, die dem Sammler auf die gegenwärtige Krisis Bezug zu haben schienen. Diese kleinen von ihm aufgenommenen Fragmente sind: die sich entsprechenden Weissagungen von der Messiasgeburt 12,1-6.14-17 und der Messiasschlacht 19,11-21; vom Fall Babels (Grundlage von 17; 18) und dem neuen Jerusalem 21,9-27; endlich die Tiervision 13,1-7. Der Apok. letzter Hand hat diese beiden Quellen vereinigt, aber er ist auch für W. kein einfacher Redaktor, der mit der Schere arbeitet, sondern ein Schriftsteller, der selbst etwas zu sagen hat; dieser Apok. letzter Hand hat der Apk erst die Wendung einer Weissagung gegen das römische Imperium und den Kaiserkult gegeben. Er schrieb seine Apk in dem Bewußtsein, eine ältere Weissagung nur revidiert, vermehrt, gedeutet herauszugeben, und war der Meinung, daß diese Weissagung sich in seiner Zeit schon zu erfüllen beginne. Er hat so selbständig mit seinen Quellen geschaltet, daß diese sich oft kaum noch wiederherstellen lassen. So hat er die Briefschlüsse eingefügt, Kap. 4 stark interpoliert, 6,9-11 und 7 neu bearbeitet, aus den drei Wehen die sieben Posaunen gemacht, in 13,1-10.18 die Andeutungen auf Nero redivivus eingeführt und an einer Reihe von Stellen Hindeutungen auf den Kampf mit dem Tier und das Martyrium eingeflochten: 12,11; (14,1-5); 14,8-13; 15,2-4; 16,5-7.13-15; 17,6.14.15; 19,4-10; 20,4 u. s. w.

Als mehr oder minder entschlossene Verteidiger der Einheit der Apk sind demgegenüber zu nennen: Bovon, Revue de théol. et phil. 1887, 329-362. W. Beyschlag (gegen Vischer), St.-Kr. 1888, 102-138. B. sucht die Apk als eine einheitliche, in der neronischen Zeit geschriebene Schrift zu verstehen. Hilgenfeld, Z.w.Th. 1890, 385-468. H. suchte namentlich den judenchristlichen Charakter des Buches zu wahren. Er gibt Interpolationen in 1,1-3; 16,15; 19,8b.10b.13b; 22,18-20 zu. Kappeler war noch 1890 (Theol. Z. aus d. Schweiz, 26-32) der Meinung, daß Volkmar bereits alles Wissenswerte über die Apokalypse gesagt habe. Dann hat A. Hirscht („die Apk und ihre neueste Kritik“ 1895) mit Fleiß, aber ohne Methode versucht, die Aufstellungen der Kritiker Vers für Vers zu widerlegen. Ebenso der Katholik M. Kohlhofer, Bibl. Studien hrsgeg. v. Bardenhewer VII 4. 1902. Pressensé, Le siècle apostol. seconde période 1889, 333-347, läßt die Apk 69 entstanden sein, aber erst gegen Ende des Jahrhunderts ihre jetzige Redaktion gefunden haben. A. H. Blom (Th. T. 1883, 184-201 245-286; 1884, 541-551) hielt an der Einheit der Apk fest, und betrachtete nur Apk 17 als Nachtrag aus der Zeit nach dem Tode Galbas. B. Weiß gab unter Voraussetzung der Einheit eine kurze Erklärung nebst Text und textkritischen Untersuchungen. (Die Johannesapokalypse Leipz. 1891. Texte u. Unters. VII 1.) Th. Zahn, für den die moderne Literar-Kritik überhaupt kaum [118] existiert, bietet in seiner Einleitung wertvolle Einzelbemerkungen zu unserm Buche und eine Verteidigung der endgeschichtlichen gegenüber der zeitgeschichtlichen Auslegung.


  1. Vgl. zum Folgenden die Literaturübersichten von Holtzmann, Jahrb. f. prot. Theol. 1891. 520ff. und Baldensperger, Z. f. Th. u. K. 1894; ferner die Einleitungen der noch zu erwähnenden Arbeiten von Rauch und Hirscht; D. Völter, das Problem der Apokalypse S. 1-32; Bartlett, Journal of American Theology II 776—801: The apocalypse in recent criticism.
  2. Nach Düsterdieck 4. Aufl. S. 26; Holtzmann Handkommentar² 290 erwähnt noch eine Schrift von Evanson; vgl. noch die Bedenken Schleiermachers gegen die WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt Einheit der Apk.: Einleitung in das NT. 461-463 (bei Völter, das Problem der Apk S. 2ff.).
  3. Die Entstehung der Apk. Freiburg 1882¹ 1885². — Die Offenbarung Joh. keine ursprünglich jüdische Apk (Streitschrift gegen die Herren Harnack und Vischer) 1886. — Theol. Tijdschrift 1886, 608ff.; 1891, 259ff. Prot. KZ. 1886. Nr. 32f. Das Problem der Apk. Freibung 1893 (zusammenfassende Darstellung). Endlich: Die Offenbarung Johannis. Straßburg 1904.
  4. Nicht besonders notiere ich von V. ausgeschiedene Interpolationen innerhalb einzelner Verse. Vgl. in der Apok. d. Joh. zu 4,1; 5,9.10; 6,16; 11,15.18; 14,1; 18,20; in der Apok. des Cerinth 11,8; 16,2.3; 17,1; 19,20; 20,4.10; 21,9; 22,3.
  5. Hier und im Folgenden vermerke ich einzelne vom Redaktor hinzugefügte Verse nur beim Redaktor nicht in den zusammenhängenden Stücken der Grundschrift.
  6. Die Offenbarung Joh., eine jüdische Apokalypse in christlicher Bearbeitung mit einem Nachwort von A. Harnack. Texte u. Unters. II 3 1886, 2. Aufl. 1895.
  7. Th. T. 1886, 454-70. Omwerkings en Compilatie-Hypothesen toegepast op de Apoaclypse van J. Groningen Wolters 1888.
  8. WS: Die Tabelle von der nächsten Seite wurde hier eingefügt. Im Original: "Hierher die Tabelle auf folgender Seite.".
  9. Die Auslassungen einzelner Worte innerhalb eines Verses sind bei diesen und den folgenden Übersichten nicht angegeben. Außerdem vgl. S. 110 Anm. 2.
  10. Geschichte des Volkes Israel II 2 658-664.
  11. Les origines littéraires et la composition de l’apoc. de St. Jean, Paris 1888 (cf. Revue de théol. et philos. 1887, 553ff.).
  12. L’origine de l’apocalypse 1887, zeitlich früher als Sabatiers Werk.
  13. WS: Die Tabelle im Original wurde auf die vorhergehende Seite verschoben.
  14. Hier ist noch Bruston, les origines de l’apoc. 1888, zu erwähnen. B. nimmt eine vor dem Tode Neros (hebräisch) verfaßte apostolische und eine 30 Jahr später geschriebene griechische Apk an, zusammengearbeitet durch einen judenchristlichen Redaktor; in seinen „études sur Daniel et l’Apok.“ 1896 deutete Bruston das verwundete Haupt auf Cäsar, die Zahl 666 auf:נמרד בן כשׁ‎(Nimrod ben Kusch). — Vgl. noch: le chiffre 666 et l’hypothèse du retour de Néron 1880; Études sur l’Apoc. 1884; L’hypothèse de retour de Néron sous une forme nouvelle, Revue de Théol. Montauban 1897, 606—612 (gegen die erste Auflage meiner Bearbeitung des Kommentars); La tête à blessie à mort et le chiffre 666 dans l’Apoc. Revue de Théol. 1904, 219-292.472-473. Ménégoz (Annales de bibliographie théologique I 1888, 41-45) nahm zwei jüdische Apk und einen christlichen Redaktor an (1,1-3,22; 22,6-21).
  15. An Sp. lehnt sich an: die Offenbarung Joh. d. Theologen und das Tier 666, Wiesbaden 1889 (zitiert nach Hirscht 5, A. 1).
  16. Mit Ausnahme sämtlicher Briefschlüsse.
  17. Anmerkungen über d. Komposition der Offenb. Joh. 1891.
  18. Die Offenbarung Joh., Gotha 1891.
  19. Doch vgl. Erbes „Der Antichrist in d. Schriften des N. Test.“ (Theol. Arbeiten aus d. Rhein. wissensch. Predigerver. N. F. 1. Hft. S. 491.) Danach wäre E. geneigt, den Bearbeiter schon in der ersten Hälfte der Regierungszeit Vespasians anzusetzen.
  20. Mit Ausnahme der sechs ersten Briefschlüsse.
  21. Vgl. meinen Artikel Revelation, Encyclopaedia Biblica von Cheyne und Black I. 194-212; auch den Artikel in Hastings Dictionary of the Bible IV 239-266. P. W. Schmiedel, das Buch des neuen Testaments m. d. 7 Siegeln. Prot. Monatshefte VII, 1903, 45-63.
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