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Die Briefe

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Textdaten
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Autor: Alfred Tennyson
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Titel: Die Briefe
Untertitel:
aus: Lieder- und Balladenbuch amerikanischer und englischer Dichter der Gegenwart, Seite 226–228
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1862
Verlag: Hoffmann & Campe
Drucker: Jacob & Holzhausen
Erscheinungsort: Hamburg
Übersetzer: Adolf Strodtmann
Originaltitel: The Letters
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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[226]

 Die Briefe.

     Still auf dem Thurm die Fahne stund,
Die Luft war finster, dumpf und schwer;
     Ich schaute durch das Gitterrund,
Und sah den Altar kalt und leer.

5
     An meinem Fuss ein Bleigewicht,

In meinem Haupt ein brennend Weh: –
     „Altar, mein Jawort hörst du nicht,
Eh’ sich begegnen Stern und See!“

     Ich summt’ ein bittres Lied, das schlimm

10
Verhöhnte, was da gut und groß;

     Dann sahn wir uns in Zorn und Grimm,
Sahn uns, doch schien’s ein Abschied bloß.
     Kalt war mein Gruss und schnöde gar,
Und sie, matt lächelnd, reglos blieb;

15
     Doch halb bewusstlos nahm ich wahr:

Sie trug die Farben, die mir lieb.

[227]

     Halb seufzend langte sie herab
Den Schrein mit schmucker Silberzier,
     Und mit gepresster Lippe gab

20
Sie stolz zurück die Briefe mir;

     Die Perlen auch, den Ring der Braut,
Den ich als Liebespfand verlieh –
     Auf todten Kindes Sächlein schaut
Ein Vater wohl, wie ich auf die!

25
     Wie rings mich Lügenwerk umdroht,

Vernahm ich von ihr zürnend dort;
     Sie sprach, als sei ihr Lieben todt,
Doch Feuer glüht’ in meinem Wort.
     „Nichts mehr von Lieb’! Ihr führt uns an –

30
Nie sollt ihr fürder blind mich schaun!

     Ich traue künftig nur dem Mann,
Dem Weibe darf man nicht vertraun!

     Verleumdung, Trug, der schnell zerstiebt,
(Der schlimmste noch ist Weibertrug!)

35
     Und du, die einst ich so geliebt,

Sind schuld an meines Lebens Fluch!“
     Ich sprach mit Seele, Kraft und Gluth,
Das Herz mit Angst erfüllt’ ich ihr – –
     Wie von dem Berg des Gießbachs Fluth,

40
Uns in die Arme stürzten wir!


[228]

     Dann schied ich. Blinkend lugten vor
Die Stern’ aus duftdurchwebtem Blau.
     Leis rauschte um den Belfriedchor
Der Wind am alten Kirchenbau.

45
     Zu lächeln schien das Grab sogar,

So frisch drauf blühten Gras und Mohn;
     „Da kommt,“ so sprach ich, „tief und klar
Ein Klang von Hochzeitsglocken schon.“