Didos Tod
Verhaßt ist ihr fortan des Himmels Bogen,
von gräßlichen Erscheinungen bedroht,
vom Schicksal selbst zum Abgrund hingezogen,
Einst, als sie den Altar beschenkt mit frommen Gaben,
verwandelt jählings sich des heilgen Weines Flut –
Entsetzliches Gesicht! in Blut,
und dies Geheimniß ward mit ihr begraben.
[284]
im Hause eine marmorne Kapelle,
verehrt von ihr mit frommer Zärtlichkeit,
geschmückt mit manchem Laub und glänzendweißem Felle.
Von hier aus hörte sie, wenn alles ringsum schlief,
und einsam wimmerte auf hohem Dach die Eule
ihr totweissagendes Geheule.
Auch manch Orakel wird in ihrem Busen wach,
Aeneens Schatten selbst scheucht sie mit grimmgem Blicke,
und einsam stets bleibt sie zurücke.
Ihr däucht, sie wandle hin auf menschenleerer Flur,
sie ganz allein auf einem langen Pfade,
und suche ihrer Tyrer Spur
[285]
So siehet Pentheus Fieberwahn
die Schaar der Furien ihm nahn,
zwey Theben um sich her, zwey Sonnen aufgegangen.
So ruft der Bühnen Kunst Orestens Bild hervor,
der Mutter Schatten jagt, der Racheschwestern Chor,
gespieen aus dem Schlund der Hölle,
ihn angraust an des Tempels Schwelle.
Als jetzt ein Raub der schwarzen Eumeniden
auch über Zeit und Weise sich entschieden,
tritt sie die Schwester an mit falscher Heiterkeit,
läßt im verstellten Aug der Hoffnung Strahlen blitzen,
tief scheint der lange Sturm des Busens jetzt zu ruhn:
ihn zu vergessen oder zu besitzen.
[286]
Am fernen Mohrenland, dort wo des Tages Flamme,
sich in des Weltmeers letzte Fluthen neigt,
wo unterm Himmel sich der Atlas beugt,
Ihr ist der Hesperiden Haus vertraut,
sie hütete die heilgen Zweige,
besänftigte mit süßem Honigteige
des Drachen Wuth, und mit dem Schlummerkraut.
durch ihres Zaubers Kraft zu heilen,
auf andre drückt sie selbst den Pfeil des Kummers ab.
Sie zwingt in ihrem Lauf die Ströme still zu stehen,
die Sterne kann sie rückwärts drehen,
zerreißt der Erde brüllend Eingeweide,
und zieht den Eichbaum von des Berges Haide.
[287]
Daß es bis dahin mit mir kommen muß!
Bei deinem theuren Haupt! bei Zevs Olympius!
Drum, Liebe, richte still mir einen Holzstoß auf
im innern Hof des Hauses! Lege drauf
das Schwerdt, jedweden Rest des Schändlichen, die Betten,
wo meine Unschuld starb! Die Priesterinn gebeut,
Sie sprichts und Todesblässe deckt
ihr Angesicht. Doch daß in diesem Schleyer
der Schwester eigne Leichenfeyer
sich birgt, bleibt Annens blödem Sinn versteckt.
besorgt sie schlimmres nicht, als was Elisens Gram
beim Tod des ersten Gatten unternahm,
drum säumt sie nicht, der Schwester zu willfahren.
[288]
Bald steht durch ihrer Hände Fleiß
aus Fackeln und aus dürrem Reis
im innern Hofraum aufgeschichtet.
Ihn schmückt die Königinn, wohl wissend was sie thut,
mit einem Kranz und der Cypresse traurgen Aesten,
des Trojers Bild und Schwerdt mit allen Ueberresten.
Auf jeder Seite zeigt sich ein Altar,
und in der Mitte steht mit aufgelöstem Haar
die Priesterinn in heilge Wuth verloren.
des Erebus. Des Chaos wilde Macht,
ein ganzes Heer von Göttern wird beschworen,
Persephoneiens dreyfache Gewalt,
Dianens dreymal wechselnde Gestalt.
[289]
besprengt sie den Altar mit heilgen Wellen.
Nach jungen Kräutern wird gespäht,
die von des Giftes schwarzen Tropfen schwellen,
beim Mondlicht mit der Sichel abgemäht;
der auf der Fole jungem Haupt sich bläht,
dem Zahn des Mutterpferds entrissen.
Sie selbst, das Opferbrod in frommer Hand,
mit bloßem Fuß, mit losgebundenem Gewand,
auf ihres Mörders Haupt der Götter Strafgericht,
der Sterne Zorn herabzurufen,
und neigt ein Gott sein Angesicht
auf Liebende herab, die ihre Schwüre brechen,
[290]
Gekommen war die Nacht, und alle Wesen ruhten
erschöpft im süßen Arm des Schlafs. Tief schweigt
der Wald, gelegt hat sich der Zorn der Fluthen,
zur Mitte ihrer Bahn die Sterne sich geneigt.
was sich in Sümpfen birgt und in der Wälder Nacht,
vergißt der Arbeit und Beschwerden,
gefesselt von des Schlummers Macht.
Nur deines Busens immer wachen Kummer,
nie wird es Nacht auf deinem Augenlied.
Empfindlicher erwachen deine Schmerzen,
aufs neu entbrennt in deinem Herzen
der Kampf, den, ach! Verzweiflung nur entschied.
beginnt sie so in diesem innern Streite.
[291]
Unglückliche, ruft sie, was soll nunmehr geschehn?
Gehst du, von neuem dich den Freyern anzutragen,
die du verächtlich ausgeschlagen,
Gehst du, den Teukriern als Magd dich anzubieten?
Du kennst ja ihre Dankbarkeit,
du solltest wissen, wie bereit
sie sind, empfangne Opfer zu vergüten.
gesetzt, du könntest diese Schmach verschmerzen?
So wenig weißt du, wie gewissenlos
Laomedontier mit Treu und Glauben scherzen!
Folgst du den stolzen Ruderern allein?
und kaum aus Sidons Stadt gewaltsam fortgezogen,
vertraust du sie aufs neu dem Spiel von Wind und Wogen?
[292]
Nein stirb, wie du verdient! Das Schwerdt befreie dich.
Dir Schwester dank ich meinen Fall. Du gabest mich
Konnt ich nicht schuldlos, von Begierden rein,
nicht frey von Hymens Band mich meines Lebens freun?
Mein Wort hab ich Sichäus dir gebrochen,
geschworen deinem heiligen Gebein.
So quälte jene sich, indeß auf hohem Schiff,
entschlossen und bereit, Karthagos Strand zu räumen,
Aeneas schlief. Ihm zeigte sich in Träumen
dasselbe Bild, das jüngst mit Schrecken ihn ergriff,
dem Flügelboten gleich an Stimme, an Gestalt,
dasselbe blonde Haar, das Majens Sohn umwallt,
derselbe schlanke Bau der jugendlichen Glieder.
[293]
Ists möglich, ruft er, Göttinnsohn,
Siehst die Gefahren nicht, die ringsum dich bedrohn,
und hörst die Winde nicht, die deine Segel regen?
Von wilder Wuth empört, sinnt jene, dich mit List
mit unentrinnbarem Verderben zu umschlingen,
davon, da dir noch Flucht verstattet ist?
Grüßt dich Aurora noch in diesem Land,
so siehst du weit und breit die Wellen
mit Schiffen überdeckt, den ganzen Meeresstrand
Flieh ohne Aufschub! Flieh! Veränderlich
ist Frauensinn und nimmer gleicht er sich.
Er sprichts und fließt in Nacht dahin. Voll Schrecken
fährt jener aus dem Schlaf, und eilt sein Volk zu wecken.
[294]
die Segel aus! Ein Gott, vom Himmel her gesandt,
treibt mich aufs neu, nicht länger mehr zu weilen,
die Stränge zu zerhaun, die Abfahrt zu beeilen.
Wer du auch seyst, erhabne Gottheit! Ja!
Verleih uns Schutz! O sey uns hold und nah!
Laß über unserm Haupt geneigte Sterne schweben!
Er sprichts, und aus der Scheide blitzt
sein flammend Schwerdt und trennt des Ankers Seile,
rafft alles fort, und treibt und rennt in voller Eile.
Schnell ist die ganze Küste leer,
verschwunden unter Schiffen ist das Meer,
es keucht der Ruderknecht und quirlt zu Schaum die Wogen,
[295]
Jetzt eben windet sich aus Tithons goldnem Schoos
des Morgens junge Göttinn los,
und überströmt die Welt mit neugebohrnen Strahlen.
Aus ihren Fenstern sieht mit silberfarbem Grau
sieht durch der Wasser fernes Blau
die Flotte schon mit gleichen Segeln fliegen,
die Küste leer, den Hafen öde liegen.
Da schlägt sie mit ergrimmter Hand
Allmächtger Zevs, ruft sie erschrocken,
Er geht! Er flieht von meinem Strand!
Dem Fremdling gieng es hin, mich straflos zu verspotten?
Bewaffnet nicht ganz Tyrus mein Geheiß?
Bringt Fackeln! Rudert frisch! Gebt alle Segel preiß!
[296]
Wo bin ich? – Ach, was für ein Wahnsinn reißt mich fort?
Jetzt hat dein feindlich Schicksal dich ereilet,
Unglückliche! Da galts, da war der rechte Ort,
Das also ist der Held voll Treu, voll Edelmuth,
der seines Vaters Last auf fromme Schultern lud,
der mit sich führen soll auf allen seinen Bahnen
die Heiligthümer seiner Ahnen!
im Meer, ihn und sein Volk? Nicht seinen Sohn erwürgen?
Auftischen ihm zum Mahl? – Wo aber meine Bürgen,
daß er nicht siegte? Mocht es immer seyn!
Was fürchtet, wer entschlossen ist zu sterben?
vertilgte Vater, Sohn, die ganze Schlangenbrut,
und theilte dann frohlockend ihr Verderben!
[297]
O du, vor dessen Strahlenangesicht
kein Menschenwerk sich birgt, erhabnes Licht!
du Hekate, die man durch Stadt und Land
auf finstern Scheidewegen heulend nennet,
ihr Furien, ihr Götter, deren Hand
die sterbende sich weiht! Vernehmt von euren Höhen
Muß der Verworfne doch zum Ufer sich noch ringen,
ist dem Verhängniß nichts mehr abzudingen,
ists Jovis unabänderliches Wort,
o so erduld er alle Kriegesplagen,
gerissen aus des Sohnes Armen,
such' er bey Fremdlingen Erbarmen,
und sehe schaudernd der Gefährten Mord!
[298]
Und fügt er sich entehrenden Verträgen,
Er falle vor der Zeit! Dieß sey mein letzter Segen,
mit diesem Wunsch geh ich dem Acheron entgegen,
im Sande liege unbeerdigt sein Gebein!
Dann Tyrier verfolgt mit ewgen Kriegeslasten
dieß soll mein Todesopfer seyn!
Kein Friede noch Vertrag soll jemals euch vereinen,
ein Rächer wird aus meinem Staub erstehn,
in ihren Pflanzungen mit Feur und Schwerdt erscheinen,
Feindselig drohe Küste gegen Küste,
rachgierig thürme Fluth sich gegen Fluth,
Schwerdt blitze gegen Schwerdt, der späten Enkel Brüste
entflamme unversöhnte Wuth.
[299]
des traurgen Lebens zu zerreissen, rief
Sichäus Amme (ihre eigne schlief
den langen Schlummer schon im mütterlichen Lande)
laß, spricht sie, teure Barce, schnell
benetzen, sag ihr an, daß sie die Thiere
und die bewußten Opfer zu mir führe.
Du selbst, geliebte, säume nicht,
mit frommer Binde dir die Schläfe zu verhüllen,
dem unterirrdschen Zevs erfüllen,
und meinen Gram auf ewig stillen.
Sogleich flammt mit dem Bösewicht
der Holzstoß in die Luft! – Sie sprichts und sonder Weile
[300]
Sie selbst, zur Furie entstellt
vom gräßlichen Entschluß, der ihren Busen schwellt,
mit bluterhitztem Aug, gestachelt von Verlangen,
der Farben wechselnd Spiel auf krampfhaft zuckenden Wangen,
durchschauert, bleich, wie eine Büste,
stürzt in den innern Hof, und, Wahnsinn in dem Blick,
besteigt sie das entsetzliche Gerüste.
Reißt aus der Scheide des Trojaners Schwerdt,
doch, als ihr Blick sich auf Aeneens Kleider senket
und auf das wohlbekannte Bette, kehrt
sie schnell in sich, verweilt bey diesem theuren Orte,
läßt noch einmal den Thränen freien Lauf,
und scheidet von der Welt durch diese letzten Worte:
[301]
Geliebte Reste! Zeugen meiner Freuden,
solang's dem Schicksal und den Himmlischen gefiel!
Entbindet mich von meinen Leiden,
Ich bin an meines Lebens Ziel.
Vollbracht hab ich den Lauf, den mir das Loos beschieden,
jetzt fliehet aus des Lebens wildem Spiel
mein großer Schatten zu des Grabes Frieden.
und meine Mauren sah ich ragen,
bestraft hab ich des Bruders Missethat,
der Rache Schuld dem Gatten abgetragen.
Ach! hätte nie ein Segel sich
gezeigt an meines Tyrus Strande,
wer war glückseliger als ich!
[302]
Sie sprichts und drückt ins Kissen ihr Gesicht.
Und ohne Rache, ruft sie, soll ich fallen?
So ziemts, ins Schattenreich zu wallen!
Es sehe der Barbar vom hohen Ozean
mit seinen Augen diese Flammen steigen,
und nehme meines Todes Zeugen
Eh diese Worte noch verhallen,
sehn ihre Frauen sie, durchrannt
von spitzgen Stahl, zusammenfallen,
das Schwerdt mit Blut beschäumt, mit Blut die Hand
der Königsburg; sogleich macht des Gerüchtes Mund
die grauenvolle That mit tausendstimmgem Heulen
dem aufgedonnerten Karthago kund.
[303]
Da hört man von Geschrey, von jammervollem Stöhnen,
des Aethers hohe Wölbung heult es nach.
Nicht fürchterlicher konnt es tönen,
wenn in Karthagos Stadt die Flut der Feinde brach,
das alte Tyrus fiel, der Flammen wilde Blitze
und durch der Götter heilges Dach.
Geschreckt durch den Zusammenlauf der Menge,
durchschauert von dem gräßlichen Gerücht,
stürzt Anna halb entseelt sich durchs Gedränge,
die Brust mit mörderischen Schlägen.
Das also wars, ruft sie der Sterbenden entgegen.
Mit Arglist fiengst du mich! Dazu der Opferheerd,
dazu das Holz und des Trojaners Schwerdt!
[304]
Unzärtliche! Warum verschmähtest du im Tod
die Schwester zur Begleiterinn? Vereinen
sollt uns derselbe Stahl, von beider Blute roth!
Und fleht' ich darum Tyrus Götter an, erbaute,
dieß Holzgerüste? Weh! Mich ziehst du mit ins Grab,
dein armes Volk, dein Reich, dein Tyrus mit hinab.
Gebt Wasser, gebt, daß ich die Wunden wasche,
mit meinen Lippen ihn erhasche,
Sie rufts und steht schon oben auf den Stuffen,
stürzt weinend an der Schwester Hals, bestrebt
an ihrer warmen Brust ins Leben sie zu rufen,
die schon der Frost des Todes überflogen,
[305]
Umsonst versucht (aus weitgespaltnem Munde
pfeift unter ihrer Brust die Wunde,)
umsonst die sterbende, den schwerbeladnen Blick
dem Strahl des Tages zu entfalten,
und dreimal taumelt sie zurück,
durchirrt, das süße Licht der Sonne zu erspähen,
des Aethers weiten Plan und seufzt, da sies gesehen.
Erweicht von ihrem langen Kampf, gebeut
der Glieder zähe Bande zu zertheilen,
zu endigen der Seele schweren Streit.
Denn da kein Schicksal, kein Verbrechen,
Verzweiflung nur sie abrief vor der Zeit,
das abgeschnittne Haar noch nicht geweiht.
[306]
Jetzt also kam, in tausendfarbem Bogen
der Sonne gegenüber, feucht von Thau,
die Goldbeschwingte durch der Lüfte Grau
Dieß weih ich auf Befehl der Gottheit dem Kozyt,
ruft sie, vom Leibe frei mag sich dein Geist erheben.
Sie sagts und lößt das Haar ab, schnell entflieht
der Wärme Rest, und in die Lüfte rinnt das Leben.