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Die Neckarseite der Schwäbischen Alb (Schwab): Gmünd im Bauernkrieg und in den Religionshändeln

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Gustav Schwab
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Titel: Gmünd im Bauernkrieg und in den Religionshändeln
Untertitel:
aus: Die Neckarseite der Schwäbischen Alb
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1823
Verlag: Metzler
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Erscheinungsort: Stuttgart
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Die Neckarseite der Schwäbischen Alb. Neudruck der ersten Ausgabe von 1823 mit einer Einführung von Hans Widmann, Tübingen 1960, S. 289–299
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Kurzbeschreibung:
siehe auch Schwäbisch Gmünd und die Stadtbeschreibung Schwabs im Haupttext
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[289]

Gmünd im Bauernkrieg und in den Religionshändeln.
Aus ungedruckten und bisher unbekannten Originalurkunden.*)

In wie weit der Bauernkrieg auch Gmünd berührt, lag bisher ganz im Dunkeln. Der Wandrer wird sich auf dem Schauplatze der Begebenheit selbst gern einige Proben aus dem Funde mittheilen lassen, der dieses Dunkel aufklärt.

[290] Am Ende des April 1525 war eine wilde Bauernhorde von Hall hergekommen, hatte sich bei dem benachbarten Lorch gelagert, dort am 26sten dieses Monats die alte kaiserliche Burg zerstört, und das Benediktiner-Kloster verbrannt. Gleich darauf geschah dasselbe mit Hohenstaufen.

Von Lorch aus nun ergieng folgendes Schreiben an den Rath von Gmünd, das wir, so wie alle übrigen in dieser Sache gewechselten Briefe, in der Urschrift vor uns liegen haben:

„Unsern freundlichen Gruß zuvor! Fürsichtige und weise, günstige liebe Herrn! besonders gute Freunde! So, als wir in brüderlicher Liebe versammelt (sind), und unsre Begehrung (ist), Durchzug bei euch zu haben, damit wir mit unserm Haufen von euch ungehindert passieren und ziehen mögen, bitten und begehren wir hiemit euer schriftlich, frei, strack, ehrbar Geleite bei (durch) Zeigern dieses Briefs, uns dasselbig unabschlägig zuzuschicken, und damit keine Verharrung zu haben. Das wollen wir uns zu euch zu freundlicher und brüderlicher Liebe getrösten, und geneigt seyn, solches zu verschulden (?).

Geben Montags nach dem Sonntag Misericordia Domini. Anno DXXV.

Wir Hauptleuth und des
gemeynen hellen Hauffen Aufseher
vnnd Rethe zu Lorch.“


Der Rath antwortete diesen ungestümen Predigern christlicher Freiheit und Gleichheit mit Stolz und Würde, wie folgt:

„Wir Burgermeister und Rath der Stadt schwäbischen Gmünd entbieten den Hauptleuten, Räthen und gemeinen Ausschuß des hellen Hauffen unsern Gruß. Euer Schreiben, uns jetzo bei (durch) diesen euren Boten zu(ge)kommen, mit Begehr, Durchzug bei uns zu geben, und unverhindert passieren lassen, und dabei auch ein schriftlich Geleit zuzuschicken, haben wir Alles seines Inhalts hören lesen. Dieweil Uns aber nit gelegen, auch ganz nit verantwurtlich ist, euch durch unsre Stadt lassen zu ziehen, so haben wir auch nit Macht Jemand ausserhalb unsrer Stadt zu vergleiten. So ihr aber je Willens seyen (seyd), euren Fürzug um uns zu haben und fürzunehmen, wollen wir uns zu euch versehen, ihr werden(t) euch gebürlich [291] halten, uns, die Unsern, und alle unsre Zugehörigen und Verwandten nit beleidigen noch beschädigen. Deß Alles wir euch getreuer Meinung uff euer gethan Schreiben nit wollen bergen; darnach haben (habt ihr euch) zu richten. Deß zu Urkund haben wir unsrer Stadt klein . . . . . . . . . . . *) Insiegel gedruckt an diesen Brief, der geben ist Montag Philippi und Jakobi Anno DXXV.

Auf diese Antwort rückte die Bauernschaar, wie es scheint, vorwärts, an Gmünd vorbei, und lagerte sich in dem eine halbe Stunde von der Stadt entfernten Gmündischen Dorfe Muthlangen. Von hier aus sendet sie den Gmündern abermals ihren „freundlichen Gruß in brüderlicher Liebe.“ Ihr „gütlich und freundlich Begehren und Bitte“ ist dießmal, daß der Rath seinen Mitbürgern vergönnen möchte, „eine Lieferung Weins und Brods“ in das Lager der Bauern zu führen. „Dagegen jedem genugsamliche Bezahlung geschehen soll.“ Sie „haben auch in ganzem gemeinem hellen Haufen ernstlich, auch bei Verlierung Leibs und Guts verboten“ den Gmünder Unterthanen und dem Kloster zu Muthlangen „keine Ueberlästung zuzufügen.“ Den Gmündern, die herauskommen wollen, bieten sie sichres Geleite. Dieser Brief ist mit weit größerer Mäßigung geschrieben, als der erste. Die Unterschrift lautet noch ochlokratischer: „Hauptleuth und Räthe und ganzer gemeiner heller Hauff, itzundt zu Muthlang.“

Die Antwort des Raths findet sich nicht. Vielleicht schämte er sich derselben, denn sie war ohne Zweifel willfährig, da ein Geleitsbrief, den die Bauern dem Rath und der ganzen Gemeinde ausgestellt, vorhanden ist. Ihm ist das Wappen des Haufens, eine Wage und unter derselben eine Glocke, beigedruckt.

In einem Schreiben vom Mittwoch entschuldigt sich der helle Haufe gegen Rath und Gemeinde Gmünd, „daß etliche von ihnen, nämlich der Hauptmann von Gaildorf und Neuhof (?) mit samt ihren Mithelfern, ohne Mitwissen und Heissen der Hauptleute und des Ausschusses in das Kloster Gotteszell eingefallen, und den Frauen Gewalt bewiesen haben. Es werde ihnen schon nachgeeilt. Sie möchten ihnen solches nicht verargen und in keinem Weg vergelten.“ Noch in einer Nach[292] schrift fügen sie bei: „Auch, so sey euch kund, daß wir den Hauptmann von Gaildorf schon im Gefängniß haben.“

Der nächste Brief der Hauptleute und des Ausschusses ist von Gaildorf, Sonntag Jubilate, 1525 datiert. Sie schicken „Gnad, Fried, und Einigkeit in Christo Jesu“ zum Gruße voraus. Aus diesem Schreiben geht hervor, daß Rath und Gemeinde Gmünd Unterhändler in das Lager der Aufrührer geschickt, und daß diese in gutem Einverständniß von den Bauern gegangen: „Als Ihr jüngst im hellen Haufen von uns geschieden, euch erboten, wo ihr uns und dem ganzen hellen Haufen was Friedlichs und Guts zu handeln (hättet), davon ihr willig und dienstlich uns thun wollet, davon Hauptleut und Räth mit samt dem gemeinen hellen Haufen ein sonderlich Gefallen (haben): deß verhoffen (wir) zu eurer Weisheit, solchem eurem Zusagen Folg zu thun.“ Dafür erbieten sie den Gmündern ihren „Unterthänigen geflissenen Dienst“ und entschuldigen sich wegen „der Schmach und Lästerung, so etliche der Räthe und gemeinen hellen Haufens gethan.“ Nun rücken sie noch mit ihren eigentlichen Wünschen, die Reformation betreffend, heraus, sie kommen auf das „Evangelium das bis hieher klein und wenig in eurer Stadt gehandelt worden ist,“ und unterstützen „das Begehr und den Fürtrag der armen Unterthanen und Landsassen.“ „Ist darauf unser unterthänig Bitt’ und Begehr, wollet das Gottes Wort mit samt den zwölf Artickeln helfen handhaben u. s. w.“ –

Eine Antwort auf dieses Schreiben von Seiten des Gmünder Magistrats findet sich nicht; er scheint aber durch seine frühere Willfährigkeit in große Verlegenheit gerathen zu seyn. Nicht nur müssen sich mehrere Gmündische Bürger und Unterthanen zum hellen Haufen mit ihrer Person geschlagen haben, sondern in der Stadt selbst scheint sich religiöser Reformations- und politischer Revolutions-Geist sehr ernstlich geregt zu haben. Denn das nächste, was jene Akten enthalten, ist folgende demüthige Proklamation der stolzen Senatoren an die Gemeinde Gmünds:

„Günstigen lieben Herren und Freunde! Nachdem sich bishero eine Spann- und Irrung verloffen und begeben hat, zwischen einem ehrbaren Rath eins, und etlichen von einer frommen Gemeinde anderstheils: dasselbige hat ein ehrbar Rath zu Herzen [293] genommen, in Betrachtung, daß wir Alle unter einander, Väter, Söhne, Brüder, Schwäger und gute Freunde seyen (vive la nation!), und, so uns Allen etwas widerwärtiges begegnen und zustan würde, – das der allmächtig Gott verhüten wolle, – so würden und müßten wir alle aus brüderlicher und bürgerlicher Liebe, Leib, Ehr' und Gut bei einander lassen. Deß sich ein ehrbar Rath zu euch allen als ihren lieben gehorsamen Burgern gänzlich versehen will; erbeut sich auch ein ehrbar Rath, das Alles gegen euch Alle, und Jeden insonder treulich zu beweisen; und damit wir aber also bei einander in brüderlicher Lieb' und bürgerlicher Einigkeit bleiben mögen, und unter uns Fried' und Einigkeit nach Ausweisung des göttlichen Gottsworts gehalten werde: so hat sich ein ehrbar Rath entschlossen, daß ein ehrbar Rath und eine fromme Gemeinde zusammen schwören und verpflichten sollen, daß sie einhelliglich das heilig Evangelium und Wort Gottes wollen einander helfen handhaben, schützen und schirmen, Leib und Gut dabei bleiben lassen; auch alle böse Ordnung und Satzung dieser Stadt abthun, und gut Ordnung auf helfen richten, wie sich gebürt, nach allen ziemlichen Dingen, und soll alsdann aller Unwill und Irrung, so sich deßhalben zwischen uns allen begeben hat, todt und ab seyn, und keiner will das Alles gegen den Andern rächen, noch … in kein Weise noch Wege, Alles ungefährlich. Aktum Montags nach Lätare, halbvasten. Anno MDXXV.“

Am Donnerstag darauf erläßt der Rath auch an die abtrünnigen Hintersassen, die sich zu dem hellen Haufen geschlagen, eine sehr gemäßigte Aufforderung, die von einem Mandat begleitet ward, das von den kaiserl. und ständischen Räthen zu Ulm, „mit unsrer Herren, der dreier Hauptleute des Bunds, eigenem Betschier versiegelt,“ dem Rathe zugekommen ist. Mandat und Brief überbringt ihnen der Gmündische Spitalmeister, als Abgeordneter des Raths. Sie werden freundlich gewarnt: „daß wahrlich zu besorgen, so Ihr und der gemein Hauf also uff ihrem Fürnehmen verharren, und nit abziehen würden, daß das Alles euch zu großem merklichem Verderben Leibs und Guts reichen möchte; daß wir als eure Herren und Gutthäter euch und gemeinem hellen Haufen zu Ehren und Gut, und sondrer Neigung nit haben wöllen verhalten; darum so ermahnen wir euch – – – daß ihr euch Angesichts dieses [294] Briefs wieder anheim thut und als die Gehorsamen haltet: so wollen wir dieser Handlung gegen euch in Argem nit gedenken u. s. w.“ (Diese Amnestie muß dem Rath sauer geworden seyn zu ertheilen: denn es heißt im Concept anfangs: so wollen wir dieser Handlung gegen euch in Argem gedenken: das Wörtlein nit ist erst hineingeflickt.)

Als diese Ermahnung nichts gefruchtet und ein neues Mandat von Ulm gekommen war, so ward abermals der Spitalmeister mit diesem und einem zweiten, kältern und kürzern Brief an die Rebellen (die immer noch zu Muthlangen gelagert waren) geschickt.

Aus dem nächstfolgenden, sehr unleserlichen, Aktenstück, geht so viel hervor, daß diese letzte Mission ihren Zweck nicht verfehlt, daß die Bauern unter sich uneinig geworden, daß 3432 Mann sich bereits ihren verschiedenen Herrschaften wieder gehorsam erzeigen, und nicht viel über 100 Mann beharrlichen Widerstand leisten. Dagegen drohen in der Stadt selbst Uneinigkeit und Unruhen. Das Datum ist von Samstag nach Lätare.

Doch scheint dieses ganze Jahr ruhig vorüber gegangen zu seyn. Ernstlicher wurden die innern Unruhen im folgenden Jahr (1526). In dieser Zeit muß Gmünd der Reformation sehr nahe gewesen seyn. Andreas Altheimer, ein ausgetretener Gmündischer Prädikant, schreibt von Wittenberg aus zweimal an den Rath (Sonntag vor Antonii, und am Skt. Bartholom. Abend). „Er hat sich verschiedener Zeit zu Gmünd mit einer Bürgerin ehlich geheirathet und sie zu Kirchen und Straßen geführt, als Ihre Weisheit wohl wissend ist.“ Der Kaiser befiehlt nur, daß, wenn ein Priester sich heirathet, man ihm seine Pfründe nehmen soll. Weil er nun vorher „keine Pfründ’ nit gehabt, auch keine begehrt,“ so bittet er, ihn nur als einen Beiwohner und Pfahlbürger handeln und wandeln zu lassen, wie auch andre Reichsstädte mit ihren „geeheten Priestern thun.“ Der Rath wendet sich deßhalb an den schwäbischen Bund, der dem Priester die Stadt unbedingt verbietet.

Mag nun diese oder eine andre Geschichte den Gährungsstoff aufs neue aufgeregt haben: genug, es folgt ein Concept ohne Datum, dessen durchaus unleserlichen Inhalt eine zweite Hand am Schlusse summarisch folgendermaaßen auslegt:

[295] „Dieser Tagen erschien unter den Bürgern ein neuer Aufruhr. Sie laufen haufenweise mit Harnisch und Gewehren zusammen; wollen das reine Evangelium haben; nehmen mit Gewalt einen bösen Buben, der in der Pfarrkirche gestohlen, aus dem Gefängniß, fallen in die Klöster und berauben dieselben, nehmen die Thorschlüssel zu sich, setzen den Rath ab, und belegen die Stadt mit neuen Steuern, setzen neue Rathsglieder ein und bemächtigen sich des ganzen Regiments. Sind aber wieder vom schwäbischen Bund zum Gehorsam gewiesen worden.

Der Restauration kam im J. 1529 eine Seuche zu Hülfe, in welcher Bürgermeister, Rath und Zunftmeister jeden, der schwach und krank ist, warnen, sich nicht von einer christlichen Gemeinde abzusondern, sondern sich mit dem Sakrament „als der edelsten, kostbarlichsten Arznei seiner Seele“ versehen zu lassen, und das nit zu verachten, bis uff das künftig Concilium, so jetzo uff aller heiligen Tag gen Trient angesagt. Aber wer irgend Beschwerde hat, des Sakraments halber, warum man das nit zu beiden Gestalten geb’ – der mag sich zu unsrem Doktor und Pfarrer verfügen, oder an seinen Prediger: (so) wird er gründlich aus heiliger, evangelischer, göttlicher Schrift Bericht empfahen (!). „Wer aber in seiner Hartnäckigkeit und seinem Irrthum verharrt, dem soll das christliche Begräbniß nit gedeihen, sondern (er soll) durch den Wasenmeister (Schinder) begraben werden.“

In demselben Jahr nahm Gmünd, nach Crusius, östreichisch-würtembergische Besatzung auf, und 7 Ketzer wurden hingerichtet.

Im Innern der Stadt scheint es jetzt ruhiger geworden zu seyn; um so drohender erhob sich der Sturm von aussen. In den Akten ist hier eine Lücke bis zum J. 1546, die durch die Zeitgeschichte sehr begreiflich gemacht wird.

Im J. 1530 bildete sich nämlich der schmalkaldische Bund der protestantischen Fürsten gegen den Gewissenszwang, im J. 1536 ward er auf 10 Jahre erneuert; im J. 1546 den 20. Jul. wurden die Bundeshäupter, der Churfürst Johann Friedrich von Sachsen, und der Landgraf von Hessen in die Acht erklärt, und sie selbst auch schickten dem Kaiser den Fehdebrief. Am 23. Nov. kam der Churfürst mit dem Bundesheere nach Heidenheim, und Gmünd schloß seine Thore. [296] Fürstliche Gesandte erschienen und unterhandelten mit städtischen Abgeordneten wegen der Uebergabe; aber die Bürgerschaft blieb unter den Waffen und der Bürgermeister Rauchbein verwarf zweimal die Vorschläge. Nun war das Bundesheer, 40000 Mann stark, herangerückt, und mit dem 26sten Nov. ward die Stadt beschossen, während der Bürgermeister an der Spitze seiner Leute unter fliegenden Fahnen in banger Erwartung auf dem Markte stand, jedoch von den Mauern das Feuer erwiedern ließ. Endlich nach vergeblichen Capitulationsversuchen, mußte sich die Stadt auf Gnad’ und Ungnade ergeben und 7000 Gulden bezahlen. Bürgermeister und Rath warfen sich dem Churfürsten zu Füßen. Die Akten aus dieser Zeit mochten aus Vorsicht von den Gmündern selbst vernichtet worden seyn. Uebrigens behandelte Otto von Lüneburg die Stadt sehr edel, nur an dem Bürgermeister Rauchbein, der früher grausame Reaktion gegen die evangelisch gesinnten Bürger geübt hatte, und an den Geistlichen, welche, besonders die Minoriten, von Anbeginn der Reformation gewaltthätig entgegen gekämpft hatten, vergriffen sich die Subalternen, und einer der städtischen Abgeordneten, der Stadtarzt D. Leonhard Haug (bei Crusius Hugo}, wurde sogar von dem sächsischen Marschall Wolf gefangen fortgeführt. Aus den von hier an wieder beginnenden Akten erhellt, daß seinen Landsleuten der Ort seiner Haft verborgen blieb. Seine Hausfrau schreibt ihm nach „N.,“ recht rührend-fromm, daß sie gern Alles, was ihr von der Plünderung geblieben, ja „das Hemd am Leibe darstrecken will, damit er erledigt werde“ (5. Febr. 1547).

Ueber die religiös-politische Folge dieser Eroberung schwieg bisher die Geschichte. Durch die Akten wird sie aufs merkwürdigste ergänzt. Am 2. Dez. 1546 läßt nämlich Churfürst Johann Friedrich nach der Eroberung von Neckarsulm eine ausführliche Aufforderung (sie ist im Original vorhanden) an die Stadt ergehen: sie soll das Pabstthum und alle katholischen Ceremonien abschwören, und die augsburgische Confession annehmen.

Bürgermeister und Rath gehorchen, und Gmünd ist für den Augenblick evangelisch. Dieß erhellt aus dem Schreiben des Raths an die Stadt Nürnberg vom 11ten Dez. 1546. In diesem heißt es: „– Nun ist aber uns unter Anderem in dem Eyd, so [297] wir sr Churf. etc. – geschworen, aufgelegt, von dem Pabstthum und abgöttischen Ceremonien und Mißbräuchen abzustehen, – und dagegen das heilfertige und allein seeligmachende Gotteswort – augsburgischer Confession – anzunehmen, und nach gelehrten, christlichen und rechtschaffenen Predigern – zu trachten, die – uns das göttliche Wort, samt christlicher Religion, auch Ceremonien, demselben gemäß, pflanzen und anrichten. Dieweil nun wir in dem gehorsamlich zu erzeigen uns schuldig erkennen, so –“ bitten sie die Nürnberger, ihnen „einen oder zween ihrer (lutherischen!) Prädikanten zu schicken, mit dem Befehl, daneben unsre Kirch helfen zu ordnen und zu reformiren – wie das Alles der augsburgischen Confession nach seyn soll.“ Und das, bis sie selbst Prädikanten nachgezogen hätten.

Doch scheint es dem Rath so ernst damit nicht gewesen zu seyn. Die unglückliche Schlacht bei Mühlberg (24. April 1547) brachte den Churfürsten und seinen Verbündeten in des Kaisers Gewalt, und der schmalkald. Bund löste sich auf. Bald wurden die Evangelischen zu Gmünd wieder wie eine ketzerische Sekte angesehen. Im J. 1555 (13ten Sept.) reicht der Gmündische Stadtpfarrer Jakob Spindler, ein Lorcher Benediktiner-Mönch, der erst 7 Jahre Vikar in Gmünd und dann Pfarrer war, eine Klagschrift wegen kirchlicher Mißbräuche beim Rath ein, wo er unter andrem klagt, daß neuerdings auch eine Pfarre im Spital entstanden sey – da doch hergebrachter Weise nur Ein Pfarrer zu Gmünd seyn soll; und daß dieser Spitalprediger auf der Canzel nicht berge, wie er lutherisch sey; daß er die Fürbitte der Heiligen läugne, die sakramentalische Ohrenbeichte nicht für nöthig halte, ja selbst bekenne, er habe viele Jahre nicht gebeichtet; daß er das Abendmahl in beiderlei Gestalt und ohne Consecration reiche u. s. w. Ferner daß auch seine (des Stadtpfarrers) zwei Helfer ungehorsam und unfleissig werden, „fahren ihn an, wie hauende Schwein’;“ daß das „Fleischfressen“ in dem Fasten einreisse u. s. w.

Der Rath aber beschließt, „daß allen diesen Punkten remedirt und dem Jakob Scheppel sein ärgerliches Spitalpredigen ganz verboten seyn solle.“

In den Jahren 1555 und 1557 „steiften sich die Widerspenstigen [298] noch auf die bei den Reichstagen zu Augsburg und Regensburg anwesenden lutherischen Fürsten.“ Aber umsonst.

Im Jahr 1561 (24. Sept.) dankt der päbstl. Nuntius zu Wien, Zacharias Delphinus, in einem lat. Hirtenbrief den Gmündern für ihre katholische Treue. Im J. 1574 (12. Jan.) spricht der Gmünderrath mit seinen „lieben Freunden“ den Bürgern von der Ketzerei und Rebellion, die der stinkende, meineidige Mönch (Luther) angerichtet und verweigert den Ketzern den Mitgenuß der Communion. Der von den Gmündern angerufene Bischof von Augsburg aber hilft die religiöse Contre-Revolution vollenden, und die Akten handeln nur noch von einzelnen ungehorsamen Augsb. Confessions-Verwandten; die sie ausschaffen und ihnen das Bürgerrecht nehmen, und für die sich andre Reichsstädte vergebens verwenden. Mit lebhaftem katholischem Eifer wendet sich auch der Rath oft an Reichstage und Kaiser, wegen seiner ketzerischen Unterthanen. Eine urkundliche Antwort des edlen Maximilian II., während des Religionsfriedens (Wien, 20. Febr. 1577) mahnt sie zur Toleranz. – Kaiser Rudolph II. aber schreibt (12. Sept. 1588) an den Bischof von Augsburg, daß „der mehrer Theil der Gmünder ein guet katholisch Völklein“ sey, daß es aber doch hochnöthig sey, das wachsende Unkraut (der Sektischen) auszurotten. Denn ketzerische Prädikanten aus der Nachbarschaft, Postillen, Catechismen schlichen sich noch immer ein. Und noch am Schlüsse des Jahrhunderts verbanden sich verschiedne Bürger augsburgischer Confession zu Gmünd, hielten bei Tag und Nacht heimliche Zusammenkünfte in Gmünd, ließen sich eine Supplikation stellen, und sandten mit derselben aus ihrer Mitte, den Bürger und Handelsmann Sebastian Terzago auf den Reichstag zu Regensburg. Im J. 1594 aber sitzt dieser Mann zu Gmünd im Stadtgefängniß, gesteht nach einiger Weigerung, und muß Urphede schwören.

Damit schließen die Religionsgeschichten dieses Jahrhunderts. – Die Akten aus dem folgenden betreffen hauptsächlich den 30jährigen Krieg, und enthalten fast lauter dürre Verhandlungen mit den schwedischen Generalen über Contributionen und Donationen, namentlich mit dem schwed. Obristen Christoph Martin v. Degenfeld. Darunter finden sich ein [299] paar interessante Schreiben des schwed. Reichskanzlers Axel Oxenstiern in Copien.


*) [289]Fasciculus actorum über die 126 Original- und andere Authentische Uhrkunden und Beylaagen, deren in deß heyl. Röm. Reichs Statt Schwäb. Gemünd durch ein ganzes Säculum von anno 1525 bieß 1635 angedaurte Lutherische Religionstroublen von No 1 bieß No 126. Zusammengetragen anno 1738.“
Bei Anwesenheit des Wegweisers zu Gmünd im Jahr 1821 von dessen Freunden aus dem Raub einer Registratur hervorgezogen, und seitdem zur Benutzung mitgetheilt.

*) [291] Unleserlich.